Home of Golf? In East Lothian, keine 40 Kilometer Luftlinie von St. Andrews entfernt, entlockt dieses Etikett Malcolm Duck bloß ein müdes Lächeln. „Die tun da oben immer so, als wären sie damit was Besonderes“, knurrt der Mittsechziger und nickt Richtung Norden über den Firth of Forth. Duck, ein drahtiger, knorriger Typ mit eisgrauem Haar und Bart, intensivem Blick, unverblümten Mundwerk und bisweilen scharfer Zunge, ist in seiner Region so tief verwurzelt wie im Golf und in der schottischen Golfszene sowieso bekannt wie ein bunter Hund. Bei der Scottish Open dirigiert der Ex-Elitesoldat und Angehörige der Royal Marines heuer erneut als Volunteer Director die freiwilligen Turnierhelfer – und manchmal auch das Publikum, siehe unten – mit freundlicher Unmissverständlichkeit und rührt nebenbei unermüdlich die Werbetrommel für Scotland’s Golf Coast.
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Adresslagen wie Muirfield, Renaissance Club oder North Berwick
Ja, mit St. Andrews haben sie es in East Lothian nicht so. „This IS Golf Country“ war neulich ein Social-Media-Posting mit Impressionen von der Scottish Open selbstbewusst betitelt. Andererseits stellt sich natürlich die Frage: Wo ist Schottland eigentlich nicht Golf Country, angesichts von über 550 Plätzen bei knapp 5,5 Millionen Einwohnern, von denen die meisten schon mit Ball und Schlägern auf die Welt gekommen zu sein scheinen? Ayrshire und die Inseln im Westen, die Highlands, die Region um Aberdeen, dazu das Kingdom of Fife mit dem Old Course als Epizentrum – und eben East Lothian, das sich mit Adresslagen wie der Open-Bühne Muirfield, dem Renaissance Club und den Links von North Berwick, Gullane, Archerfield, Kilspindie, Craigielaw oder Dunbar in diesem Reigen wahrlich nicht verstecken muss.
Linkskurs an Linkskurs und Grüns im Kurvenknick
Wie Perlen an der Schnur reihen sich die Platzpreziosen von Scotland’s Golf Coast, kaum dass die A198 vom Flughafen Edinburgh bei Longniddry zum Firth of Forth abgeknickt ist und sich an der Küste entlang schlängelt. Linkskurs an Linkskurs, nacheinander, nebeneinander, geballt. Einfahrten mit Plaketten und Emblemen, die dem Golfpuristen die Geschmacksfäden ziehen. Grüns im Kurvenknick, wo das Asphaltband sich anpassen musste, weil das Spiel längst da war.
Dann die Städte, „Golf Towns“ sagen sie dort: North Berwick und Gullane vor allem. Ja, Schulen, Kirchen, Geschäfte und so weiter sind da, aber eigentlich geht’s bloß um Golf. 21 Plätze ballen sich auf 48 Küstenkilometern: Von Musselburgh im Westen der schottischen Council Area East Lothian bis Dunbar im Osten. Maximal 20 Autominuten beträgt der Radius mit einem gedachten Mittelpunkt in Haddington, das der einstigen Grafschaft Haddingtonshire ihren Namen gab und heute Verwaltungszentrum ist.
Die drei Linkskurse von Gullane
Allerorten bestimmen Mensch in Golfklamotten, Menschen mit Golfbags das Straßenbild – dieser Tage sowieso, wo sich die Weltelite um Scottie Scheffler, Rory McIlroy und Co. auf Tom Doaks schottischem Erstling für die 153. Open Championship kommende Woche im nordirischen Royal Portrush warm spielen. Zwei Wermutstropfen freilich trüben den golferischen Freudenbecher: Der Renaissance Club ist ebenso privat und exklusiv wie das benachbarte Muirfield, mit dem man ein paar Jahre nach der Eröffnung 2007 ein bisschen Gelände tauschte, um wenigstens drei Bahnen direkt am Ufer des Firth of Forth zu haben.
Aber es gibt auch so genug Gelegenheit zum Golf. Gullane hat allein drei Plätze und sie der Einfachheit halber lediglich nummeriert, dazu extra ein Clubhaus für Gäste gebaut. Dort, wo seit 1884 die „No. 1“ ausgesteckt ist, wurde schon 1650 Golf gespielt; folgerichtig wird beim Design nur „Mutter Natur“ genannt. „No. 2“ und „No. 3“ wurden 1898 bzw. 1910 vom zweifachen Champion Golfer Willie Park Jr. angelegt. Der Slogan „Golf on the Hill“ kommt nicht von ungefähr: Auf den ersten Bahnen geht es jedes Mal zuerst steil bergauf, bevor sich die Layouts dann Richtung Firth of Forth ergießen.
Das berühmte Redan Hole im Original
North Berwick wiederum ist noch mal eine andere Hausnummer. Die West Links des 1832 gegründeten Clubs sind wahrhaft ikonisch, schlängeln sich zwischen Strand und den Ausläufern der Stadt sowie dem angrenzenden Wald entlang, mit wogenden Fairways voller Wellen und Knubbel und einem der berühmtesten Par-3-Löcher auf dem Golfglobus, dem vielfach nachgebauten Redan Hole.
Ein paar hundert Meter weiter liegt der Glen Golf Club, auf der Eins geht’s wieder mal den Berg hinauf und ab dem zweiten Tee bis zum 18. Abschlag fließen die Bahnen über ein Hochplateau, weisen allerlei spektakuläre Geländedetails aus und offenbaren auf Schritt und Tritt die Aussichten auf den Felsen The Bass im Firth of Forth, ein Pendant des berühmten Ailsa Rock vor der Westküste von Schottland.
Die Barockperle Dunbar: „Linksiger“ als in Dunbar geht es kaum
Am östlichen Ende von East Lothian schließlich glänzt ein weiteres Juwel – nein, eher eine Barockperle; nicht rund und glatt, sondern mit Verformungen, Einschlüssen und rauhen Stellen. Will heißen: „Linksiger“ als in Dunbar geht es kaum, nach drei Löchern rund um die morbid-pittoreske „Hütte“, die den Pro-Shop beherbergt, führt das Routing durch die alte Naturstein-Mauer des einstigen Wildparks von Broxmouth Estate aufs originäre Arrangement, wo schon im 17. Jahrhundert die Golfkugeln übers sandige Terrain hoppelten und das teils tatsächlich sehr eng beieinander liegende „Out and In“ entlang des felsigen Meeressaums verläuft, bevor es für die Schlussbahn wieder durch und hinter den Wall geht.
Weitere Informationen: scotlandsgolfcoast.com.
Trutzige Metropole, uralte Links, charmante Herbergen
Where to be: Zeit für ein Sightseeing in Schottlands trutzig-charmanter Hauptstadt Edinburgh ist auf jeden Fall einzuplanen. Und ein Ausflug nach Musselburgh lohnt ebenfalls, wo inmitten der Pferderennbahn der zweitälteste von Menschenhand arrangierte und bis heute bespielbare Golfplatz der Welt liegt (Foto unten). Vergessen Sie Ihre Schläger nicht: Der Neun-Loch-Parcours wird von der Stadt betrieben und ist öffentlich – pay and play! (musselburgholdlinks.co.uk)
Where to stay, where to eat: Von purem Golffeeling über exquisite Hideaways bis hin zum opulenten Herrenhaus – Scotland’s Golf Coast hat für jeden Geschmack was zu bieten – dank der jeweils wirklich guten Küchen auch im Wortsinn. An dieser Stelle ist allerdings einer dahingeschiedenen Institution Reverenz zu erweisen: Malcolm Ducks Kultkneipe Duck’s Inn mit den legendären Puttwettbewerben vom Barhocker existiert nicht mehr. Der Patron und seine im Hintergrund stets unermüdlich wirkende und alles zusammenhaltende Ehefrau Fiona haben das Objekt verkauft und sind in Ruhestand gegangen. Aus dem pittoresken Ensemble in Aberlady, das Duck gern als „Bar und Restaurant mit angeschlossenen Zimmern“ bezeichnete, ist The Leddie geworden – ein charmantes Boutique-Hotel, das sich als Ausgangspunkt für die Erkundung der Region nicht weniger gut eignet.
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Empfehlenswert ebenso: die Garleton Lodge in Haddington (garletonlodge.co.uk) oder das Marine Hotel in North Berwick (marineandlawn.com/marinenorthberwick/)
What to see: Wem außer einem Stadtbummel in Edinburgh noch der Sinn nach Ausflügen ohne Golf steht, der ist an Scotland’s Golf Coast eigentlich falsch. Na gut, dennoch ein paar Tipps – die mittelalterliche Festungsruine Dirleton Castle beispielsweise. Oder der weite Strand von Longniddry. Die wahren Sehenswürdigkeiten von East Lothian sind allerdings zuvorderst Golfplätze.