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Frohe Ostern: Was wäre Golf ohne Meister Lampe und die Karnickel-Clique

17. Apr. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Frohe Ostern! (Foto: Getty)

Frohe Ostern! (Foto: Getty)

Es gibt diesen Cartoon, in dem eine Kaninchen-Mama auf einem Golfplatz ihrem aufmerksam lauschenden Nachwuchs angesichts der im Rough herumwuselnden Golfer erklärt: „Bleibt auf dem Fairway, dann seid ihr sicher.“ Hinter dem Gag steckt mehr als nur die Erkenntnis, dass eine Spielbahn gar nicht breit genug sein kann, um sie dennoch zu verfehlen: Die Langohren, hier sinnigerweise in den Mittelpunkt gerückt, spielten zu allen Zeiten eine bedeutsame Rolle beim großen Spaß mit dem kleinen Ball. Da kommt Ostern gerade recht, um dem Hasen und seiner Karnickel-Clique mal mit einer Würdigung auf den Pelz zu rücken.

Immerhin sind die Vertreter der Ordnung „Lagomorpha“ (Hasenartige) schon am fabulösen Entstehungsnarrativ beteiligt, besagt doch die Legende, dass Golf von einem gelangweilten Schäfer erfunden wurde, der sich irgendwann irgendwo vor einer schottischen Küstenstadt die Zeit vertrieb, indem er mit dem gekrümmten Ende seines Hirtenstabs Kieselsteine in Kaninchenlöcher kickte. So schön können Märchen sein.

Koboldkopf im Karnickelloch

In „Der Hobbit“ lässt Autor J. R. R. Tolkien den Zauberer Gandalf ebenfalls davon erzählen, dass der Kopf des vom legendären Helden Bandobras Tuk bei der Schlacht auf dem Grünfeld enthaupteten Kobold-Königs Golfimbul in ein Kaninchenloch gerollt sei – womit laut Gandalf „im gleichen Augenblick sowohl die Schlacht gewonnen als auch das Golfspiel erfunden“ wurde.

Kaninchen, werden Sie nun sagen: Was haben die mit dem Osterhasen zu tun? Sind meist von kleinerer Gestalt, haben im Gegensatz zu den langen Löffeln von Meister Lampe deutlich kürzere Ohren und bevorzugen Stollen und Höhlen, die sie mit Wonne in sandigen Untergrund buddeln, auf Linkskursen beispielsweise, während der Hase sich ein Nest baut, in dem er der Mär zufolge ja auch seine Ostergaben bereit legt.

Die Sippschaft der „rabbits“

Alles eine Sippe, entgegnet der Autor zu seiner Rechtfertigung und verweist auf die biologische Nomenklatur, in der Feldhase wie Wildkaninchen zur Familie der „Leporidae“ zählen. Der englische Sprachgebrauch kennt zwar „hare“ für Hase und „cony“ für Kaninchen, weist indes beide gleichermaßen als „rabbits“ aus – Story gerettet.

(Foto: Getty)

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Die Rabbits sind im Golf omnipräsent. Als Verniedlichung für Anfänger, kennt jeder. Oder als Sidekick für Superstars im Klamauk „Space Jam“, wo Bugs Bunny dem Basketball-Heroen Michael Jordan unter anderem auf dem Grün erscheint, um ihn zur Rückkehr aus dem Ruhestand zu überreden. Oder als Maskottchen; wie im Fall des britischen Professionals Tom Burrell, der in den späten 1930er-Jahren nur selten ohne sein Kaninchen „Niblick“ eine Teebox betrat. Oder als Verkleidung für enthusiasmierte Fans.

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Und nicht zuletzt als Ärgernis für Greenkeeper. Auf Norderney beispielsweise können sie ein Lied davon singen. Um 1620 wurden einige Kaninchen auf der Nordseeinsel ausgesetzt, sie sollten den Inselvögten zum Jagdvergnügen dienen. Entweder legten diese beim „Strecke machen“ keine sonderlich Effizienz an den Tag, oder die als besonderes fruchtbar bekannten „Einwanderer“ waren dank ihrer sprichwörtlichen Vermehrungs-Vorliebe schneller. Jedenfalls verwilderten die Rabbits und entwickelten sich zu einer wahren Landplage – zumal es an natürlichen Feinden mangelte.

Der Golf Club Norderney und die Kaninchen-Plage

Sie zerstören mit ihren Bauten die Dünen und setzen auch dem Neun-Loch-Linkskurs rund um den Leuchtturm mächtig zu, weil sie Fairways und Grüns abgrasen und mit ihren Hinterlassenschaften für allzu viele lose hinderliche Naturstoffe sorgen. Im Golf Club Norderney war deswegen schon von einer Art Naturkatastrophe die Rede.

Dabei gehörigen derartige, fast pandemische Populationen unabdingbar zur Golfgeschichte. Selbst der Mythos Old Course wäre ohne die Kaninchen um ein paar pittoreske Dönekes ärmer. Schon 1553 erhielt Erzbischof John Hamilton vom Stadtrat das vertraglich beurkundete Privileg, sich durch den Verkauf von Pelzen und Fleisch der auf den Pilmore Links lebenden ausgesprochen, einträgliche Nebeneinkünfte zu sichern.

Langohr-Zucht auf dem Old Course

Es war jener Geistliche, der den Bürgern von St. Andrews im Jahr zuvor ausdrücklich und unter Bezug auf Gottes Wohlgefallen erlaubt hatte, die Allmende vor den Toren der ehrwürdigen Universitätsstadt als Freizeitfläche für allerlei Vergnügungen zu nutzen – inklusive des damals wüsten Geländespiels „Gowf“. Außer am heiligen Sonntag natürlich.

1726 wiederum erhielt ein gewisser William Gib die Erlaubnis, seine Zucht schwarzer und weißer Kaninchen auf den Links grasen zu lassen, „sofern das nicht den Golfbetrieb in Mitleidenschaft zieht“. Keine 100 Jahre später wäre fast das Ende für den Old Course gekommen, wäre das Geläuf an der Mündung des Flusses Eden ins „Deutsche Meer“, wie die Nordsee damals bezeichnet wurde, als ältester von Menschenhand arrangierter Parcours (ab 1754) niemals zum Inbegriff des Golfplatzes und zum Sanktuarium der Golf-Genese geworden.

Der „Rabbit War“ von St. Andrews

Was damals geschah, hielt als „Rabbit War“ Einzug in die Chroniken des Spiels: Die chronisch klamme Stadt St. Andrews hatte ihr kommunales Gelände 1797 an den Landedelmann Thomas Erskine verscherbelt, der wiederum verpachtete es an den örtlichen Kaufmann Charles Dempster und seinen Sohn Cathcart, die dort eine Kaninchenzucht in großem Stil aufziehen wollte. Irgendwann bevölkerten derart viele Karnickel die Links, dass an Golf kaum noch zu denken war; ihre Labyrinthe unterminierten den Boden und ihre überirdischen Hinterlassenschaften verschandelten Schläger und Featherie-Bälle.

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1801 beschwerte sich George Cheape, begüterter Grundbesitzer und amtierender Kapitän der Society of St Andrews Golfers, dem späteren Royal and Ancient Golf Club, in einem Brandbrief an den Stadtrat, dass der Verkauf in massiver Art und Weise gegen das von Erzbischof Hamilton verbriefte Recht auf Golf verstoße und dass die Zerstörung des Golfplatzes drohe, wenn nicht umgehend eingeschritten werde.

Der Fall beschäftigte später sogar das Gericht in Edinburgh, während die Golfer vor Ort einen regelrechten „Kaninchenkrieg“ anzettelten und Jagd auf die Störenfriede machten. Was selbstredend wieder die Dempsters auf den Plan rief und den Stadtrat – hin- und hergerissen zwischen willkommenen Einkünften und einflussreichen Golf-Gentlemen – in eine ziemliche Bredouille brachte.

Rückkauf als Fundament der Golfentwicklung

Schließlich lösten die Kaninchen das Problem endgültig, indem sie sich von einer Seuche dahinraffen ließen; 1821 kaufte Cheapes Bruder James für 3.150 Pfund das wertlos gewordene Gelände (es wurde 52 Jahre später für 4.500 Pfund wieder an die Stadt übertragen) und beendete damit eine über zwei Jahrzehnte währende Story voller Nebenkriegsschauplätze, deren Kurzform hier nur im Zeitraffer erzählt ist. So ganz nebenbei sorgte er damit für das Fundament, auf der Old Tom Morris und seine Nachlassverwalter das Spiel zum globalen Faszinosum entwickelten.

Also, Golf wäre ohne die Rabbits in jeder Hinsicht undenkbar. Und nach so viel Historie noch etwas Vergnügliches zum Ausklang – frohe (Golf-)Ostern!

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