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Major-„Persilscheine“ für „D. J.“ und Co.: Im Profigolf beginnt eine neue Ära

09. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Greg Norman und LIV Golf konnten bereits einige Größen des Golfsports für sich gewinnen. (Foto: Getty)

Greg Norman und LIV Golf konnten bereits einige Größen des Golfsports für sich gewinnen. (Foto: Getty)

Der Dammbruch ist da. Und die Mauer reißt in atemberaubender Geschwindigkeit. Mit der Entscheidung, alle LIV-Überläufer zur US Open kommende Woche zuzulassen, hat der amerikanische Golfverband USGA dem Exodus von der PGA Tour Tür und Tor weit geöffnet. Bryson DeChambeau und Patrick Reed sollen dem Vernehmen nach ebenfalls bei Greg Normans Saudi-Liga angeheuert haben, weitere Stars des Golf-Establishments werden folgen – nicht nur der chronisch erfolglose Rickie Fowler. Wetten, dass..?

USGA und R&A waren der letzte Rettungsanker

Die Verbände, namentlich USGA und der R&A mit seiner 150. Open Championship im Juli auf dem Old Course, waren quasi die letzten Rettungsanker gegen den heftigen Wind aus der Wüste, den LIV-Impresario Greg Norman dank der Milliarden des saudischen Public Investment Fund entfacht hat. Major-Meriten sind eine Währung, die der „Great White Shark“ mit noch soviel Petro-Dollars nicht aufwiegen kann. Das meist gehörte Statement wider den LIV-Zaster-Zirkus war folglich, vor allem bei den Grand-Slam-Turnieren und bei den Traditions-Events der PGA Tour weiterhin gegen die Weltelite antreten zu wollen.

So lässt es sich bequem auf zwei Hochzeiten tanzen

Doch dieses Argument ist durch den „Persilschein“ der USGA für Dustin Johnson, Martin Kaymer und Co. endgültig hinfällig; es wird erwartet, dass die Granden in St. Andrews für dieses Jahr alsbald ähnlich entscheiden. Das ändert alles, damit lässt sich bequem auf beiden Hochzeiten tanzen. Die von der PGA of America verkündete harte Haltung in Sachen Ryder Cup und PGA Championship allein wird auf Dauer niemanden vom „Seitensprung“ abhalten.


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So erscheint auch Bryson DeChambeaus jüngste, anfänglich als Prinzipientreue gewertete Erklärung plötzlich in einem ganz anderen Licht. „Wahrscheinlich wird sich die Golfwelt verändern. Aber das ist nicht mein Ding. Ich werde einfach weiterhin professionelles Golf spielen und es genießen, mich mit den besten Spielern der Welt zu messen – wo immer mich das hinführt“, hat er dieser Tag gesagt, als die Liste der 48 LIV-Premieren-Teilnehmer bekannt gegeben wurde. Zudem: „Ich persönlich glaube nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt in meiner Karriere an einem Punkt bin, an dem ich so was [die Abwanderung in die LIV-Serie] riskieren kann.“

Abgang von der PGA Tour als smarter Schachzug

Mittlerweile ist das Risiko überschaubar; und es ist klar, wohin der Weg des 28-Jährigen führt, dessen Körper der Metamorphose zum Hulk und der Schinderei für Schwungtempo und Schlaglänge offenbar allmählich Tribut zu zollen scheint. Er und Reed werden beim zweiten LIV-Auftritt Anfang Juli in Portland/Oregon mit von der Partie sein.

Bleibt abzuwarten, ob „BDC“ bis dahin seine Mitgliedschaft bei der PGA Tour aufkündigt, so wie vor ihm bereits etliche Protagonisten des LIV-Sportswashing-Spektakels von Saudi-Gnaden. Es war letztlich weniger ein konsequenter Schritt denn ein smarter Schachzug, das muss man ihnen lassen: Mit dem Vereinsaustritt kommen sie allem Ungemach zuvor, den ihre Absetzbewegung womöglich nach sich zieht – frei nach der Devise „Geh von selbst, bevor du gegangen wirst.“ Ähnlich hat es übrigens ein Spielerberater formuliert.

Nichtmitglieder kann man weder sperren noch feuern

PGA Tour und DP World Tour haben bekanntlich harsche Konsequenzen angekündigt, und Commissioner Jay Monahan hat auch prompt alle abtrünnigen Akteure aus seinem Beritt suspendiert, kaum dass heute im Centurion Golf Club nahe London die Premiere gestartet worden ist. Doch zumindest Spieler, die nicht mehr Mitglied sind, kann man letztlich weder sperren noch rausschmeißen. Es gibt schlichtweg keine rechtliche Grundlage. 

Dabei geht es beileibe nicht bloß um die Kopfschmerzen, die derartige Damoklesschwerter ansonsten verursachen könnten. Für so was hat’s Manager oder Anwälte. Nein, die LIV-Advokaten haben ganze Arbeit geleistet und garantiert zu diesem cleveren Schritt geraten: Der drohende Major-Ausschluss verpufft damit wirkungslos; USGA und R&A müssen ohnmächtig und sicherlich zähneknirschend gute Miene zum bösen Spiel machen, gemäß ihrer Statuten sind ihnen die Hände gebunden.

Keine Handhabe mehr für Major-Ausschluss

Einem von befreundeten, kooperierenden oder assoziierten Organisationen sanktioniertes Mitglied im Namen des Hausrechts die Teilnahme am eigenen Turnier zu verwehren, qualifiziert hin oder her: Das hätte sich gewiss noch irgendwie begründen lassen. Will heißen: USGA und R&A hätten sich an den Teilnahmeregeln der PGA Tour orientieren und ebenfalls eine Suspendierung für die Majors aussprechen können. Was fraglos schwierig und diskutabel gewesen wäre, überdies vermutlich juristischen Gegenwind sowie den einen oder anderen Shitstorm ausgelöst hätte.

Doch derzeit fehlt jedwede Handhabe. Die Spieler agieren sozusagen im rechtsfreien Raum, sind mit dem Tour-Abgang niemandem und keinerlei Satzung mehr verpflichtet.

Hätte das Establishment diese Entwicklung absehen müssen?

Wenn jetzt spekuliert wird, an wen der Augusta National Golf Club künftig seine Einladungen (nicht) verschickt und ob USGA und R&A für kommendes Jahr und folgende ihre Zulassungsrichtlinien ändern, stellt sich gleichermaßen die Frage: Hätte das Establishment diese Entwicklung nicht absehen können? Hat man den verbitterten und ohnehin unbeliebten Greg Norman samt seiner revanchistischen Ranküne unterschätzt? War man zu arrogant, wähnte man sich zu sicher, unangreifbar?

Die Szene hatte immerhin zwei Jahre Zeit, sich auf den endgültigen Angriff vorzubereiten. Er hat einen langen Schatten geworfen. In den Zentralen der Verbände und der etablierten Touren hätte viel mehr passieren müssen, um sich zu wappnen – Stichwort Statuten und Satzungen, oder halt Reformen.

Angesichts des Pfunds, mit dem Norman und die Saudis dank der zum Bersten gefüllten PIF-Geldspeicher wuchern, haben sich die Geldsäcke in Form von Player Impact Program (PIP) und sonstigen Boni jedenfalls als Peanuts erwiesen, mit denen die Risse der Spieler-Unzufriedenheit im Tour-Bollwerk gestopft werden sollten. Zur Erinnerung: Gerade Johnson und Mickelson wurden vor nicht allzu langer Zeit noch drei bzw. sechs PIP-Millionen hinterher geworfen, um sie bei der Stange zu halten – hat ja prima geklappt!

Trotzdem Tour-Starts durch die Hintertür?

Ein pikanter Aspekt kommt noch dazu: Selbst die Tour-Abstinenz ist keineswegs eine ausgemachte Sache. All die Aussteiger haben zwar kein Startrecht mehr, aber es gibt eine Hintertür. Das Zauberwort lautet „Unrestricted Sponsor’s Exemptions“: Die Geschäfts- und Werbepartner der PGA Tour dürfen in kleiner Anzahl auch Spieler zu ihren jeweiligen Turnieren einladen, die nicht Mitglied der Tour sind. „Commish“ Monahan hat diese Ausnahmeregel indes im heutigen Schreiben an seine Mitglieder kategorisch ausgeschlossen. Inwieweit sich das ebenso den Sponsoren vermitteln lässt, bleibt abzuwarten.

Eins steht definitiv fest: Mit dem ersten Wettspiel-Abschlag der LIV Golf Invitational Series hat heute Nachmittag eine neue Ära im Profigolf begonnen. Wo die hinführt und was dabei alles mitschwingt, darüber wird weiterhin zu reden sein.

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