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„Widerwärtige Gier“: Handelt PGA Tour tatsächlich nicht im Mitglieder-Interesse?

09. Feb. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Im Schlagabtausch über die PGA Tour: Phil Mickelson und Brandel Chamblee. (Foto: Getty)

Im Schlagabtausch über die PGA Tour: Phil Mickelson und Brandel Chamblee. (Foto: Getty)

Unternehmen, die was auf sich halten, haben ein Leitbild; das gehört zur Corporate Identity. Die PGA Tour hat sich auf die Fahne geschrieben, „Fans, Partner und die Allgemeinheit durch die Präsentation der besten Golfer zu inspirieren, faszinieren und positiv zu prägen“. Soweit das „Mission Statement“ des Profigolf-Circuits, der sich 1968 als Ableger der PGA of America gebildet hat und nach einigen Namens-Intermezzi seit 1982 endgültig als PGA Tour firmiert.

Geldgewinnung auf dem Rücken der Spieler“?

Phil Mickelson freilich attestiert seinem Laden ein ganz anderes Selbstverständnis. Beim Saudi International vergangene Woche lamentierte „Lefty“ über „widerliche Gier“ und „Geldgewinnung auf dem Rücken der Spieler“.


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Er wollte den Umgang der Tour mit den Medienrechten der Aktiven, mit dem Recht am eigenen Bild adressieren, einen „kleinen aber letztlich wichtigen Teil" der Gesamtproblematik – doch die ganze Welt hat verstanden, dass es dem sechsfachen Majorsieger darum ging, sein Interesse an den Petro-Dollars der Saudis und einer möglichen Super Golf League mit einem moralrechtlichen Unterbau zu alibisieren. Eine ziemlich durchsichtige und vor allem fragwürdige Argumentation angesichts des „blutigen Gelds“ („Washington Post“) für Mickelson und Co. aus Riad.

„Bauchredner-Puppe eines mörderischen Regimes“

Entsprechend folgerichtig kamen die Konter. Brooks Koepka beispielsweise befand sinngemäß, ausgerechnet Mickelson solle besser nicht von Gier reden. „Golf Channel“-Experte Brandel Chamblee bezeichnete den 51-Jährigen als „hoch bezahlte Bauchredner-Puppe eines mörderischen Regimes und seiner Sportswashing-Operation, die sich mehr Sorgen um die eigene Rechte als um die Verbrechen an den Menschenrechten“ mache. Starker Tobak.


„Vielleicht ist Phil Mickelsons geliebter Kaffee auf dem Weg von den USA nach Saudi Arabien bitter geworden. Oder er ist durch seinen Erfolg und seinen Reichtum mittlerweile einfach versaut.“

Andrew Wright, „Golf Monthly“


Ja, natürlich singt Mickelson auf seine ureigene, gewohnt aufmerksamkeitsheischende Weise das Lied von Impresario Greg Norman, der sich mit seiner LIV Golf Investment von Saudi Gnaden zum Freiheitskämpfer für angeblich unterbezahlte und sonstwie ins Joch gezwungene Golf-Professionals und ihr Recht auf freie Wahl des Arbeitsplatzes aufschwingt, weil sie am heimischen (Golf-)Herd angeblich nicht so reichhaltig gefüttert werden wie sie es aufgrund von Strahlkraft, Wirkweise und Leistungen verdienen.

Kritik am Gebaren der Tour ist nicht neu

Der Australier verstieg sich in seiner revanchistischen Hybris gegenüber der PGA Tour, die ihm in den 1990er-Jahren mit der WGC-Serie seine Idee eine Welttour geklaut hat, sogar dazu, die von Morden, Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Missständen besudelte Reputation des Königreichs am Persischen Golf mit dem systemischen Rassismus in den USA gleich zu setzen. Sehr dünnes Eis.

Aber was ist dran an Mickelsons Monitum? Und: Handelt die PGA Tour – so ja Normans Narrativ – tatsächlich nicht im Interesse ihrer golfenden „Gesellschafter“? Die Kritik jedenfalls ist keineswegs neu. Seit langem flammt immer mal wieder Unmut darüber auf, dass die „Money Making Machine“ in Ponte Vedra Beach zwar den Schotter schubkarrenweise scheffelt, dabei indes nicht ausschließlich das Wohlergehen den Wohlstand der Spieler im Blick hat, sprich zu wenig wieder auskehrt; dass operatives Geschäft und satzungsgemäßer Zweck zu weit auseinander klaffen.

„Wir buckeln das Business“

Nicht von ungefähr stand die Firmierung der PGA Tour als Non-Profit-Unternehmen („501(c)(6) Organization“) samt Befreiung von der Einkommenssteuer bereits mehrfach, zuletzt 2013 auf dem Prüfstand. Doch einmal mehr scheiterte der entsprechende Antrag auf Gesetzesänderung. Und so hat bis heute Bestand, was einst als Abspaltung der Turnierspieler von der PGA of America begonnen hat.


„Wenn die Tour jede Bedrohung [durch konkurrierende Ligen] beenden will, sollte sie einfach die Medienrechte an die Spieler zurückgeben. Stattdessen wirft sie lieber 25 Millionen Dollar hierhin und 40 Millionen Dollar dorthin, um ja nicht die rund 20 Milliarden Dollar an digitalen Vermögenswerten zurückgeben zu müssen, die sie kontrolliert. Oder die 50 Millionen Dollar, die sie jährlich mit ihrem eigenen Medienkanal verdient.“

Phil Mickelson


Seinerzeit schon fühlte man sich übers Ohr gehauen, als das Fernsehen den Golfsport entdeckte und lukrative TV-Verträge die Dollars fließen ließen. „Wir buckeln das Business und tragen alle Risiken, warum sollen wir uns also von einem Haufen Sesselfurzer sagen lassen, wo es lang geht“, maulten die Profis damals. Klingt bekannt.

Dollarmillionen als Fugenkit für die Bastion

Freilich, mit der Bedrohung aus der Wüste hat sich einiges geändert – Konkurrenz belebt halt das Geschäft. Commissioner Jay Monahan griff in die dank neuer Fernsehverträge prall gefüllte Schatulle und stopfte mit Bündeln von Dollarscheinen die Risse der Selbstzufriedenheit im Tour-Bollwerk: Die Erhöhung des Gesamtpreisgelds für die laufende Saison auf 427 Millionen Dollar, die nunmehr 75 Millionen im FedEx-Cup-Pott, das auf 50 Millionen Dollar erweiterte Player Impact Programm, die Play-15-Prämien sowie andere Gratifikationen im Gesamtvolumen von 838 Millionen Dollar sind Fugenkit für eine Bastion, die man während der Friedenszeiten hat schleifen lassen, weil weit und breit kein Gegner in Sicht war.

So gesehen hat die Saudi-Liga ihre Schuldigkeit bereits getan. Was von vielen Spielern und selbst Mickelson genau so wahrgenommen wird. Ohnehin droht dem Usurpator eine geringe Halbwertszeit des Erfolgs, falls die derzeitige Fata Morgana denn überhaupt Realität wird. Anderes Thema.


„ Ich bin dankbar, dass es jetzt einen solchen Wettbewerb gibt, der als Hebel wirkt und bereits für ein viel besseres Umfeld auf der PGA Tour gesorgt hat. Ohne diese Art von Wettbewerb würde es keine neuen Anreize für die Top-Spieler geben.“

Phil Mickelson


Interessenvertretung der Spieler

Fakt ist, dass die PGA Tour ein gemeinnütziger Verein ist, salopp formuliert. Wenngleich immer noch irgendwie mit der PGA of America verbandelt, deren Präsident Jim Richerson einen Sitz im Vorstand hat. Sie ist eine Interessenvertretung: eigennützig, jedoch nicht gewinnorientiert. Über den Spieler-Beirat „Player Advisory Council“ ließe sich durchaus was ändern. Das sollte niemand besser wissen als Phil Mickelson. Doch plakative Polemik verspricht nun mal mehr Ertrag für Ego und Einkommen.

Ex-Tour-Pro Brandel Chamblee hat den Faktencheck gemacht und die Argumente des „People’s Player“ in einem „Golf Channel“-Expertenbeitrag mal zerpflückt. Demnach schüttet die PGA Tour gegenüber den monierten lediglich 26 Prozent in Wahrheit 55 Prozent ihrer auf dem Rücken der Spieler erwirtschafteten Einnahmen – um bei Mickelsons Formulierung zu blieben – wieder an die Spieler aus: in Form von Dotierungen, Boni, Auszeichnungen, Gratifikationen, Sonderwertungen, Wettbewerbsmöglichkeiten …

„Begriff ,Tour’ ist ein Synonym für ,die Spieler’“

Immerhin würden, so Chamblee, übers Jahr mehr als 130 Turniere veranstaltet und diverse nachrangige Circuits alimentiert, die letztlich den attraktiven Wettbewerb auf der Top-Bühne nähren. 2021 hätten insgesamt 124 Spieler mindestens eine Million Dollar an Preisgeld verdient, Tendenz steigend. „Mickelson will die Tour abwerten, ja diffamieren“, schreibt Chamblee. „Aber der Begriff ,Tour’ ist ein Synonym für ,die Spieler’. Sie ist eine Mitglieder basierte Organisation, die Geld an die Akteure zahlt und für wohltätige Zwecke verwendet oder es in die Effizienz und Effektivität der eigenen Strukturen reinvestiert.“

Reklamierte Eigenvermarktung ist absurd

Die Medienrechte sind Teil des Deals und ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor. Das ist in jeder Sportart so. Wenn Spieler im Sinne der Eigenvermarktung das Recht am eigenen Bild reklamieren, ist das absurd. Und wohlfeil. Dafür noch mal ein separates Entgelt zu fordern, das sei in Wahrheit gierig, kommentieren viele Beobachter.

Oder um einen Fan-Kommentar zu zitieren: „Ich lache mich schlapp angesichts von Privatjets und Zehn-Millionen-Börsen. Ich behaupte nicht, dass die PGA Tour perfekt ist, aber sie kümmert sich mehr als gut um diese Burschen. 99,999 Prozent der Welt würden sich jedenfalls wünschen, derart ,ausgebeutet’ zu werden.“

Rechte sind ohne Vermarktungsapparat nichts wert

Sowieso, kein TV-Sender investiert einerseits in Übertragungen und setzt sich andererseits der Reihe nach mit 125 Spielern an den Tisch, um einzeln Lizenzen auszukaspern. Will heißen: All die individuellen Rechte sind nichts wert ohne angemessenen Apparat, der sie bündelt und prospektiv vermarktet.

Vielleicht muss die Tour hinsichtlich ihrer strategischen Marschroute, taktischen Ausrichtung und geschäftlichen Entscheidungen transparenter gegenüber ihren Mitgliedern werden und die Spieler mehr abholen, das mag sein. Aber die Tour repräsentiert den Profi-Golfsport, der ihr anvertraut wurde, mithin braucht sie die Medienrechte. Das hat auch der selbständige Unternehmer Mickelson irgendwann mal unterschrieben. Chamblee: „Letztlich existiert die PGA Tour, um den Spielern zu dienen.“

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