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Eine Doku der Doppelzüngigkeit: Rahm „im düsteren Pantheon des Sportverrats“

11. Dez. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

„Wir brauchen Jon für Bethpage Black“: Rory McIlroy rollt Jon Rahm für 2025 den Teppich aus – Pragmatismus, Fatalismus oder ein bisschen Opportunismus? (Foto: Getty)

Screenshots sind keine Profiporträts: Es kursieren Bildschirmschüsse von Jon Rahms Auftritt beim Trump-TV-Sprachrohr Fox, da schaut der Spanier ein bisschen seltsam drein, während er seinem Interviewer Bret Baier in einem „Special Report“ die Beweggründe für den Wechsel zur LIV Golf League erzählt – jenem Bret Baier übrigens, der vor drei Wochen ein exklusives Gespräch mit Rahms neuem De-Facto-Chef führen durfte, dem saudi-arabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Höchstmaß an Heuchelei und Habgier

Wie auch immer, Screenshots und Mitschnitte kursieren nun durchs Netz, versehen mit nicht immer freundlichen Kommentaren: „Der leere LIV-Blick“ beispielsweise. Oder, in Anspielung auf Rahms Wohnort und in Abwandlung eines Edgar-Wallace-Titels: „Die toten Augen von Arizona.“ Kein Wunder, ist man geneigt zu denken, da hat ja auch gerade einer seine Seele verkauft. Für eine Garantiegage von 600 Millionen Dollar, heißt es. Oder 450 Millionen. Egal, es ist obszön. Für ein zu gründendes LIV-Team, an dem der zweifache Majorsieger 25 Prozent halten und sein Ausrüster Callaway ebenfalls Anteile bekommen soll, was Spekulationen bezüglich weiterer Wechsel von Callaway-Spieler nährt. Für ein paar Änderungen im Spielmodus des Konkurrenz-Circuits vielleicht.

 

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Nach all dem Growing-the-Game-Gefasel, nach dem Gegreine bereits millionenschwerer Golfprofis übers Wohl der Familie, nach den astronomischen Summen für Dustin Johnson und Co. haben Heuchelei und Habgier ein neues Höchstmaß erreicht – eins, das man in Summe und in Person nicht für möglich gehalten hätte.

Rahm ist an seinen Aussagen zu messen

Der Autor ertappt sich dabei, des Kommentierens allmählich müde zu werden und ein bisschen Haltung zu reklamieren wider all den Mainstream aus Whataboutismus, Neidgeblaffe und Work-Life-Balance-Alibisierungen. Wie wohltuend, dass „Golf Digest“ anlässlich von Rahms Richtungswechsel umgehend einen Artikel rausgehauen hat, in dem der Kollege Coleman Bentley sich an einer Einordnung von „Jon Rahms Wechsel zu LIV Golf im düsteren Pantheon des Sportverrats“ versucht. Man ist doch nicht ganz allein. Eigentlich ist damit auch alles gesagt.

Aber so einfach soll der Spanier nun nicht davon kommen. Messen wir ihn und seine Entscheidung einfach an seinen Aussagen. Also, statt vieler, immer neuer Worte über den uralten Zwist zwischen Moral und Mammon nachfolgend ein paar der Statements von Jon Rahm in Sachen LIV Golf aus den vergangenen zwei Jahren. Es ist eine Dokumentation der Doppelzüngigkeit:

„Meine Treue gehört der PGA Tour

Februar 2022: „Dies ist das offizielle und einzige Mal, bei dem ich klarstelle, dass meine Treue der PGA Tour gehört. Ich bin Mitglied des Spielerbeirats und habe großes Vertrauen in [Commissioner] Jay Monahan und das Produkt. Ich glaube nicht, dass die Saudi-Liga das Beste für mich und für meine Zukunft im Golf ist. Der einzige Anreiz, den ich sehe, ist der finanzielle Aspekt. Aber auf der PGA Tour kann man um viel mehr spielen als nur um Geld. Da ist die Geschichte, da ist die sportliche Bedeutung, das Vermächtnis. Am Ende des Tages geht es mir darum, Turniere zu gewinnen und gegen die Besten der Welt zu spielen.“

„Nie aus finanziellen Gründen gespielt“

Juni 2022: „Die PGA Tour hat einen großartigen Job gemacht und uns die beste Plattform für unsere Leistungen geboten. Um ehrlich zu sein, ist ein Teil des LIV-Formats für mich nicht wirklich ansprechend. Dreitages-Events, Shotgun-Starts, kein Cut – das ist für mich kein Golfturnier. So einfach ist das.“

„Ändert sich der Lebensstil, wenn ich 400 Millionen Dollar bekomme? Nein, kein bisschen. Mit dem, was ich bis jetzt verdient habe, könnte ich mich zur Ruhe setzen, ein sehr glückliches Leben führen und nie wieder Golf spielen. Aber ich habe nie aus finanziellen Gründen gespielt, sondern aus Liebe zum Spiel. Es hat eine Bedeutung, wenn man Jack Nicklaus’ Memorial oder Arnold Palmers Turnier in Bay Hill gewinnt. Mein Herz ist bei der PGA Tour.“

„Wenn Geld dein Ziel ist, ist LIV der richtige Weg“

November 2022: „Wenn ich meinen Terminkalender aufstelle, wenn ich trainiere, wenn ich auf den Platz gehe, dann denke ich nicht wirklich an Geld. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich zu LIV gegangen, oder? Wenn Geld dein Ziel ist, dann ist das eindeutig der richtige Weg. Jede Entscheidung, die ich in Bezug auf Golf treffe, zielt jedoch darauf ab, der beste Spieler zu werden, der ich werden kann.“

Januar 2023: „Viele von uns sehen die Richtung, in die sich die PGA Tour bewegt. Sie nehmen die notwendigen Änderungen vor, um sich ans neue Zeitalter anzupassen, und ich denke, das ist für alle besser.“

„Bin dankbar und muss nicht entschädigt werden“

Juli 2023: „Wir hatten alle die Möglichkeit, zu LIV zu gehen und das Geld zu nehmen, und wir haben uns aus den verschiedensten Gründen dafür entschieden, auf der PGA Tour zu bleiben. Ich verdiene viel Geld, habe ein erstaunliches Einkommen, und das alles ist nur möglich, weil die PGA Tour mir eine Plattform bietet. Dafür muss ich nicht entschädigt werden, ich bin sehr dankbar. Meiner Meinung nach haben sie genug für mich getan, und sie sollten sich darauf konzentrieren, die PGA Tour und den Golfsport für künftige Generationen zu verbessern.“

„Ich habe das Format nie gemocht“

August 2023: „Ich lache, wenn die Leute Gerüchte über mich und LIV Golf verbreiten. Ich habe das Format nie gemocht.“

Jetzt gilt das alles nicht mehr, obwohl sich bei LIV nichts geändert hat. In den Wind geschlagen von ein paar Schubkarren voller Schotter. Jeder hat anscheinend einen Preis, Rahm hat seinen genannt und bekommen. Der Euphemismus für derartige Biegsamkeit lautet: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.

 

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Enge Verbindung zu den Mickelsons, selber Manager

Bei all dem ist Rahms LIV-Liaison letztlich logisch. Immerhin ist da die langjährige Beziehung zu den Mickelsons – wenngleich Rahm unlängst noch erklärt hatte, „Lefty“ habe ihm mehrfach gesagt: „Es gibt für Dich keinen Grund, für LIV zu spielen“. Jetzt hat er 600 Millionen Gründe. Phil Mickelsons Bruder Tim, heute Caddie des sechsfachen Majorsiegers und damals Golfcoach der Arizona State University, hat Rahm vor vielen Jahren in Barcelona entdeckt und in die USA geholt. Er war sein Mentor und später sein Agent. Diesen neuerdings erst recht lukrativen Job hat mittlerweile Steve Loy, der gleichermaßen Phil Mickelsons Manager ist. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Bisher nur Nummer 3 hinter Woods und McIlroy, …

Noch ein Punkt wird gern übersehen. Rahm fühlt sich auf der PGA Tour unter Wert berücksichtigt. Mit zwei Major-Erfolgen und elf weiteren Toursiegen in den vergangenen fünf Jahren ist er fraglos der beste Golfer der Welt, bloß nicht nach Reputation und Prestige, Einfluss und Stimme. Diesbezüglich war er immer die Nummer drei hinter den Top-Testimonials und Wortführern Tiger Woods und Rory McIlroy. Nun geht er einen Weg, den Dustin Johnson, Bryson DeChambeau und Co. geebnet haben.

… nun das Gesicht der LIV-Liga

Sie sind beim Wechsel durchs Feuer der Kritik gegangen: Rahm setzt sich vergleichsweise ins nunmehr gemachte Nest, wird für ein paar Jahre das Gesicht der LIV-Liga, bevor er dank irgendeiner Einigung auf die PGA Tour zurückkehrt, und kriegt dafür mehr Geld als jeder andere in Greg Normans Operettenliga.

Das sportliche Ungemach des Überläufers hält sich ebenfalls in Grenzen: Dank seines Masters-Triumphs vom April ist Rahm für fünf Jahre bei allen Majors spielberechtigt – in dem Zeitraum wird sich irgendeine Lösung für die Qualifikation von LIV’lern finden. Und was die Teilnahme am Ryder Cup betrifft, so hat ihm Rory McIlroy für 2025 ja bereits den Teppich ausgerollt.

Al-Rumayyan reibt sich die Hände

Das Ganze hat aber noch eine völlig andere Dimension. Rahms Verpflichtung ist weit mehr als neue Starpower-Politur für ein Produkt von eher zweifelhaftem sportlichen Wert; mehr als nur die Wiederaufnahme des Werbens um Tourpersonal, das ein paar Monaten eingefroren war; mehr als bloß erneute Genugtuung für Greg Norman, der seinem Erzfeind PGA Tour damit noch mal so richtig eins ausgewischt hat.

Überlagert wird alles von den Verhandlungen zwischen PGA Tour und saudi-arabischem Staatsfond PIF, die bekanntlich in einer profitorientierten Unternehmung namens PGA Tour Enterprises gemeinsame Sache machen wollen. Während Commissioner Jay Monahan und das Policy Board mit Woods als Frontrunner sich Gedanken machen sollten, wie es um das ernsthafte Interesse eines potenziellen Partners an Ehrlichkeit und Einigkeit bestellt ist, der anderseits munter im Revier des (gutgläubigen) Gegenübers wildert, dürfte PIF-Chef Yasir Al-Rumayyan sich ob des Coups vergnügt die Hände reiben.

Rahm als Hebel für Verhandlungen mit der Tour

Rahm ist mindestens ein Hebel, den er bei den eher mühsamen, festgefahrenen und wenig prospektiven Verhandlungen ansetzen kann: Seht her, ich bin stärker als ihr. Ich brauche euch nicht wirklich, kriege auch so, was ich will. Also einigt euch besser mit mir. Dann ist Rahm wenigstens nicht auf Dauer weg. Oder macht mir ein besseres Angebot, damit ihr ihn wiederbekommt. Womöglich ist das Rahm-Outing letztlich sogar ein Zeichen, dass dem Saudi die Sache aussichtslos erscheint oder seinen Machtansprüchen nicht genügt und er wieder voll auf die Karte LIV setzt. Dann wäre der 31. Dezember als Frist für die Umsetzung des am 6. Juni verkündeten Rahmenabkommens längst Makulatur.

Strategic Sports Group als zweiter Verhandlungspartner

Dazu passt, dass sich aus dem Defilee der sonstigen Freier endgültig ein veritabler Nebenbuhler heraus kristallisiert hat, der auch beim US-Senat auf viel Gegenliebe stoßen dürfte: das von der Fenway Sports Group geführte Konsortium aus Hochkarätern des US-Sportsbusiness, mittlerweile als Strategic Sports Group (SSG) firmierend. Die PGA Tour hat gestern bekannt gegeben, dass man bezüglich kommerzieller Kooperationen nur noch mit dem PIF sowie der SSG verhandele, betont indes weiterhin tapfer die PIF-Priorität. In Ponte Vedra Beach hält man sich wenigstens irgendwie ans Rahmenabkommen.


Das SSG-Konsortium: Marc Attanasio (Milwaukee Brewers/Baseball); Arthur Blank (Atlanta Falcons/Football); Cohen Private Ventures (New York Mets/Baseball); Wyc Grousbeck (Boston Celtics/Basketball); Tom Werner und John Henry (Boston Red Sox/Baseball, FC Liverpool/Fußball und andere); Tom Ricketts (Chicago Cubs/Baseball); Marc Lasry (Milwaukee Bucks/Basketball); Gerry Cardinale (Anteil am AC Mailand)


Misst McIlroy mit zweierlei Maß?

Und zum Schluss noch ein Thema: Was ist eigentlich mit Rory McIlroy los? Sein Ryder-Cup-Plazet zugunsten von Rahm lässt aufhorchen. Misst Europas Emotional Leader in seiner Sorge um ein schlagkräftigen 2025er-Team mit zweierlei Maß, wo er zuvor in Sachen LIV-Spieler eher gnadenlos war? „Für Rom haben wir keinen [von den LIV-Spielern]gebraucht“, hat er dieser Tage wiederholt und angefügt: „Aber wir brauchen Jon für Bethpage Black.“

 

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Pragmatismus? Oder Fatalismus angesichts der „veränderten Golflandschaft“? Gar ein Hauch Opportunismus? Man wird ja noch mal fragen dürfen. Rahm hat sich jedenfalls bereits artig für den Gunstbeweis bedankt:

 

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