Panorama

Elisabeth Esterl: „Schön, die weibliche Version von Golf zeigen zu können“

15. Sep. 2023 von Michael F. Basche in Gneven, Deutschland

Ehemalige deutsche Nummer eins, zweifache LET-Gewinnerin, Solheim-Cup-Siegerin: Elisabeth Esterl. (Foto: WINSTONgolf Senior Open/Stefan von Stengel)

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Rückkehr auf die Turnierbühne: Elisabeth Esterl war Anfang der 2000er-Jahr die erfolgreichste deutsche Proette, jetzt tritt die 47-Jährige bei der heute beginnenden WINSTONgolf Senior Open in Gneven bei Schwerin gegen die Stars der Legends Tour an. Nach dem Vorbild des Scandinavian Mixed von DP World Tour und Ladies European Tour, das die Schwedin Linn Grant 2022 sogar gewonnen hat, spielen Esterl und ihre Kolleginnen Catrin Nilsmark (Schweden) sowie Patricia Beliard (Frankreich) im direkte Vergleich mit den Männern an, schlagen indes von den Damen-Tees ab.

WINSTONgolf und Langer Sportmarketing als Promoter des nunmehr mit 450.000 Euro dotierten Turniers haben für den „Kampf der Geschlechter“ bei Ü45-Spielerinnen der LET und sogar bei Superstar Annika Sörenstam angefragt und sehr positive Resonanz erhalten. Viele der Ladies, allen voran die zehnfache Majorsiegerin Sörenstam, sind allerdings beim Solheim Cup kommende Woche und sogar beim Ryder Cup in der Woche drauf eingespannt. Dazu kommt, dass es – im Gegensatz zu den Herren – für die weiblichen Legenden keine Turnierserie gibt, sodass vielen die Turnierpraxis und der Wettkampfschliff fehlen. „Es ist ein Experiment“, sagt denn auch Peter Zäh von Langer Sportmarketing.

Eins, das gern Bestand haben darf, um Damengolf auch auf dieser Ebene ins Rampenlicht zu rücken. Elisabeth Esterl jedenfalls ist für den Einsatz auf dem anspruchsvollen, von Architekt David Krause komplex designten WINSTONlinks-Kurs nahe Mecklenburg-Vorpommerns Landeshauptstadt wieder regelrecht ins Training eingestiegen – erstmal freilich musste sie ihr 15 Jahre altes Schlägersortiment mit ein paar aktuellen Modellen updaten. Golf Post hat sich nach dem Pro-Am mit der ehemaligen deutschen Nummer eins und zweifachen LET-Siegerin unterhalten.

Sie spielen erstmal auf dem WINSTONlinks, der durchaus polarisiert. Wie ist Ihr Eindruck?

Elisabeth Esterl: Wahnsinn! Einfach traumhaft Ehrlich gesagt hätte ich nicht gedacht, dass es sowas Aufregendes in Deutschland gibt. Ich kenne nicht jeden deutschen Platz, aber das hier ist schon Weltklasse. Wenn du reinfährst, kommt es dir vor, als seist du irgendwo in Schottland. Der Platz ist sehr herausfordernd, eine gute sportliche Herausforderung: Du musst wirklich den Ball unter Kontrolle haben und dein komplettes Schlagrepertoire drauf haben. Irgendwann wird man auch mental richtig müde, weil man ständig fokussiert sein muss. Der WINSTONlinks ist halt keine Autobahn, wo du einfach draufhauen kannst –du musst wirklich bei jedem Schlag das Hirn einschalten. Auf einem einfachen Platz kann jeder gut spielen, doch hier musst du was auf dem Kasten haben: Es ist wirklich ein Kurs für denkende Spieler.

Fordert den denkenden Spieler: Der WINSTONlinks aus der Feder von David Krause. (Foto: Michael F. Basche)

Gibt es aus Ihrem Erfahrungsschatz einen vergleichbaren Platz?

Elisabeth Esterl: Vom Anspruch her würde den Emirates Golf Club in Dubai nennen, wo ich einige Jahre gelebt habe. Auch dort brauchst du ein ordentliches Skills Set, brauchst Shot Making, den Ball richtig platzieren, um ihn auch bei Fehlern im Spiel zu halten. Taktisches Spiel ist nötig, und das mag ich, das fordert mich heraus.

Was haben Sie gedacht, als die Anfrage zur WINSTONgolf Senior Open kam?

Elisabeth Esterl: Ich habe spontan und gern Ja gesagt, obwohl mir anfangs schon etwas mulmig war. Ich bin wirklich schon acht Jahre im golferischen Ruhestand und spiele sehr wenig, vielleicht zehn Mal im Jahr. Plus Charity-Auftritte. Wenn das mal 30 Jahre lang dein Beruf war, dann gehst du einfach bloß zum Spaß raus, machst drei Probeschwünge und manchmal geht’s, manchmal nicht. Das reizt mich nicht. Ich brauche etwas, worauf ich hinarbeiten kann.


Elisabeth Esterl (geboren am 29. August 1976 im niederbayerischen Dingolfing) wechselte 1997 nach einer erfolgreichen Amateurlaufbahn ins Profilager, gewann auf der Ladies European Tour (LET) 2003 die Tenerife Ladies Open und 2004 die KLM Ladies Open, platzierte sich überdies bei 18 weiteren Turnieren in den Top-Fünf. Beim Solheim Cup 2002 in Minnesota, den die USA wegen der 9/11-Anschläge 2001 um ein Jahr verschoben hatten, war sie als Travelling Reserve dabei; 2003 kam sie im Barsebäck Golf & Country Club in Schweden zum Einsatz und steuerte 1,5 Punkte aus drei Partien zum letztlichen 17,5:10,5 der europäischen Equipe über die US-Auswahl bei.

Mittlerweile lebt Esterl die Hälfe des Jahres in Niederbayern und während der Wintermonate in Portugal, wo auch die Stoffe und Kollektionen für ihre Bekleidungsfirma Esterl Golf (Untertitel: By Players For Players) fabriziert bzw. geschneidert werden. Teile der Kollektion sind aus Recycling-Fasern, was Esterl Golf noch nachhaltiger macht. „Ich war während meiner aktiven Zeit schon als die farbenfrohste Spielerin im Feld bekannt“, sagt Elisabeth Esterl, die daraus und aus ihrer Tierliebe eine spezielle Design-Philosophie mit „tierisch tollen“ und der Natur entnommenen Motiven gemacht hat. Teile der Erlöse kommen über die Frankie Foundation der Hilfe für Straßenhunde und -Katzen oder Tierschutzorganisationen zugute. Die Stiftung ist nach dem durch ein Auto umgekommenen Teil ihres adoptierten Katzenduos Frankie und Tommy benannt, die ihre Namen wiederum vom 2018er-Ryder-Cup-Erfolgsduo Molinari-Fleetwood haben. (esterlgolf.com)


Also sind Sie noch mal voll ins Training eingestiegen?

Elisabeth Esterl: Eigentlich schon. Ich hätte sicher auch so die Kugel irgendwie durch die Gegend schlagen können, doch das macht mir keinen Spaß. Ich möchte den Ball schon gut treffen, daher habe ich viel an meinen Schwung gearbeitet und einiges umgestellt. Das hat mich gereizt: ein sportliches Ziel vor Augen zu haben.

Und dann war da noch die Sache mit dem Equipment?

Elisabeth Esterl: Ja, als dann das endgültige Go kam, musste ich erstmal meine Schläger entrosten (Lacht). Mein Driver beispielsweise war ungefähr 15 Jahre alt. Damit kann ich hier doch nicht antreten, die Jungs lachen mich ja aus. Glücklicherweise habe ich einen Bekannten, der einen halben Pro-Shop im Keller hat, den habe ich gefragt: Hast Du bitte mal einen Driver für mich? Und ein paar aktuelle Hölzer? Meine Eisen und mein Putter sind allerdings noch original von damals.

Schade, dass es keine Legends Tour für Damen gibt, oder?

Elisabeth Esterl: Ach, ich glaube, ich könnte das nicht mehr. Und ich will es auch nicht mehr. Es war eine wunderschöne Zeit auf der Tour. Ich habe das 17 Jahre gemacht, plus die Amateurzeit zuvor. Jetzt mag ich es einfach, zu Hause zu sein, mit meinem Mann, mit meinen Tieren, in meinem eigenen Bett zu schlafen, mein eigenes Essen zu haben. Und ich habe ein Geschäft zu führen. Ich könnte mir nicht vorstellen, wieder auf die Tour zu gehen.
Solche Trips wie hier zur WINSTONgolf Senior Open macht man natürlich gern. Es ist schön, mit den Jungs zu spielen und sich auszutauschen. Anfangs dachte ich, dass es vielleicht Ressentiments gibt, weil wir drei Mädels jemandem den Startplatz wegnehmen, der mit Turniergolf sein Geld verdient. Aber wir wurden super aufgenommen.

Das Damen-Trio bei der WINSTONgolf Senior Open: Catrin Nilsmark, Elisabeth Esterl, Patricia Beliard. (Foto: WINSTONgolf/Stefan von Stengel)

Dieses Mixed-Turnier ist ja auch eine gute Gelegenheit, der Öffentlichkeit die Qualitäten des Damengolf nahezubringen.

Elisabeth Esterl: Ja, ich hoffe, dass wir das zeigen können. Natürlich ist der Platz für uns Proetten schon sehr lang und anspruchsvoll. Durch die unterschiedlichen Teeboxen sind wir nach dem Abschlag zwar auf gleicher Höhe, doch wo die Herren – sagen wir – ein Eisen 8 ins Grün hauen, müssen wir ein Eisen 6 nehmen. Und dann den Ball wie mit einem Achter zum Halten zu bringen, geht nun mal nicht. Die Männer können den Ball auf zwei Meter an die Fahne hauen, unsere Kugeln rollen sechs Meter aus. Ich glaube, das wird das größte Thema sein. Es ist einfach schwierig, für Herren- wie Damengolf komplett gleiche Voraussetzungen zu schaffen. Ganz fair wäre es, wenn alle mit demselben Eisen ins Grün schlagen müssten (Lacht). Dazu kommt, dass der Platz durch den Regen der vergangenen Tage weich ist, sodass der Bounce fehlt und die Bälle schnell liegen bleiben. Wir Damen leben ja schon etwas vom Roll. Aber egal, wir sind dankbar, dass wir hier dabei sein dürfen.

Genau, Damengolf zu demonstrieren, ist doch sicher eine Motivation?

Elisabeth Esterl: „Absolut. Es ist schön, dass wir hier mitspielen und die weibliche Version von Golf zeigen dürfen. Schon für unsere Amateur-Partner heute beim Pro-Am war das sicher ein Eye Opener: Ein Freizeitgolfer kann sich von den Frauen viel mehr abschauen als von den Männern. Was die McIlroys und DeChambeaus abliefern, ist brutal. So weit wie die schlagen, fliege ich in den Urlaub (Lacht). Das ist ein absolutes Power Game, und das haben wir Frauen nicht. Dafür haben wir andere Skills, sind unter 100 Metern extrem präzise und so weiter. Und die schöneren Beine haben wir sowieso (Lacht).

Auch sonst wissen Turnierveranstalter und Pro-Am-Flightpartner die Attitüde der Proetten sehr zu schätzen. Das war dieses Jahr beim Amundi German Masters beispielsweise deutlich wahrzunehmen.

Elisabeth Esterl: Ich weiß aus meinen Amateurzeiten noch sehr gut, wie nervös man bei einem Pro-Am am ersten Abschlag ist. Und ich habe Pros erlebt, die während der gesamten Runde kein Wort mit uns geredet haben. Ich war enttäuscht, aber es war mir auch eine Lehre: Also lockere ich die Atmosphäre etwas auf, mache Jokes, gebe Tipps und gehe auf meine Mitspieler ein. Die wissen nach drei Jahren nicht mehr, ob ich irgendwo ein Birdie gespielt habe, jedoch sehr wohl noch, wie ich mich auf der Runde ihnen gegenüber verhalten habe.
Ich glaube, wir Frauen kümmern uns einfach mehr um unsere Flightpartner – vielleicht weil Frauen generell ein Helfersyndrom haben (Lacht). Nein, Spaß beiseite, wir sind nun mal nicht so privilegiert wie die männlichen Professionals und wissen, wie wichtig die Sponsoren für uns sind.

Sie waren in den Jahren 2002 als Reservistin und 2003 als Aktivposten der europäischen Equipe die erste deutsche Spielerin beim Solheim Cup. Wie schauen Sie auf das anstehende Duell mit den Amerikanerinnen?

Elisabeth Esterl: Tatsächlich bin ich sehr nahe dran. Denn kommende Woche stehe ich mit einer Reisegruppe am ersten Tee von Finca Cortesin. Wir sind drei Tage beim Solheim Cup, ich erzähle ein paar Insider-Stories, bringe die Gäste einfach näher ran an das Geschehen. Anschließend spielen wir dann selbst noch Golf auf diversen Plätzen in Andalusien.

An Insider-Stories wären wir auch interessiert …

Elisabeth Esterl: „Es einfach unglaublich, wie ein derartiges Event Individualsportlerinnen und eigentliche Konkurrentinnen, unterschiedliche Nationalitäten und Charaktere zudem, für eine Woche zu einem Team schweißt, wie alle eins werden – inklusive der Caddies. Für Außenstehende ist kaum vorstellbar, was da für eine Dynamik entsteht. Das habe ich beide Male gespürt – eine Wahnsinnserfahrung.

Und Ihr Tipp?

Elisabeth Esterl: Ich hoffe natürlich auf einen Erfolg der Europäerinnen und die Titelverteidigung, ist ja klar. Ich glaube indes, dass es eine enge Kiste wird. Im Matchplay kann alles passieren. Andererseits gibt es den Heimvorteil und das überwiegend heimische Publikum, außerdem spielen die Europäerinnen wie immer mit viel Herz. Kurz: Ich bin wirklich gespannt.

Frau Esterl, besten Dank für das Gespräch und schönes Spiel bei den WINSTONgolf Senior Open.

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