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„Jake Who?“: Auf den Siegerpodesten der PGA Tour fehlen die Persönlichkeiten

28. Feb. 2024 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

Sieger ohne Strahlkraft: Die sportliche Leistung von Jake Knapp, Nick Taylor, Grayson Murray und Co. in allen Ehren – aber sie sind keine Eyecatcher. (Foto: Getty)

Die PGA Tour hat ein Problem. Es trägt den Namen Jake Knapp. Oder Nick Taylor. Oder Grayson Murray. Oder Chris Kirk. Dieses Quartett hat die Hälfte der bislang absolvierten acht Saisonturniere gewonnen. Doch in den US-Medien fragt man: „Jake Who?“ Der 29-jährige Kalifornier war mal Nachtclub-Türsteher und trägt ein beziehungsreiches Tattoo; er kam aus dem Nichts und triumphierte bei der Mexico Open. Murray und Kirk fanden bislang vor allem durch Alkoholbeichten Erwähnung, trocken feiern sie nun Turniersiege. Taylors Erfolg wurde von den Exzessen im TPC Scottsdale überschattet; das spannende Play-off gegen Charley Hoffman interessiert überdies kaum noch jemanden, weil derweil in Las Vegas schon der Super Bowl lief. Will heißen: Alles nicht das, was Glamour und Hype erzeugt, den ein Milliardenbusiness wie der professionelle Golfsport nun mal braucht.

„Sehr gute Spieler, aber wer zum Teufel sind sie?“

Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: die sportlichen Leistungen der vorgenannten Professionals in allen Ehren. Auch beweisen ihre Außenseitersiege die personelle Breite auf der Tour. Und ihre individuellen Geschichten sind gewiss erzählenswert. Doch die Fans entlang der Fairways reißt all das nicht vom Hocker. Sie wollen Stars sehen. Spieler, die ihnen ein Leuchten in die Augen zaubern. Kurz: Idole. Ersatzweise Professionals, an denen man sich reiben kann.

Der einstige Tour-Spieler Mark Lye, mittlerweile 71 Jahre alt, schrieb am Ende der Mexico Open im Kurznachrichtendienst „X“: „Ich weiß nicht, wie die PGA Tour dieses Leaderboard rechtfertigen will. Sehr gute Spieler, aber wer zum Teufel sind sie?“ Nun mag man sich gleichermaßen fragen: Wer in aller Welt ist Mark Lye? Er hat 1983 die Bank of Boston Classic gewonnen, ein Turnier, das es gar nicht mehr gibt. Und er mal Sechster beim Masters (1984). Sei’s drum.

Die Strahlkraft von Matsuyama und Clark

Freilich, Lye bringt die Situation auf den Punkt. Auch das Magazin „The Athletic“ notierte unlängst: „Die PGA Tour befindet sich mitten im besten Teil ihres Kalenders vor den Majors, doch es scheint ihr der Saft zu fehlen. Jedenfalls sind es nicht unbedingt die Eyecatcher und Publikumslieblinge, die gerade am besten spielen.“ Da hilft auch der Verweis auf die anderen bisherigen Turniere wenig: Ja, mit Hideki Matsuyama und Wyndham Clark waren beim Genesis Invitational bzw. beim AT&T Pebble Beach Pro-Am immerhin zwei Majorsieger ganz vorn. Doch die beiden reißen einen in Sachen Strahlkraft ebenfalls nicht unbedingt vom Hocker. Die Tour misst das ja seit einiger Zeit mit dem Player Impact Program: Keiner der bisherigen 2024er-Champions gehört zur Beletage des PIP. Was zu beweisen war.

Matthieu Pavons Farmers-Insurance-Erfolg in Torrey Pines glänzt allenfalls beim Blick durch die europäische Brille. Und beim American Express hat der seinerzeitige Amateur-Weltranglistenerste Nick Dunlap zwar eine besondere Story geschrieben, doch die lebt nicht zuletzt vom Namen des Amateurs, der gleiches 1991 vollbracht hatte: Phil Mickelson. Womit wir bei des Pudels Kern wären.

Antagonisten, Bad Boys, polarisierende Typen

Irgendjemand hat vor geraumer Zeit geunkt, die LIV Golf League hätte der PGA Tour alle Schurken geklaut, und die interessantesten Typen gleich mit. Stimmt irgendwie. Jeder Sport braucht Lichtgestalten. Notfalls in verschiedenen Helligkeitsstärken, ok. Aber gleichermaßen bedarf es der Antagonisten, der Bad Boys, mindestens der Typen, die polarisieren.

Gemeint sind narzisstische Charaktere wie Mickelson oder Brooks Koepka, der intellektuelle Smartie Bryson DeChambeau, die Wutnickel Jon Rahm und Tyrrell Hatton, Unsympathen wie Patrick Reed oder Talor Gooch, der ständig stänkert. Selbst Dustin Johnson, der lange Lulatsch, zieht Rampenlicht – einfach, weil er halt „D. J.“ ist, samt It-Lady an der Seite und einer sportlichen Überfigur namens Wayne „The Great One“ Gretzky als Schwiegervater.

Hoffnungen ruhen auf dem fragilen Rücken des Tigers

Die PGA Tour hat dem aktuell wenig entgegenzusetzen. Während LIV das Comeback von Anthony Kim mit einem dramatischen Teaser inszeniert, duellieren sich Rory McIlroy, Max Homa, Rose Zhang und Lexi Thompson bei „The Match“ nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei weiß man spätestens seit dem Grant Thornton Invitational vom vergangenen Dezember, wie gut Mixed-Formate beim Fan ankommen.

 

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Bezeichnend ist, dass alle Hoffnungen auf dem fragilen Rücken von Tiger Woods ruhen, der kaum den verbrauchten Körper des Superstars über die Runde tragen kann. Den höchsten Unterhaltungswert hat ansonsten wohl Twitter-König Homa. Kevin Kisner mit seiner spitzen Zunge ist gut, muss dafür aber in einer Kommentatorenbox sitzen. Der Happy-Gilmore-Effekt von Will Zalatoris hat sich während seiner Auszeit nach der Rücken-OP verflüchtigt. Scottie Scheffler ist doch wieder mehr mit seinen Puttproblemen denn mit Turniersiegen beschäftigt und ohnehin nicht der Charismatischste.

Alle, die da sonst noch im Vorderfeld der Turniere über die Fairways wandern – Thomas, Morikawa, Scott, Day, Finau und Co. – sind sicherlich nette Kerle. Aber nett ist auch der Hund vom Nachbarn, hat mal ein PR- und Marketingexperte zum Thema Identifikationsfiguren gesagt. Patrick Cantlay und Xander Schauffele hätten mit Attitüde und Aussagen vielleicht wenigstens das Zeug zum Bad Boy, das muss man allerdings auch wollen.

Dringend gesucht: Heldenfigur namens McIlroy

Und sowieso sind sie alle letztlich nur die B-Besetzung. In der ersten Reihe stehen neben Woods vor allem  Rory McIlroy und Jordan Spieth, jeder ein Protagonist ureigener Provenienz. Doch „Golden Boy“ Spieth wird vermutlich nie wieder so stabil und siegessicher sein wie zu seinen Hochzeiten – wenn er sich nicht gleich durch eine unkorrekte Scorekarte um alle Chancen bringt.

McIlroy wiederum hat sich als erster Paladin der PGA Tour verausgabt – unbenommen zwischenzeitlicher Achtungserfolge – und mit seinem Sinneswandel in Sachen LIV  in eine seltsame Situation manövriert. Das Publikum ist des Lamentos eh längst müde. Und so bleibt zu hoffen, dass der Nordire sein Pulver nicht verschossen hat: Beim Masters ist er gefordert wie nie zuvor. Nicht nur, weil der Karriere-Grand-Slam endlich gelingen soll: Die PGA Tour braucht dringend einen Helden. Selbst wenn’s bloß einer mit aufpolierter Rüstung ist.

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