Panorama

Golf in der Schule – verschenktes Potenzial

22. Mrz. 2016 von Oliver Felden in Köln, Deutschland

Golf in der Schule - das birgt ein großes Potenzial. Doch es braucht mehr, als das zu wissen. (Foto: Getty)

Golf in der Schule - das birgt ein großes Potenzial. Doch es braucht mehr, als das zu wissen. (Foto: Getty)

Ein Spiegel-Online-Artikel macht die virale Runde: In einer chinesischen Schule hat der Schulleiter Golf als Pflichtfach eingeführt. Etwa 400 Grundschüler, so heißt es in der Meldung, nehmen einmal wöchentlich am Golfunterricht teil. Und die Tastaturen in den einschlägigen deutschen Golf-Communities und -Plattformen glühen. Viel Lob ist da zu lesen, sogar unter dem Spiegel-Post bei Facebook. Wo noch vor einigen Jahren die links-liberale Leserschaft mit der Establishment-Keule geschwungen hätte, wird dieser Tage von "frischer Luft", "kreativem Sport" und "willkommenem Ausgleich" gesprochen. Und das, obwohl der Spiegel selbst die süffisante Vorlage für ein amtliches "Golf-Bashing" liefert, Stichwort "Whiskey-Verkostung".

Golf in der Schule, müsste passen

Golf und Schule, das scheint also zu passen. Doch ist es wirklich so leicht? Es ist davon auszugehen, dass unter dem Spiegel-Post eher Menschen mit einem positiven Golf-Bild kommentiert haben, was keinesfalls eine repräsentative Gruppe darstellt. Noch 2013 hat der Deutsche Golf Verband (DGV) in seiner Image-Studie festgestellt, dass mehr als jeder zweite Nicht-Golfer in Deutschland ein negatives Bild von Golf hat, das mit Konnotationen wie "elitär", "Snobs", "teuer" und "langweilig" belegt ist.

Darüber hinaus wirkt die Spiegel-Nachricht dünn und wage: Geht es jetzt um Golf in einer chinesischen Schule, das zwiegespaltene Verhältnis Chinas zum Golfsport oder Bundespräsident Joachim Gaucks China-Besuch? Zu allen drei Themenkomplexen werden weder weiterführende Hintergrundinformationen noch eine vernünftige Einordnung angeboten. Dann machen wir das eben, zumindest zu den ersten beiden.

Gehört Golf überhaupt in die Schule?

Gehört Golf in die Schule? Das ist die erste und grundlegende Frage die zu klären ist, bevor es sich lohnt, das Thema weiter zu vertiefen. Oder anders formuliert: Was hebt Golf von anderen Sportarten ab? Denn "Fair Play", "frische Luft" und "Konzentration" sind lange keine Alleinstellungsmerkmale.

Doch ein Golfer weiß, was Golf besonders macht: Es ist die Kombination aus der mentalen und physischen Herausforderung, von Anspannung und Entspannung, das Zusammenspiel von Selbstvertrauen und Technik, die Verschmelzung von sportlichem Ehrgeiz, Disziplin und Respekt, gepaart mit Anforderungen wie Beharrlichkeit und Urteilsvermögen, sowie der Fähigkeit mit Misserfolgen umzugehen und sich bei Erfolgen sportlich zu verhalten. Um es auf den Punkt zu bringen: Golf fordert und fördert eine ganze Bandbreite an Kompetenzen, die nicht nur im Sport, sondern allgemein für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern ein großes Potenzial versprechen.

Golf in der Schule - warum nicht in Deutschland?

Es gibt unterschiedliche Versuche, Golf in deutsche Schulen zu bringen, von denen viele leider halbherzig und substanzlos sind. Der DGV brüstet sich gerne mit seinem Projekt "Abschlag Schule", das in über 15 Jahren 130.000 Schülerinnen und Schüler mit Golf in Kontakt gebracht hat. Er fördert Kooperationen zwischen Schulen und Golf Clubs mit einer Million Euro im Jahr. Doch es gibt zwei Probleme: Erstens ist diese Förderung ein (guter) erster Schritt, über den der DGV jedoch seit 1999 leider nicht hinausgekommen ist - denn Geld verpufft, wenn die richtige Basis fehlt. Zweitens ist das erklärte Ziel, dadurch neue Clubmitglieder zu gewinnen, kommerzieller Natur und muss dem bildungsorientierten Kontext Schule untergeordnet werden.

Beide Probleme führen zu folgender Anschlussfrage: Wozu soll Golf in die Schule? Oder anders: Wollen wir Kinder für die Clubs oder Inhalte für die Kinder? Die Antwort ist leicht: Bestenfalls beides. Aber nur, wenn das Erste in einem natürlichen Prozess aus dem Zweiten resultiert. Und um zu erreichen, dass Golf mit seinem enormen bildenden und erzieherischen Potenzial von Schulen und Sportlehrern ernst genommen wird, braucht es eine Sache, für die der DGV bisher versäumt hat zu sorgen: Ein pädagogisches Fundament.

Golf und Kompetenzen - das passt!

Vor vier Jahren formulierte der DGV innerhalb des Grundsatzpapiers „Sportkonzept - Anforderungen an die olympische Sportart Golf“ den Anspruch, „ein bildungspolitisches Konzept zu erstellen, das das Selbstverständnis des Verbandes in Bezug auf seinen Bildungsauftrag im organisierten Sport dokumentiert“ (S. 38). Bildungstheoretisch wertvoll hält der DGV fest: „Erfahrungen mit dem eigenen Körper und der respekt- und verantwortungsvolle Umgang mit anderen Sportlern sowie die Achtung der natürlichen Umwelt sind wichtige Bestandteile von Entwicklung und Bildung der Persönlichkeit“. Doch anstatt sich dieser wohl formulierten und dringlichen Aufgabe zu stellen, endet das Papier, das „unter Einbindung aller sportverantwortlichen Personen im Ehren- und Hauptamt des DGV sowie unter Einbeziehung des sportwissenschaftlichen Beirats entwickelt […] worden ist“ bezüglich des bildungstheoretischen Konzepts: "Konzeptionserarbeitung mittelfristig vorgesehen" - was im DGV-Jargon offensichtlich länger als vier Jahre bedeutet.

Dabei hat die Kultusministerkonferenz der Länder auf Seiten der Schule den Weg vor einigen Jahren geebnet. Ausschlaggebend dafür waren die PISA- und TIMSS-Studien Anfang des Jahrtausends, die bundeslandübergreifend eine eindringliche Reformbewegung hin zu Bildungsstandards und Qualitätssicherung nach sich zogen - die sogenannte "Kompetenzwende". Kaum eine Sportart hat das Potenzial, so viele wertvolle Kompetenzen zu vermitteln, wie Golf, eine Vernetzung mit den Kernlehrplänen böte sich an. Doch das funktioniert erst, wenn sich die Sportart und ihre organisatorische Struktur den pädagogischen Maximen der Schule unterordnet, also die Rekrutierung von Neugolfern nicht als oberstes Ziel ansieht, und ihr pädagogisches Potenzial nicht nur in Stammtischparolen zum Besten gibt, sondern sich über ein wissenschaftlich fundiertes Konzept definiert und so einen Mehrwert für den Bildungsauftrag der Schule darstellt.

Ein pädagogisches Fundament, das standhält

Golf gehört in die Schule, und es lässt sich nicht nur in außerschulischen Kooperationen mit Golf Clubs in Form von Arbeitsgemeinschaften oder Projektwochen realisieren. Mit einem gewissen Maß an Engagement sind auch Unterrichtsreihen mit dem Thema Golf innerhalb des Sportunterrichts möglich, sogar in der Sporthalle, wenn es sein muss. Doch muss dafür das aufgezeigte pädagogische Potenzial formuliert und ausgearbeitet werden: Welche Kompetenzen lassen sich durch Golf fördern, die über die Sportart hinaus Gültigkeit haben? Wie lassen sich diese Kompetenzen gezielt ansteuern? Und wie lässt sich überprüfen, ob die intendierten Entwicklungen stattgefunden haben?

Sogar einzelne Clubs haben bereits verstanden, was anscheinend bisher nicht in die Verbandsetagen vorgedrungen ist: Immer mehr Anlagen verfügen über Jugendabteilungen mit ausgearbeiteten pädagogischen Konzepten, in denen sie ihre Prinzipien formulieren und anhand derer sie ihre Jugendarbeit gestalten. Wenn Golf-Verantwortliche hierzulande also davon sprechen, wie wertvoll die Sportart für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen sein kann, dann sollten sie auch dafür sorgen, dass diese Behauptungen auf einem pädagogischen Unterbau stehen, der wiederkehrenden Legitimationszwängen standhält. Erst dann kann Golf auch als das ernst genommen werden, was es ist: Ein Spiel, das für das Leben schult.


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