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Wenn der Golfball am Lochrand auslippt – Putting trifft Physik

13. Nov. 2025 von Jean Heidbüchel in Neuss, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Jeder kennt das auslippen des Balls beim Putt. (Foto: Getty)

Jeder kennt das auslippen des Balls beim Putt. (Foto: Getty)

Dass der Golfsport viel mit physikalischen Einflüssen und den daraus resultierenden Effekten zu tun hat, ist unlängst bekannt. Viele Phänomene beim Golfen werden häufig einfach so hingenommen, obwohl dahinter oft eine physikalische Erklärung steckt. Dies bekräftigt auch nochmal der englische Mathematiker John Edensor Littlewood in einer Studie aus dem Jahr 1986 mit dem Satz: „Golfer haben nicht so viel Pech, wie sie denken.“

Golf ist manchmal mehr Wissenschaft als Spiel

Die beiden Forscher Stephen John Hogan von der Universität Bristol in Großbritannien und Máté Antali von der Széchenyi István Universität in Györ in Ungarn haben sich in ihrer jüngsten Studie mit dem Phänomen des "lip out", was im deutschen häufig als auslippen bezeichnet wird, beschäftigt. Jede Golfspielerinnen und jeder Golfspieler kennt diese ärgerliche Situation: Beim Putten auf dem Grün rollt der Ball schnurstracks auf das Loch zu, man trifft den Rand (Lippe: daher auslippen) des Lochs im falschen Winkel und der Ball fällt nicht in das Loch, sondern rollt entweder um den Rand des Lochs herum oder prallt am Rand des Lochs ab und der Spieler oder die Spielerin muss sich mit einem weiteren Schlag begnügen.

In der Studie im Journal "Royal Society Open Science" mit dem Titel "Mechanic of the golf lip out" nähern sich die beiden Forscher den mathematischen und physikalischen Effekten dieses Phänomens an. Schon in der Einleitung der Studie gehen die beiden Forscher darauf ein, dass das Puttspiel 40-45 Prozent aller Golfschläge ausmacht und zitieren dazu den bekannten Golfautor Peter Döbereiner, der einst sagte: „Golf macht halb Spaß, die andere Hälfte ist Putten.“ Auch der erste professionelle Golfspieler Südafrikas Bobby Locke fasst die Wichtigkeit des Putts beim Golfspiel auch im Profisport nochmals zusammen: „Driven für die Show, Putten fürs Geld.“

Die beiden Forscher untermauern in ihrer Studie, dass das Phänomen des "Auslippens" immer wieder für frustrierende Momente auf den Grüns der Welt sorgt. Schon zuvor im Jahr 2021 hatten die beiden Autoren ein ähnliches Problem beim Basketball untersucht. Natürlich gibt es dazu einige Parallelen, aber auch Unterschiede, die tiefergehend in der vorgelegten Studie diskutiert werden. Hogan und Antali haben in der Studie zwei mechanische Erklärungen zum Auslippen des Golfballs am Loch herausgearbeitet.

Der "rim-lip-out"

Der erste Typ des Auslippens ist der von den Forschern sogenannte "rim-lip-out", der vorkommt, wenn der Ball am Rand entlang rollt, aber nicht in das Loch hineinfällt. Der Schwerpunkt des Balls bleibt dabei über dem Niveau des Grüns. Selbst wenn der Ball durch seine Anfangsgeschwindigkeit etwas kippt, reicht das nicht aus um das Rollen in Richtung des Lochs zu erzwingen. Die Neigung des Golfballs reicht also nicht aus um den Impuls der Rollbewegung zu überwinden. Es gibt dabei spezielle Gleichgewichtszustände, bei denen der Ball quasi „fest“ am Rand rotiert – die beiden Forscher nennen dies scherzhaft die „Golfbälle des Todes“. Eine kleine Störung kann den Ball entweder zurück aufs Grün oder ins Loch bringen. Wenn der Ball keinen Spin hat, passiert entweder ein rim-lip-out oder er fällt direkt ins Loch – ein erfolgreicher Putt.

Der "hole-lip-out"

Wenn der Ball jedoch Spin hat, bleibt die „instabile“ Bewegung am Rand bestehen und es kann ein zweiter Typus des Auslippens auftreten: der „hole-lip-out“. Hier fällt der Ball zwar ins Loch, rollt aber an der Wand entlang und hat eine andere Rotation als die Rollrichtung des Balls. Dabei wird seine potenzielle Energie in Drehbewegung umgewandelt und wieder zurück, solange er den Boden des Lochs nicht berührt, den dort würde die Drehbewegung des Balls gestört werden. Der Ball rollt zurück zum Rand und schließlich aufs Grün. Dieses Verhalten tritt nur bei ganz speziellen Anfangsbedingungen auf – also sehr selten.

Eine weitere Art des Auslippens, die die beiden Forscher nicht behandelt haben, aber in ihrer Studie erwähnen, sind die sogenannten "ballistic-lip-outs". Dabei trifft der Ball den gegenüberliegenden Rand und verlässt diesen sofort wieder und trifft wieder den gegenüberliegenden Rand, um anschließend auf dem Rand entlang zu rollen. Der Ball fällt dann entweder ins Loch oder kehrt zurück auf das Grün. Um solche Bewegungen genau zu analysieren, müsste man den Fallzeitpunkt und die Reaktion des Balls beim Aufprall auf den Rand genau modellieren, was sehr komplex ist.


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