PGA Tour

Niemand ist größer als das Spiel selbst? Die Lichtgestalt Tiger Woods schon

13. Jan. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Legende im Golfsport: Tiger Woods. (Foto: Getty)

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Harry Higgs schwant Übles. Die TV-Übertragungen von Golfturnieren der PGA Tour werden langweilig und noch einschläfernder, als es stundenlange Übertragungen von 72-Loch-Zählspiel-Marathons ohnehin sind. Glaubt der Professional aus Dallas. Weil es an Kanten und Köpfen fehle, an Antagonisten zu all den Protagonisten, zu den Guten, die der Tour treu geblieben sind. Stimmt, jeder Plot braucht mindestens einen Bösewicht, so verkauft sich das Produkt besser.

„Alle Schurken und Arschlöcher sind bei LIV Golf“

Bloß: „Alle Schurken und Arschlöcher sind jetzt bei LIV Golf“, sagte Higgs in einem Gespräch mit „Golfweek“: „Ja, sie haben auch ein paar sehr gute Spieler abgeworben, aber das ist nicht das Problem. Es geht um diejenigen mit einem umstrittenen oder negativen Image. Denn so was bringt die Leute dazu, die Story zu lesen oder den Fernseher anzuschalten.“ Nennen wir sie der Neutralität halber einfach „Enfant terribles“. Selbst wenn man Patrick Reed damit womöglich nur unzureichend adressiert.

Nett und sympathisch, aber eigentlich langweilig

 

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Higgs hat einen Punkt: Die Publikumswirksamkeit von John Daly hat längst nichts mehr mit seiner Schlag-Fertigkeit zu tun, sondern mit seinem ungebrochenen Nimbus als „The Wild Thing“. Freilich, wenn Scottie Scheffler erzählt, dass er trotz all seines 2022 gewonnenen Golfgelds immer noch den ausgeleierten elf Jahre alten SUV aus Studententagen fährt, dann ist das halt nur – nett. Desgleichen, wenn Jordan Spieth sich als junger Familienvater zum Wohnmobil für die Tour-Tingeleien mit Frau Annie und Söhnchen Sammy bekennt und es so umschreibt: „Ich bin jetzt ein Vater. Wenn jemand will, dass ich hupe, dann hupe ich.“

Vor dem Hintergrund der in den sozialen Medien zu besichtigenden weit verbreiteten Aufmerksamkeitsgier wirkt das eigentlich eher langweilig. Ein Einblick in den Lifestyle von Cameron Smith macht da schon mehr her, alle schauen hin:

 

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Die brav mit dem Strich gebürsteten Kollegen kriegen – fernab der Fairways – vor allem dann Aufmerksamkeit, wenn sie wider den Stachel löcken: wenn Rory McIlroy über die Saudi-Liga motzt und gegen Überläufer ätzt, wenn Jon Rahm sich (zu Recht) über das System der Weltrangliste mokiert. Oder wenn sie sich inszenieren, wie ein Max Homa beispielsweise es auf Twitter gar meisterlich kann.

Buhlen um Clicks und Likes

Bevor jemand „Einspruch“ schreit: Das liegt natürlich nicht zuletzt an den Gesetzmäßigkeiten der modernen Medienlandschaft, wo im Buhlen um Clicks und Likes aus jedem Furz ein Donnerschlag gemacht wird. Und die PGA Tour klimpert munter auf dieser Tastatur mit, wenn sie per Player Impact Program (PIP) Prämien für Popularität zahlt. Frei nach der Devise: Macht was. Fallt auf. Inszeniert Euch. Seid präsent. Sorgt für Hingucker. Als Belohnung werden unter den besten 20 des Rankings 100 Millionen Dollar verteilt. Aus gutem Grund.

Dank Tiger „konnte man Leuten jeden Scheiß verkaufen“

Den liefert Harry Higgs bei seiner Bestandsaufnahme denn auch frei Haus mit. „Niemand musste in Sachen Öffentlichkeitsarbeit wirklich gut sein, denn wir hatten ja Tiger Woods. Er spielte, er gewann, und man konnte den Leuten jeden Scheiß verkaufen, wenn er auftauchte. Doch wir treten jetzt in eine Ära ein, in der das immer seltener der Fall sein wird.“ Will heißen: Wenn „Big Cat“ ausfällt, müssen sich die anderen mehr ins Zeug legen – mit den PIP-Millionen als Motivation –, um die Lücke zu füllen, die Tiger hinterlässt. Doch trotz der seltenen Sichtungen im vergangenen Jahr räumte 15-fache Majorsieg zum zweiten Man in Folge ab, erst 10, nun 15 Millionen Dollar.

PIP hat für 2023 ein „Lex Woods“

Woods’ Wirkmacht ist ungebrochen – ganz gleich, ob er humpelt und sich rar macht, lediglich neun offizielle Turnierrunden spielt, zwischendrin gar laut übers Karriereende nachdenkt. Oder gerade deswegen. Nicht von ungefähr schrieb jemand in den sozialen Medien, Tiger habe wahrscheinlich allein mit der Absage seiner aktiven Teilnahme an der Hero World Challenge schon das 2023er-PIP gewonnen. Zumal für dieses Jahr die Bewertungskriterien um „grundsätzliche Bekanntheit und Fan-Aufmerksamkeit“ erweitert worden sind. Das riecht förmlich nach einem „Lex Woods“.

 

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Kritik an McIlroys Fehlen beim Designated-Events-Debüt

Als Tour-„Commish“ Jay Monahan vor einer Woche zur „Neujahrsansprache“ auf Hawaii Hof hielt, um klar zu machen, dass er in Sachen LIV-Liga nicht etwa über Weihnachten weich geworden ist („Die haben ihr Produkt und wir haben unser Produkt“), kam er bei dem Thema jedenfalls prompt etwas in Schlingern. Das PIP-Regelwerk ist nämlich mit den Designated Events gekoppelt, bei denen die PGA Tour ihre „Elite Players“ bei der Stange hält und der Star-Dichte bei LIV Paroli bieten will.

Woods und McIlroy hatten das bekanntlich durchgesetzt und dafür ihre Kollegen hinter sich versammelt, der Tour allerdings zur Gesichtswahrung etwas Deutungshoheit belassen. Zur Teilhabe am Füllhorn PIP ist die Teilnahme an den Designated Events Pflicht, lediglich eins darf ausgelassen werden. McIlroy machte davon direkt beim Tournament of Champions Gebrauch und wurde dafür stark kritisiert.

Woods wird die PIP-Vorgabe gewiss nicht erfüllen (können)

Und was ist mit Tiger Woods? Der dürfte in diesem Jahr dieseVorgabe garantiert nicht erfüllen (können), hat allenfalls die Majors und Turniere wie das Genesis Invitational im Kalender, wo er Gastgeber ist. Manchmal sind Journalisten ja findig, und so wurde Monahan bei seiner Audienz genau danach gefragt: Schließt der limitierte Spielplan des Superstars ihn künftig vom PIP und von den Bonus-Zahlungen aus? „Momentan gibt es keinen Anlass für Abzüge. Und es ist schwierig für mich zu sagen, was passiert, bevor es wirklich einen Anlass gibt“, druckste Monahan herum. „Lasst uns abwarten, bis sich die Frage tatsächlich stellt.“

 

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Sie wird sich garantiert niemals stellen. Von wegen, „keiner ist größer als das Spiel selbst“, wie es Monahans Vorgänger Tim Finchem mal formuliert hat: Tiger Woods schwebt über allem, er ist die Lichtgestalt, um die der Golfkosmos kreist, was nicht passt wird passend gemacht für ihn im großen Spiel um Macht, Monopole und Moneten. Erst recht solche Peanuts wie das PIP. Wetten, dass…?

Monahan gibt „Ermessensspielraum“ zu

Bei McIlroy stellt sich die Frage gleichermaßen. Wie reagiert die Tour, wenn ausgerechnet der Mitinitator ein weiteres Designated Event auslässt? Der Lack, in dem die Top-Turniere glänzen sollen, bekam bereits eine matte Stelle, weil der Nordire Kapalua einen Korb gab. Monahan zog sich hinter die Statuten zurück, zitierte die PIP-Paragraphen. „Die Jungs werden spielen“, wiegelte er ab. Und ließ dann doch tief blicken: „Ich habe einen Ermessensspielraum. Und am Ende des Tages werde ich mit unserem Team die jeweilige Situation betrachten, sie zu verstehen versuchen und eine Entscheidung treffen.“

Notfalls biegt sich Ponte Vedra die eigenen Regeln halt zurecht. Klar, Monahan braucht die Elitespieler, darf sie nicht verprellen und wird daher auch für sie im Zweifelsfall ein Alibi finden, einen Dispens erteilen, einen Ablasshandel kreieren. So, wie er Cameron Young, dem „Rookie des Jahres“, dazu Lucas Herbert und Cameron Champ die Teilnahme am Saudi International im Februar erlaubt hat. Dennoch: Im Sinne des Produkts, siehe Higgs, sind McIlroy und Co. gut beraten, die Gefügigkeit der Tour nicht auszureizen. Das darf nur Tiger Woods.

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