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Golf im Wandel: Ein Sport als Proband und die Kombi von Gaming und Spiel

10. Dez. 2020 von Michael F. Basche in Stuhr, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Über den Tellerrand schauen: Modern geführte Anlagen wie Golf in Hude agieren Sportarten übergreifend. Man "schnuppert" gegenseitig. (Foto: Dr. Reinhard Koss/Golf in Hude)

Ein Gesprächspartner mit doppeltem Blickwinkel: Einerseits hat Dr. Reinhard Koss als vereidigter Sachverständiger für die Wirtschaftlichkeitsbewertung von Golfanlagen den Finger am Puls der Branche, andererseits sitzt der gelernte Bankkaufmann aus Stuhr bei Bremen als Geschäftsführer von Golf in Hude und der Golfanlage Syke sozusagen im Maschinenraum des täglichen Golfbetriebs.

Golf Post: Herr Dr. Koss, der Golfsport scheint tatsächlich von Corona zu profitieren, wenn man die vom Deutschen Golf Verband bestätigten Zuwachszahlen zugrunde legt?

Dr. Koss: Ja, Golf ist derzeit eindeutig ein Erfolgsmodell. Erst mal ist das indes eine Momentaufnahme: Es gibt den großen Drang nach draußen, an die frische Luft, zur Bewegung im Freien. Die Menschen probieren viele Dinge, und Golf ist einer dieser Probanden. Was ich nicht abschätzen kann, ist die Langfristigkeit dieses Erfolgs. Die ganz große Aufgabe besteht darin, alle zu halten, die jetzt zu uns kommen; ihnen Angebote zu machen, damit sie langfristig Spaß haben. Wenn diese Leute im Frühjahr merken, dass die tradierten Strukturen überwiegen, sind sie ganz schnell wieder weg und probieren vielleicht Bogenschießen und Windsurfen …

Golf Post: … und die Zuwächse aus 2020 sind wie das Bild von der einen Schwalbe, die noch keinen Sommer macht?

Dr. Koss: Richtig. Die Zuwächse sind zwar höher als sonst, die Fluktuation freilich ist es ebenso. Wo wir früher drei bis fünf Prozent hatten, sind es heute schnell mal zehn Prozent. Und wenn der aktuelle Zuspruch nicht nachhaltig gestaltet wird, gibt‘s demnächst eine Fluktuation von 15 Prozent – und damit wäre die Chance wieder verspielt, die dem Golfsport durch Corona eröffnet wird.

Golf Post: Kaschiert die aktuelle Entwicklung nicht ein bisschen die tatsächlich Situation auf der Landkarte der Golfanlagen?

Dr. Koss: Definitiv. Vor Corona lief durchaus ein gewisser Bereinigungsprozess. Einige wenige verzeichneten Zuwächse, das Gros der Clubs hingegen hatte negative Zahlen. Wenn das so weitergegangen wäre – ohne Corona –, dann bin ich sicher, dass noch mehr Golfanlagen in Schwierigkeiten gekommen wären.

"Auf solchen spannenden Plätzen wird immer Golf gespielt werden": Dr. Reinhard Koss im Golf Club Föhr. (Foto: Michael F. Basche)

"Auf solchen spannenden Plätzen wird immer Golf gespielt werden": Branchenkenner Dr. Reinhard Koss im Golf Club Föhr. (Foto: Michael F. Basche)

Zumal jetzt die Phase der auslaufenden Pachtverträge kommt, die zu Zeiten des Booms in den 1990er-Jahren abgeschlossen wurden und in der Regel auf 30 Jahre befristet sind. Viele Verantwortliche hätten sich angesichts der seit langem stagnierenden Zuwächse sicher zwei Mal überlegt, noch mal für 30 Jahre zu unterschreiben. Erst recht, weil es schwierig ist, einen Nachfolger zu finden. Ohne Corona hätte es womöglich ein größeres Golfanlagen-Sterben gegeben. Der Zulauf durch Corona kaschiert in der Tat Schwächen, die schon vorher da waren.

Für 2020 und 2021 hat man enorme Zuwächse bei den Beiträgen – was ab 2022 passiert, hat jede Anlage selbst in der Hand. Diejenigen, die vor der Krise schwach waren, werden wieder schwach sein.

Golf Post: Was wären denn aus Ihrer Sicht attraktive Angebote für all die Neugolfer?

Dr. Koss: Man muss an der Spieldauer arbeiten. Und es braucht vielleicht ganz neue Formate. Etwa ein Hole-in-One-Shoot-out: Der Wettbewerb dauert eine Stunde, ist spektakulär, dazu etwas Geselligkeit – ein überschaubarer Zeitaufwand. Damit kann man sicherlich junge Golfer kriegen und langfristig ans „lange“ Spiel binden. Es geht ja um den Einstieg, der Anfang muss attraktiv sein.

Im Grunde handelt es sich um ein gesellschaftliches Phänomen. Die Menschen sind nicht mehr bereit, sich bis an ihr Lebensende an ein Hobby zu binden. Und sie haben nicht mehr die Zeit , ein derart zeitaufwändiges Hobby zu betreiben. Acht Stunden auf dem Golfplatz, inklusive An- und Abfahrt, das ist für den normalen Arbeitnehmer kaum darstellbar. Zudem ist Golf keine Sportart mehr, die von der ganzen Familie ausgeübt wird. Also fehlt selbst am Wochenende die entsprechende individuelle Zeit. Früher war das anders. Da fuhr die Familie geschlossen in den Club, verbrachte dort als Event den ganzen Tag. Das gibt es heute seltener. Deswegen müssen wir am Sport was ändern, ihn schneller machen.

Golf Post: Da kommt einem spontan das Golf-Sixes-Format in den Sinn, das auf den britischen Inseln bei den Kids sehr erfolgreich ist.

Dr. Koss: Ein anderes Beispiel für zukunftsfähige Konzepte ist Golf City in Köln und München. Die Stichworte sind: neun Loch, zeitlich kurzes Spiel, unverbindlich, keine langen Wartezeiten, Stadtnähe. Die betreffenden Anlagen verzeichnen große Resonanz mit vielen Zu- und nur wenigen Abgängen etablierter Mitglieder.

Golf Post: Wie steht es generell um den „Clash of Cultures“ zwischen Traditionen und neuen Zielgruppen?

Dr. Koss: Auf dem Platz sehe ich den nicht, alle spielen dasselbe Spiel. Im Clubhaus und auf der Terrasse stoßen sicherlich ab und an Welten aufeinander. Doch der Golfsport will jünger werden, dann muss man ein Stück weit tolerieren, dass es lockerer wird, und dies seitens des Managements ggf. moderieren.

Golf Post: Braucht es noch variantenreichere Mitgliedschaftsmodelle?

Dr. Koss: In der Vielzahl der Angebote sollte für jeden etwas dabei sein. Sofern solche Überlegungen darauf abzielen, Preise zu reduzieren, bin ich allerdings strikt dagegen. Man kann Golf hierzulande nicht noch günstiger machen. 100 Euro im Mittel pro Monat sind ein fairer, leistbarer und kostendeckender Preis.

Golf Post: Wie gehen Sie in Syke und bei Golf in Hude das Thema Neugolfer an?

Dr. Koss: Abgesehen davon, dass wir heuer überrannt wurden und eine breite Palette unterschiedlicher Kurse angeboten haben, versuchen wir grundsätzlich, anderen sportaffine Zielgruppen anzusprechen. Wir haben diverse Kooperationen etabliert: mit Fitnessstudios, Betriebs- oder anderen Sportvereinen. Wir „schnuppern“ gegenseitig. In Syke existiert außerdem seit Jahren ein enger Kontakt zum örtlichen Gymnasium. Wer Sport als Abiturfach wählt, kann sein Abi mit Golf machen. Die Sportlehrer arbeiten mit unseren Pros zusammen.

Bei allem geht es um die Botschaft nach außen, dass Golf in der Breite längst keine exklusive Angelegenheit mehr ist.

Golf Post: Müssen Plätze spektakulärer werden, damit Golf cooler wird?

Dr. Koss: Ein gewisser Trend ist sicher da, siehe Adventure Golf“. Andererseits ist Golf ist nun mal ein klassischer Sport. Es gab immer schon spannende und langweilige Plätze, diesbezüglich wird sich auch in Krisenzeiten die Spreu vom Weizen trennen. Erstere sind weiterhin hochfrequentiert, die anderen besucht man halt nur einmal und zahlt sein Greenfee. „Cool“ ist eine Anlage meiner Ansicht nach zuvorderst über zeitlich attraktive und inhaltlich innovative Angebote.

Golf Post: Was könnte denn die Kids konkret hinter dem digitalen Ofen vorlocken?

Dr. Koss: Beispielsweise die TrackMan- bzw. TopTracer-Technologie. Das ist nicht nur ein sinn- sowie reizvoller Service für die Mitglieder und damit Bestandspflege. Mittlerweile haben sich ganze Communities von eigentlich Nichtgolfern entwickelt, die sich dennoch auf der Driving Range treffen und per TrackMan mit Schläger und Ball „daddeln“. Das ist offensichtlich etwas, was die jüngeren Generationen anspricht und womit Anlage sich attraktiver machen können.

Golf Post: Gaming und gleichzeitig aktives Golfspiel, eine tolle Synergie?

Dr. Koss: Genau. Es ist kurzweilig, hat keine Einstiegshemmnisse, man muss keine Regeln lernen, geht dahin wie zum Bowling oder zum Dart. Und wenn man anfangs wenig Bälle trifft, ist das nicht schlimm, weil es niemanden stört und man in seinem eigenen sozialen Umfeld ist. Diese Zielgruppe hat ursächlich gar kein Interesse, auf den Platz zu wechseln. Trotzdem kommen aus diesem Kreis natürlich mittelfristig neue Golfer und Mitglieder.

Golf Post: Hat Golf so letztlich doch das Zeug zum Breitensport?

Dr. Koss: Dem stehen zwei Probleme entgegen, die wir schon thematisiert haben. Erstens der Zeitfaktor. Zweitens die Kosten, die für den Sport völlig angemessen, gleichwohl zu hoch sind, um zehn Hobbys gleichzeitig zu machen. Daher ist Breitensport zu optimistisch gedacht. Am Ende ist es nicht mal eine Frage des Preises, sondern des Images. Immer noch. Sportarten wie Segeln, Reiten oder Skifahren sind viel teurer, aber gesellschaftlich akzeptiert. Allein Golf gilt als elitär. Dieses Klischee muss weg.

Herr Dr. Koss, besten Dank für das Gespräch.

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