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Diagnose Degression: PGA Tour wird zum Opfer eigener alter und neuer Fehler

08. Mrz. 2024 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Foto: Getty)

Selbstverschuldete Misere: Tim Finchems Fehler, der aktuelle "Commish" Jay Monahan und sein wichtigster Mann im Vorstand von PGA Tour Enterprises, Paul Azingers Armutszeugnis für die Tour. (Foto: Getty)

Paul Azinger hat dem Magazin „Golfweek“ vergangene Woche ein viel beachtetes Interview gegeben. Darin ging es vorwiegend um die überraschende Ad-hoc-Entlassung des US-Ryder-Cup-Kapitäns von 2008 als Chef-Analyst des TV-Senders „NBC“, und „Zinger“ teilte kräftig aus, nannte den verantwortlichen Manager gar ein „real A-Hole“.

„PGA Tour zum Qualifier für LIV geworden“

Nun muss es hierzulande wahrlich nicht interessieren, was die amerikanische Medienbranche an Schmutzwäsche ausbreitet, aber eine Bemerkung des 64-Jährigen lässt aufhorchen, als Azinger vernichtendes Urteil über die PGA Tour fällt. „Die besten Spieler sind doch hier gar nicht mehr am Start“, diktierte er seinem Gesprächspartner Adam Schupak ins Notizbuch. „Sagen wir mal so: Die PGA Tour ist ganz schnell zum Qualifier für LIV geworden, und das ist ein trauriger Tag für den Golfsport.“

Bäääm, der hat gesessen. Azingers Armutszeugnis für den Sportbetrieb des Establishments passt zur Stimmung in den USA. Tagaus tagein gewinnen auf der Tour seit Saisonbeginn die Außenseiter, die sogenannten „Longshots“, Profis mit Siegquoten, die jeden glücklich machen, der auf sie gewettet hat. Klar, sie waren in dem Augenblick die Besten, es zeigt auch die Leistungsbreite – das Publikum hingegen vermisst die Idole. Rory McIlroy, Scottie Scheffler, Jordan Spieth oder Rickie Fowler sind zwar präsent, mischen indes bislang nicht vorn mit. Sportlich jedenfalls nicht. Doch der Sport lebt nun mal von erfolgreichen Aushängeschildern und Identifikationsfiguren. Das sind die Gesetze des Business.

Prompt gehen die Quoten auf Sinkflug. Noch nicht in den Keller, aber fünf Prozent weniger Zuschauer beim Genesis Invitational 2024 – trotz Tiger Woods – dürfen durchaus nachdenklich stimmen. Um mit dem Zitat eines ehemaligen deutschen Fußballbundestrainers zu hantieren: Die Breite an der Spitze ist in diesem Fall nicht dichter geworden, sondern eher arg ausgedünnt. Oder anders: Es fehlen ein paar Jungs, die immer für Top-Plätze auf den Leaderboards der PGA Tour gut waren und jetzt in der saudi-arabischen Operettenliga LIV „für weniger Aufwand mehr Geld kriegen“ (Jon Rahm). Dass die Fans des Tauziehens der Touren ohnehin müde werden, macht es nicht besser.

Selbstgefälligkeit und mangelnde Weitsicht

Und irgendwie scheint es, als werde die PGA Tour gerade Opfer ihrer eigenen Fehler. Denn Hand aufs Herz: Dass der einstige Monopolist nun zum Spielball von Saudi-Arabiens geopolitischen Interessen und der Ambitionen von Riads Wirtschaftswesir Yasir Al-Rumayyan geworden ist, hat sie zuvorderst sich selbst sowie der Selbstgefälligkeit und einer mangelnden Weitsicht zu „verdanken“, mit der sie seit Jahrzehnten agiert.

LIV wäre vermeidbar gewesen

Beispielsweise, als man 2019 der Premier Golf League die Tür vor der Nase zuknallte, die mit saudi-arabischem Geld und einem Format, das ihr später von LIV-Impresario Greg Norman geklaut wurde, um eine Zusammenarbeit mit der PGA Tour buhlte. Weil eine mögliche Kooperation am Veto namhafter Spieler scheiterte wie schon Greg Normans Vorstoß hinsichtlich einer World Tour in den 1970er-Jahren, beschlossen die düpierten Saudis mit all ihren Milliarden aus dem Staatsfonds PIF (Public Investment Fund) einen gänzlich eigenen Weg zu gehen.

Oder als DP-World-Tour-Chef Keith Pelley 2021 im Kielwasser jenes ominösen Malta-Meetings und der Präsentation von Saudi-Repräsentanten ein Treffen zwischen PGA-Tour-Commissioner Jay Monahan und Yasir Al-Rummayyan anregte, dem sich der „Commish“ freilich brüsk verweigerte, weil er die heraufziehende Gefahr völlig unterschätzte. Viele sagen, Pelley hätte damals einen eigenen Deal der DP World Tour mit dem noch als Super Golf League firmierenden Konstrukt aushandeln müssen, doch dem Kanadier waren durch die Strategische Allianz mit dem großen Bruder in Amerika bereits die Hände gebunden.

Krieg auf Basis von Geld ist nicht zu gewinnen

Kurz: LIV wäre vermeidbar gewesen. Stattdessen hat sich die PGA Tour auf einen Krieg eingelassen, „der nicht zu gewinnen ist, wenn er bloß mit Geld geführt wird“. Das hat Monahan 2022 gesagt, als LIV mit der Beta-Version des Konkurrenz-Circuit materialisierte, und sich trotzdem aufs Armdrücken eingelassen und die PGA Tour an den Rand des wirtschaftlichen Abgrunds geführt. Um dann ein Jahr später zähneknirschend einräumen zu müssen: „Wir können nicht mit einer ausländischen Regierung konkurrieren, die über unbegrenzte Mittel verfügt“; man könne sich allein die Kosten der juristischen Auseinandersetzungen nicht mehr leisten.

SSG hätte Monahan wohl schon früher haben können

Also vollzog der „Commish“ eine dramatische Kehrtwende und fraternisierte mit einem Konkurrenten, den er zuvor nicht nur mehrfach abgewiesen, sondern vehement verteufelt hatte. Statt sich – wie der Untersuchungsausschuss des US-Senats zurecht angemahnt hat – erstmal im eigenen Land nach Unterstützung umzuschauen. Was er dann angesichts des Widerstands aus Politik und Spielerkreisen notgedrungen eh tun musste und mit dem Engagement der Strategic Sports Group (SSG) im neuen Unternehmen PGA Tour Enterprises ja auch erfolgreich umgesetzt hat, nicht zuletzt dank der Kontakte von Tiger Woods und Rory McIlroy ins US-Sportbusiness. Das hätte Monahan womöglich schon früher haben können – Fehler Nummer drei.

Deal mit dem PIF als Legitimation für Rahm

Jener am 6. Juni 2023 verkündete Pakt mit dem PIF schließlich hat alles konterkariert, was Monahan und die Tour zuvor reklamiert haben. Paladin Rory McIlroy wurde als Stimme des Systems verheizt –für nichts und wieder nichts – und dem spielenden Personal suggeriert, dass es doch legitim und ok sei, sich mit dem Feind und seiner Finanzkraft zu verbünden. Erst dieses Rahmenabkommen habe seine Haltung gegenüber LIV verändert und ihn umdenken lassen, hat Jon Rahm neulich bei „ESPN“ nochmal gesagt, der wohl als Normans bislang größter Coup gelten darf: „It opened my mind.“ Was zu beweisen war.

 

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Doch die Versäumnisse der PGA Tour reichen viel weiter zurück. Ein bisschen davon klingt in Monahans Satz übers finanzielle Fingerhakeln durch, ungewollt: „… wenn der Krieg bloß mit Geld geführt wird.“ Leider hat die PGA Tour auch kaum ein anderes Pfund, mit dem sie – nunmehr dank Hilfe von außen – wuchern kann. Was nicht Monahan, sondern schon seinem Vorgänger Tim Finchem anzukreiden ist. Nachdem der legendäre Commissioner Dean Beman mit der Begründung der Tournament Player Courses (TPC) eine Basis gelegt hatte, haben dessen Nachfolger verabsäumt, auf diesem Fundament zu errichten, was von den tourtreuen Spielern gern als „Legacy“ als Vermächtnis bezeichnet wird. Meist reden sie dann von den Majors oder von herausragenden Events auf dem Spielplan.

Normale PGA-Tour-Turniere haben keinen Nimbus

Sprich: Normale PGA-Tour-Turniere haben keinen Nimbus, keinen emotionalen Appendix. Es sind Fähnchen im Kalender, Stationen. Vielfach ohne Legende, ohne Leben. Austauschbar. Lieblos. Die Storys sind da, aber sie müssen halt erzählt werden: Mit Storytelling lassen sich Emotionen wecken und Menschen fesseln. Darin versagt die Tour seit jeher kläglich. Ebenso wie übrigens die PGA of America, der es seit Jahr und Tag nicht gelingt, ihrer PGA Championship einen ureigenen Mythos zu verabreichen.

Viktor Hovland hat das Manko neulich indirekt auf den Punkt gebracht, als er von seinem gewonnenen Memorial Tournament 2023 sprach. „Damit sind besondere Erinnerungen verbunden“, sagte der Norweger im Podcast „Son of a Butch“ des Golflehrers Claude Harmon III. „Dein Name steht auf der Tophäe neben all den anderen Namen, die wiederum mit Geschichten verbunden sind.“ Überdies, warf Harmon ein, „steht Jack [Gastgeber Jack Nicklaus] da und wartet auf Dich, wenn Du vom 18. Grün gehst.“ Hovland: „Ja, das ist ziemlich cool. Natürlich ist der Gehaltsscheck auch schön, aber vor allem an solche Begebenheiten erinnert man sich halt am Ende der Woche.“


„Geld ist wichtig, und jeder muss entsprechend bezahlt werden, auf faire Art und Weise, aber ich denke nicht, dass das allein die treibende Kraft und jede Woche ein Thema sein muss.“

Viktor Hovland


In der Wirtschaftsterminologie nennt man diese selbstverschuldete Misere der PGA Tour Degression: die relative oder absolute Verringerung einer Größe (PGA Tour) während die Bezugsgröße (Profigolf) gleichzeitig steigt.

Musik spielt demnächst bei PGA Tour Enterprises

Und nun? Tja, wie so oft wird mit Geld glattgebügelt, was der Mensch versaubeutelt hat. Die Musik spielt demnächst woanders, nämlich bei PGA Tour Enterprises, wo alles vor dem Zugriff der US-Steuerbehörden in Sicherheit gebracht wird, was den Gemeinnützigkeitsstatus der PGA Tour gefährden könnte: der komplette Kommerz, alle Signature Events, das Konzept einer World Tour. Dank der Milliarden des als SSG firmierenden Konsortiums aus US-Sportunternehmen geht’s auch ohne die Saudis, die allenfalls Minderheitspartner werden können, was wiederum den US-Senat besänftigen dürfte. Und Jay Monahan darf dort als CEO neben dem Vizevorsitzenden Tiger Woods noch ein bisschen den starken Mann spielen – goldener Handschlag nennt man das.

Schöne neue Golfwelt?

Übrig bleibt eine unterklassige PGA Tour, die tatsächlich zum Qualifier wird, nicht nur für LIV, sondern auch für den Zirkus von PGA Tour Enterprises; zur „Feeder“, also Zuliefer-Tour, eine Abwertung, die der DP World Tour längst attestiert wird. Die Hinterbänkler der PGA Tour, die jetzt die Leaderboards beherrschen, haben vor geraumer Zeit mit anwaltlicher Unterstützung zu Recht nachgefragt, was in dieser „schönen neuen Golfwelt“ aus ihnen wird. Übrigens: Von Europa ist bei alldem mal so gar nicht die Rede. Aber vielleicht hat Keith Pelley ja noch ein Abschiedsgeschenk in petto.

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