Panorama

Schnauzbart und Schlapphut: Die besonderen Fälle der Chef-Schiris

21. Okt. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Community Artikel

John Paramour (l.) und Andy McFee haben ihre Zeit als Schiris der European Tour hinter sich. (Foto: Getty)

John Paramour (l.) und Andy McFee haben ihre Zeit als Schiris der European Tour hinter sich. (Foto: Getty)

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Man kennt das aus dem Fußball, jedenfalls als die Tribünen noch dicht besetzt waren. Da schallte es manchmal aufs Spielfeld herab: „Schiri, wir wissen wo dein Auto steht!“. Bei den bekanntesten und bedeutendsten Cart-Piloten der Golfbranche ist das sofort klar – denn wenn John Paramor und Andy McFee die Szene betreten, dann sind die beiden Chief Referees der European Tour ohne ihre vierrädrigen Untersätze kaum vorstellbar. Ein Kollege schrieb gar mal, dass die beiden Paragraphen-Päpste stets fast wie von Geisterhand auftauchten, wenn ihr Sachverstand vonnöten sei.

Nach gemeinsam über 80 Jahren endet eine Ära

Womit es ernst wird. Denn nach gemeinsam über 80 Jahren an der Regelfront geht eine Ära zu Ende: Paramor (65)ist seit April 1976 als Tour-Schiedsrichter unterwegs, McFee (62) seit September 1983, jetzt hängen die beiden Engländer „The Rules of Golf“ an den Nagel. Schon bei der BMW PGA Championship in Wentworth, dem Flaggschiff-Turnier der im benachbarten Virginia Water ansässigen European Tour, wurden Paramor und McFee von Tour-Boss Keith Pelley mit mehr als warmen Worten in den Ruhestand verabschiedet. Der Kanadier sprach davon, dass die Vokabel „Legende“ allzu oft leichtfertig verwendet werde, aber auf diese Zwei wahrhaft zutreffe. Und er sagte: „Sie sind zu Recht als die Besten der Branche anerkannt und vertreten die European Tour seit Jahrzehnten mit Ehre und Auszeichnung auf der ganzen Welt.“

Stimmt. Egal, ob World Golf Championship, Masters oder ein anderes Major – Schnauzbart und Schlapphut, aka Paramor und McFee, sind Institutionen; gewichtige Typen, deren Wort Gewicht hatte.

Paramors „Date“ mit dem großen „Seve“

Vor den beiden „kuschten“ selbst exzentrische Stars wie Severiano Ballesteros oder der frühe Tiger Woods. So verwundert es nicht, dass „Seve“ auch die Hauptrolle in Paramors bevorzugtem Regelfall-Rückblick spielt. Beim Volvo Masters 1994 in Valderrama versagte „JP“ dem 2011 verstorbenen großen Spanier einen Free Drop, nachdem dieser auf der 18 seinen Abschlag an den Fuß eines Baums befördert hatte, sich von einer tiefen Mulde direkt dem Ball im Schwung behindert sah und reklamierte, die Kuhle sei tierischen Ursprungs (Regel 25-1).

Publikumsliebling Ballesteros befand sich zu diesem Zeitpunkt in geteilter Führung mit Bernhard Langer, der bereits im Clubhaus war, und der Offizielle stand vor einer schwierigen Entscheidung. „Es gab keinerlei Anzeichen eines grabenden Tiers“, erinnert sich Paramor, der auch nichts fand, als er seinen Finger in ein kleineres Loch in der Kuhle bohrte.

Ballesteros‘ Fürsorge fruchtete nicht

Nur „Seve“ blieb bei seiner Version der Entstehung des ungewöhnlich beschaffenen Bodens, legte Paramor eine Hand auf die Schulter und warnte: „Pass auf! Nicht, dass es Dich beißt.“ Trotz soviel Fürsorge blieb der Schiedsrichter ungerührt: Statt straflose Erleichterung in Anspruch nehmen zu können, musste der Lokalmatador chippen. Was er klaglos, wenngleich mit sehr schmalen Lippen und einem bösen Blick auf Paramor tat – um am Ende das Turnier mit einem Schlag Rückstand auf Langer zu verlieren.

Autorität ist in der Moderne ein nicht immer positiv belegter Begriff. Doch im Fall von Paramor und McFee ist es ein uneingeschränkte Kompliment. Über Jahrzehnte brachten sie jede ihrer Entscheidungen auf den Punkt und hinterließen dabei nie einen schalen Geschmack. Sie wachten über die Regeln und verstanden sich als Begleiter und Helfer der Spieler, prägten dabei das Spiel mehr als die meisten seiner Protagonisten – auch wenn das nicht immer einfach war.

Als Beispiel dafür nennt Paramor den Strafschlag, den er beim Masters 2013 dem 14-jährigen chinesischen Amateur Tian-Lang Guan nach dreimaliger Verwarnung wegen Slow Play aufbrummen musste. „Ich habe wirklich versucht, dem Burschen auf die Sprünge zu helfen und ihm etliche Chancen gegeben“, sagt Paramor, einst Amateur-Champion der englischen Grafschaft Surrey. „Aber er hat mich echt in die Enge getrieben mit seiner Trödelei. Irgendwann musste ich handeln.“

Strafschläge für Woods, DQ für Harrington

Paramor war es auch, der Jordan Spieth 2017 bei der Open Championship in Royal Birkdale den „Befreiungsschlag“ von der Driving Range erlaubte, der den Texaner letztlich zum Champion Golfer of the Year machte. Der Vorfall wurde damals viel diskutiert, Paramors Entscheidung aber nie in Zweifel gezogen.

„Wenn John über die Golfregeln spricht, dann hören die Leute zu“, sagt Andy McFee über seinen Kollegen und Freund. „Er ist emphatisch und schwer, hat Würde und Ehrwürdigkeit.“ Und natürlich hat auch McFee seine Anekdoten. Beispielsweise die mit Tiger Woods, als er dem Superstar bei der 2013er Abu Dhabi Championship wegen eines falschen Drops zwei Strafschläge ankreiden musste, wodurch Woods den Cut verpasste. Oder die Disqualifikation des aktuellen europäischen Ryder-Cup-Kapitäns Padraig Harrington, nachdem sich vor der Finalrunde des Benson & Hedges International im Jahr 2000 herausstellte, dass der mit fünf Schlägen Vorsprung führende Ire seine Scorekarte für Runde eins zu unterschreiben vergessen hatte.

Nachfolger Litton tritt in große Fußstapfen

Dieses Beispiel führt ohne Umschweife zu John Paramors Wunsch für die Zeit nach Paramor und McFee. „Ich möchte, dass die Spieler mehr Verantwortung übernehmen“, sagt der 65-Jährige. „Andererseits verstehe ich auch, warum sie es oft nicht tun. Es geht um zuviel, und sie wollen sich absichern. Trotzdem: Wenn der Ball in einem Wasserhindernis, auf einem Sprinkler oder auf einem Cartweg landet, dann muss man deswegen nicht den Schiedsrichter befragen. Wenn wir das irgendwann erreichen, wäre ich glücklich. Es hat mir nichts ausgemacht, gerufen zu werden. Aber manchmal habe ich mich schon gefragt, warum ich da jetzt hin muss.“ Mark Litton, der Nachfolger als Chief Referee der European Tour, tritt in große Fußstapfen.

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