Die Witze sind erst zwei, drei Tage alt, haben aber schon sooo einen Bart: Social Media wird von Anspielungen, Wortspielen und spöttischen Kommentaren über die Firmierung der LIV Golf League förmlich geflutet, seit der Konkurrenzcircuit die Erweiterung der Turnierdistanz von drei auf vier Runden, von 54 auf 72 Löcher bekanntgegeben hat. Weil LIV nun mal die römische Zahl für 54 ist, müsste der Homunkulus des saudi-arabischen Staatsfonds PIF nun eigentlich auf LXXII aka 72 umgetauft werden. Das freilich ist derzeit wohl LIV’s geringstes Problem.
Kernprinzip der LIV-DNA aufgegeben
Die Liga steht mit dem überraschenden Move vor einem veritablen Glaubwürdigkeitsproblem. Viele kritisieren, dass damit ein Kernprinzip der LIV-DNA aufgegeben wurde, klammern sich an die noch unangetastete Zahl von 54 Turnierteilnehmern, die jetzt allein für die Namensgebung steht – und fragen sich, wie lange das noch gilt? Immerhin sind beim US-Markenzeichenregister drei neue Teamnamen zur Eintragung angemeldet, von denen der Real Club De Toros GC zwar als Umwidmung von Sergio Garcias Fireballs gedacht sein dürfte, die anderen beiden jedoch Zuwachs für die Liga bedeuten könnten.
„Drei Jahre Chaos, Kohle und Kontroversen. Und dann beugt sich LIV Golf doch dem System, das es zu stürzen versuchte.
54 ist tot. 72 ist die neue Revolution.“
Sportskeeda Golf
Beispielsweise eine rein indische oder asiatische Mannschaft, die als Southern Balindi GC im Süden von Kalkutta verortet wäre und auf den gigantischen Golfmarkt des Subkontinents abzielt, den Bryson DeChambeau durch die Berufung von Anirban Lahiri zu den Crushers gleichermaßen längst adressiert.
Wie auch immer, damit wären die 54 Starter definitiv Makulatur. Die Obergrenze wird ohnehin dadurch ziemlich strapaziert, dass künftig zwei Spieler aus der International Series der Asian Tour aufsteigen und dass sich bei der LIV Golf Promotions im Januar nunmehr ebenfalls zwei Profis für die Saison 2026 qualifizieren beziehungsweise relegieren dürfen.
54-Loch-Distanz gar nicht der Casus Knacksus fürs OWGR
Andere vermuten hinter der Erweiterung eine Anbiederung beim Official World Golf Ranking und bei dessen neuem Chef Trevor Immelmann, um doch noch ins System der Vergabe von Weltranglistenpunkten aufgenommen zu werden. Doch nicht nur Rory McIlroy weist zu Recht darauf hin, dass die 54-Loch-Distanz gar nicht der Casus Knacksus ist, sondern vielmehr die geringe Zahl von Wettbewerbern und das sehr enge Fenster der Teilhabemöglichkeit über die LIV Promotions, das aus dem Konstrukt eher eine geschlossene Gesellschaft macht, wo es eigentlich als Alternative zum Golfestablishment gedacht ist.
LIV’s mistake was their model.
They debuted with limited fields, 54 holes, shotgun starts, and no real open pathway to get on LIV.
Were they different simply for the sake of being different?
A smarter launch would have just been to act like a "regular" professional tour. Four… https://t.co/FpWNCmDRbC
— Lou Stagner (Golf Stat Pro) (@LouStagner) November 5, 2025
Welches Element steht als Nächstes zur Streichung an?
Und es bleibt die Frage, welches Element als Nächstes zur Streichung ansteht: der Teamwettbewerb, wie schon gemunkelt wird? Die Kanonenstarts? Oder gibt es irgendwann sogar einen Cut? Hat das Franchise-Konzept Bestand, wenn die Saudis ihre Alimentierung weiter drosseln? Wie viel vom Kuchen sind die etablierten Aktiven bereit abzugeben, wenn die bisherige Obergrenze von 54 Spielern doch gesprengt wird? Eines jedenfalls steht fest: Wenn das so weitergeht, dann wird LIV zu dem, was man nie sein wollte – bloß eine weitere Golf-Tour.
„Rückkehr zum verkrusteten alten Format, das wie Sirup ist“
Dabei wollte LIV doch eigentlich alles anders machen. „Golf.But louder.“ Frischer, knackiger, kürzer, mehr Action, dichtere Höhepunkte. Vor diesem Hintergrund wirkt die ab 2026 gültige neue Turnierdistanz eher wie sinnloser Aktionismus. Oder wie das Portal National Club Golfer schreibt: „Die Liga kehrt zu dem verkrusteten, alten Format zurück, von dem viele glauben, es sei ein Pool aus zähem Sirup, durch den sich die PGA Tour und die DP World Tour seit Jahren kämpfen.“
Nicht mal das Argument zieht, die Erweiterung sei auch auf Spielerwunsch eingeführt worden. Talor Gooch, der mit dem Asterix hinter den Majors, hat schon 2024 gesagt: „Die Leute wollen etwas, das spannender ist. Ich persönlich finde, dass 54 Löcher für die Fans spannender sind.“ Und Tyrrell Hatton hat dieser Tage in Abu Dhabi ausgeplaudert, dass sich bei einer Umfrage Ende 2024 lediglich drei von 48 LIV-Akteuren für 72 Loch ausgesprochen hätten.
Lex Rahm und Verbeugung vor DeChambeau?
Das erscheint beinahe logisch. Klar, dass alternde Akteure wie Richard Bland oder Lee Westwood keinerlei Bedürfnis verspüren, sich demnächst über vier Tage die Hacken ablaufen zu müssen. Ziemlich nachvollziehbar wiederum ist, dass ein Jon Rahm oder Bryson DeChambeau für so ein Standardformat votieren. Die beiden haben echte Major-Ambitionen und wollen nicht vier Mal im Jahr mit einer ansonsten ungewohnten Turnierdistanz klarkommen müssen.
„Das ist ein Sieg für die Liga und die Spieler. LIV Golf ist eine Liga für Spieler. Wir sind durch und durch Konkurrenten und wollen jede Gelegenheit nutzen, um auf höchstem Niveau anzutreten und unsere Performance zu perfektionieren. Die Umstellung auf 72 Löcher ist der logische nächste Schritt, der den Wettbewerb stärkt, die Anforderungen an uns erhöht und den Fans mehr von dem bietet, was sie wollen.“
Jon Rahm
„Ich halte das für einen großartigen Schritt für die Liga und freue mich darauf. 72 Löcher zu spielen, fühlt sich einfach ein bisschen mehr wie die großen Turniere an, mit denen wir alle aufgewachsen sind. Ich habe die Anstrengung von vier Runden immer gemocht – sie gibt den besten Spielern die Chance, sich an die Spitze zu kämpfen. LIV Golf war von Anfang an eine großartige Erfahrung, und ich denke, dass dies es für die Fans und für uns, die wir dort antreten, noch besser macht.“
Bryson DeChambeau
Im Fall des Spaniers gehörte ein Rückkehr zu 72 Loch quasi zu den Bedingungen für die Abwanderung aus dem Establishment. Eine Lex Rahm also, die der neue LIV-Chef Scott O’Neil da am Dienstag verkündet hat, der als pragmatischer und erfolgsorientierter Manager einige Kapriolen des Vorgängers und erklärten Systemfeinds Greg Norman geradebiegt? Um es den beiden absoluten – und einzigen herausragenden – Aktivposten der LIV Golf League genehm zu machen? Zur Erinnerung: Rahm hat stets die Vorliebe für die volle Turnierdistanz betont. Und DeChambeau verhandelt gerade eine vorzeitige Verlängerung seines Ende 2026 auslaufenden Vertrags. Ein Schelm, wer sich dabei gar nichts denkt.