Profisport Herren

Normans verwegene Volte: Mini-Cut in Jeddah und ab 2023 womöglich 72 Loch

13. Okt. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Greg Norman führt die LIV Golf Invitational Series. (Foto: Getty)

Greg Norman führt die LIV Golf Invitational Series. (Foto: Getty)

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Greg Norman geht ans Eingemachte. Nachdem das mit den Weltranglistenpunkten durch die Hintertür der MENA Tour nicht besonders gut geklappt hat, erwägt der Australier tatsächlich Änderungen des Formats seiner LIV-Liga. Medienberichten zufolge will er dem 48er-Feld schon fürs Wochenende in Jeddah einen Quasi-Cut verpassen, wenn der Circuit im Royal Greens Golf & Country Club gastiert, dem „Vorgarten“ der saudi-arabischen Finanziers.

Spätestens mit Beginn der kommenden LIV-Saison soll definitiv ein Schnitt gemacht werden, und selbst eine Erweiterung von 54 auf 72 Loch ist im Gespräch, was sogar die Firmierung LIV obsolet machen würde. Eine verwegene Volte von Norman. Dabei war doch der bisherige, ach so „innovative“ Modus stets als eine Art Heilige Kuh und als wohltuender Unterschied zum verkrusteten Wettbewerbssystem im Golf-Establishment proklamiert worden. Doch Bangkok-Sieger Eugenio Lopez-Chacarra hat dem spanischen Journalisten Hugo Costa erzählt, dass Norman bei einem Dinner von den Cut-Plänen für Jeddah gesprochen habe. „Dank der MENA Tour erfüllt LIV alle Voraussetzungen“, sagte der 22-Jährige in dem Interview: „Bloß ein Cut hat noch gefehlt, daher wurde entschieden, diesen nach dem zweiten Tag zu vollziehen.“

Nach 36 Loch fallen drei Spieler raus

Offenbar ist geplant, nach 36 Loch drei Spieler aus der Individualwertung zu nehmen; für die Team-Wertung dürfen sie dennoch weiter mitspielen. Chacarra: „Hoffentlich geht das gut.“ Gemäß Informationen von Costa sollen die LIV-Spieler übrigens schon seit dem Auftritt in Bedminster im Juli der klassischen Turnierdistanz und einem Cut das Wort geredet haben.

Hintergrund ist natürlich der Ausschluss von der Vergabe von Weltranglistenpunkten und die Angst, im OWGR ins Bodenlose zu stürzen, dadurch die Startberechtigungen bei Majors zu verlieren. Die PGA Tour hat bekanntlich alle Überläufer aus ihren Reihen gesperrt, gelegentliche Starts auf der DP World Tour oder auf der Asian Tour machen den Braten nicht fett, und noch erfüllt die LIV Golf Invitational Series nicht ein einziges Kriterium, das die Teilhabe am OWGR ermöglicht. Selbst unter den zwölf Majorsiegern im LIV-Reigen sind einige, deren Exemptions schon beendet sind oder bald ablaufen werden, Patrick Reed beispielsweise.

So unklar die Kriterien sein mögen, weil nirgendwo explizit fixiert; und so willkürlich das Agieren des OWGR-Direktoriums anmuten mag, weil dort ausschließlich Vertreter besagten Establishments sitzen: Ein limitiertes Spielerfeld ohne Cut und gar mit verkürzter Wettbewerbsdauer wird allenfalls in Ausnahmefällen wie einem Tour-Finale akzeptiert, aber nicht als regulärer Modus. Es gilt halt geübte Praxis, da können die LIV’ler noch so sehr wettern.

Nach wie vor Einladungsevent und fehlende Quali

Dem OWGR gehöre der Begriff „Official“ abgenommen, erboste sich beispielsweise Graeme McDowell. LIV-Impresario Norman empfahl dem Gremium, „endlich erwachsen“ zu werden. Und Bryson DeChambeau tat kund: „Es ist verrückt, dass wir keine Punkte bekommen, obwohl wir etliche der weltbesten Spieler bei uns haben und jeden Passus ihrer Kriterien erfüllen.“ Eben nicht.

Selbst mit 72-Loch-Format samt Cut stehen der Saudi-Sause beim OWGR-Begehr ihr Einladungscharakter und daraus die fehlende Möglichkeit im Weg, sich in den Circuit hochzuspielen. Greg Norman hat vor geraumer Zeit angekündigt, dass es ab 2023 eine Qualifikationsmöglichkeit in Form eines Ausscheidungswettbewerbs geben soll. Konkretes dazu ist bislang nicht bekannt. Zudem fehlt das Kriterium von durchschnittlich 75 Spielern pro Event. Außerdem muss der Spielbetrieb unter all diesen Bedingungen für mindestens ein Jahr absolviert werden. Und so brachte es Steve Flesch in der Sache auf den Punkt, wenn er in einem Tweet DeChambeaus komplette Ahnungslosigkeit anprangert und lapidar feststellt: „In Sachen OWGR-Kriterien stehen sie bei 0:7.“

Da hilft auch nicht, dass 50 LIV’ler eine Petition an den OWGR-Vorsitzenden Peter Dawson verfasst haben, der mal Kapitän des Royal and Ancient Golf Club of St. Andrews sowie R&A-Chef und Weltverbandspräsident war. Oder das Vehikel der hastig geschmiedeten Strategischen Allianz mit der MENA Tour – nebst dem ureigenen, seitens der Asian Tour befürworteten Antrag vom Juli – und die Deklaration von Jeddah und Doral als deren Auftaktturniere zur Saison 2023.

Was manche Beobachter ohnehin als verzweifelten Last-Minute-Versuch von Norman werten, die wachsende Unruhe seiner Protagonisten zu befrieden. Mit der Brechstange sozusagen. Wie „The Great White Shark“ das „Ecosystem des Golfsports“ (Europa-Boss Keith Pelley) gleichermaßen insgesamt zu knacken versucht. Das OWGR-Direktorium hatte jedenfalls allen Grund, nicht eilfertig zuzustimmen und Punkte wie Konfetti regnen zu lassen.

Das OWGR ist durch eine Initiative der Sportmanager-Legende Mark McCormack entstanden, der als „Vater“ aller Spielerberater und -agenten gilt und den kometenhaften Aufstieg seiner International Management Group (IMG) nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit Arnold Palmer und Gary Play zu verdanken hatte. McCormack begann in den 1960er-Jahren mit einer eigenen Rangliste, um die Mitglieder seines „IMG“-Stalls zu klassifizieren und mit anderen Aktiven vergleichbar zu machen. 1986 wurde das IMG-Ranking von den Touren offiziell anerkannt und 2004 von IMG an die Firma OWGR Ltd. abgetreten.
Das aktuelle OWGR-Direktorium setzt sich aus folgenden Personen bzw. Vertretern zusammen: Peter Dawson/Vorsitzender, Will Jones/Augusta National Golf Club, Keith Pelley/DP World Tour, Set Waugh/PGA of America, Jay Monahan/PGA Tour, Martin Slumbers/R&A, Mike Whan/USGA, Keith Waters/International Federation of PGA Tours.

Einige freilich ficht das Ganze überhaupt nicht an. Der im August gewechselte Harold Varner III zum Beispiel sagt: „Ehrlich, diese Debatte geht mir am A… vorbei. Das OWGR gehört seit jeher zum Golf, und nun werden dort einige zerzaust. Ich finde das eher lustig.“ Überhaupt: „ Jeder, der bei LIV unterschrieben hat, hat genau gewusst, worauf er sich einlässt.“

Und dann ist da noch der per se entspannte und in sportlicher Hinsicht notorisch ambitionslos wirkende Dustin Johnson, der vor dem letzten Individual-Event bereits als Einzelgewinner dieser ersten LIV-Saison feststeht. Schon weit vor seinem Wechsel hatte er angekündigt, alsbald kürzer treten und spätestens mit 45 Jahren in die golferische Frührente gehen, sich nur noch der Familie und Dolce Vita widmen zu wollen. „Natürlich, es ist einfach fürchterlich,“ grinste der 38-Jährige jetzt bei seiner Pressekonferenz im Royal Greens Golf & Country Club angesichts der „fetten Beute“ von über 30 Millionen Dollar: „Ich bedauere echt meine Entscheidung, hierher gewechselt zu sein.“ Typisch „D. J.“

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