Panorama

Nach Todesfall auf Madeira: Missmut gegen O’Grady wächst

13. Mai. 2014 von Juliane Bender in Köln, Deutschland

Caddie Madeira

Die Caddies bei der Madeira Open waren geschockt. Nach einer Schweigeminute wurde trotzdem weitergespielt - in Absprache mit allen Beteiligten, wie es zunächst hieß. Doch die Zweifel an der Freiwilligkeit des weiteren Turnierverlaufs mehren sich. (Foto: Getty)

Haben die Spieler und Caddies wirklich beschlossen nach Ian McGregors tödlichem Zusammenbruch bei der Madeira Open weiterzuspielen oder wurde es in Ignoranz der Dramatik angeordnet? Die Zweifel an der offiziellen Darstellung der Geschehnisse erhärten sich. Auf den European-Tour-Chef George O'Grady und die Madeira-Verantwortlichen werfen die Entscheidungen rund um den tödlichen Vorfall auf Madeira ein immer schlechteres Licht.

Tragischer Todesfall bei Madeira Open

Am Sonntag war Ian McGregor, Caddie des Schotten Alastair Forsyth, auf dem neunten Fairway des Clube de Golf do Santo da Serra auf Madeira zusammengebrochen und später für tot erklärt worden. Unbestätigten Berichten zufolge habe es sich um einen Herzinfarkt gehandelt. McGregor war 52 Jahre alt und seit Jahren als Caddie auf der Tour unterwegs, sein Zusammenbruch kam unerwartet. Den Spielern und Caddies war ihre Fassungslosigkeit anzusehen, eine Schweigeminute wurde abgehalten - und danach entschieden weiterzuspielen. Das Turnier kürte seinen Sieger und schoss Siegerfotos mit einem unsicher lächelnden Daniel Brooks. Für viele eine ungeheuerliche Entscheidung.

"Mac hätte gewollt, dass wir weiterspielen"

"Mac hätte gewollt, dass wir weiterspielen", soll Alastair Forsyth gesagt haben; der Spieler, dessen Tasche McGregor an dem Tag getragen hat. Außerdem soll der betroffene Flight um Forsyth sich mit den anderen Spielern und Caddies besprochen haben. Die Mehrheit habe sich dafür ausgesprochen weiterzumachen; quasi ganz nach "Macs" Wunsch. Zumindest schreibt das die European Tour.

Allein diese Art der Entscheidungsfindung ist schon schwer nachzuvollziehen: Dem toten McGgregor in den Mund zu legen, er hätte gewollt, dass ein banales Turnier ganz normal weitergespielt und die Bälle wie selbstverständlich über die Stelle rollen, an der er sein Leben gelassen hat, ist eine ungeheuer bequeme Annahme. Zu bequem für eine Organisation wie die European Tour, die Verantwortung für ihre Spieler und Caddies hat - auch gegenüber denen, die mitansehen mussten, wie der Notarzt McGregor versorgte und denen nach seinem Tod vor ihren Augen nicht mehr nach Wettbewerb zumute war. Diese Verantwortung mit einer gefälligen Annahme über den Willen des Toten abzutun, ist erschreckend.

"The Show must go on"

Damit nicht genug, werden jetzt auch noch andere Darstellungen der Geschehnisse publik. Der irische Blogger Donal Hughes schreibt, dass er aus Caddiekreisen wisse, die Turnierorganisation habe eine klare Ansage gemacht statt einfühlsam nachzufragen: "Das ist ein professioneller Sport. The Show must go on", habe es gegenüber allen Versammelten geheißen. Die Caddies hätten wieder an ihre Taschen gehen und weiterspielen müssen.
Von wem genau diese Beobachtung stammt, schreibt Hughes in seinem Blogeintrag nicht. Hughes gilt als gut vernetzter Golf-Blogger, hat eine eigene Golf-Charityturnierserie in Irland und schreibt Kolumnen für den Irish Examiner, eine der drei größten irischen Tageszeitungen.

Vorwürfe über untragbare Vorgänge

Was jedoch einmal die Runde macht.... Wenn diese unbestätigte Behauptung von Donal Hughes stimmt, ist der European Tour ihr Skandal sicher. Den formal korrekten Ablauf eines Turniers über die Würde des Menschen zu stellen und von den Spielern und vor allem den Caddies zu verlangen, weiterzuspielen, ist alles andere als - wie behauptet - professionell. Stattdessen gibt es einem das Gefühl, die European Tour verstehe ihre Akteure als austauschbare Dinge.

Warum bricht die European Tour das Turnier nicht einfach ab, fragen sich nun nicht nur Außenstehende. Die Madeira Islands Open war mit 600.000 Euro Preisgeld kein bedeutendes Turnier, kaum namhafte Spieler, kein teuer eingekaufter Tiger Woods am Abschlag. Das Risiko war also minimal - und trotzdem konnten sie sich nicht dazu durchringen.

Auch wenn Geld und Titel hier überhaupt keine Rolle spielen sollten: Wer erahnen will, was die Entscheider bei der Madeira Open geritten haben könnte, sollte sich den Turnierverlauf ansehen. Wegen Nebel und Regen mussten bereits zwei Runden zu Beginn des Turniers abgebrochen und das Turnier auf 36 Loch verkürzt werden. Hätte man auch noch die finale Runde abgebrochen, hätte das Ergebnis keine Auswirkungen auf die Geldranglisten gehabt, es hätte keinen Sieger gegeben und damit keinen ordentlichen Abschluss des Turniers; die ganze Veranstaltung wäre hinfällig gewesen. Man hätte das Preisgeld den Hinterbliebenen von Ian McGregor zusprechen können, aber dann hätte es für Daniel Brooks keinen ersten Turniersieg und keine 75.000 Euro Preisgeld gegeben, für den zweitplatzierten Henry Scott keine 50.000 Euro und so weiter - die Auswirkungen eines eventuellen Abbruchs wären also nicht nur von der European Tour zu tragen gewesen. Welche Entscheidungsdynamiken sich entwickeln, wenn solche Fragen auftauchen, bleibt wohl ein Geheimnis der Betroffenen.

Mantel des Schweigens bei der European Tour

Die European Tour, die sich ohnehin schwer tut, Sponsoren und Geldgeber für ihre Events zu bekommen, hätte bei Absage des Turniers jedoch womöglich nicht gewährte Leistungen erstatten müssen und zudem Schlagzeilen mit einer Sache gemacht, die wenig erfreulich ist.
Stattdessen wird versucht die Angelegenheit klein zu halten. Auf der Homepage der European Tour sind derweil nur lachende Gesichter zusehen, die Pokale und Schecks hochhalten. Der Todesfall findet nur in einer klein verlinkten News statt (Titel: "Mac would have wanted us to play"). Dort kann man das Geschehene erahnen und im Titel des Turnierberichtes "Brooks clinches bittersweet victory in Madeira". Bittersüß?! Die ganze Handeln der European Tour zeugt beileibe nicht von Einfühlungsvermögen.


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