Back Nine

Champion-Golfer Brian Harman: Der „Metzger“ und das unwahrscheinliche Major

24. Jul. 2023 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Brian Harman gewinnt die British Open 2023. (Foto: Getty)

Brian Harman gewinnt die British Open 2023. (Foto: Getty)

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Sorry, wenn das etwas despektierlich wirkt, der Mann ist immerhin seit gestern Champion Golfer of the Year: Aber man kommt nicht umhin zu bemerken, dass dieser Golfprofessional, dem die englischen Revolverblätter den Spitznamen „Brian the Butcher“ (Brian der Metzger) verpasst haben, eher aussieht wie Dopey aka Seppl, der Jüngste der sieben Zwerge. Nur mit Dreitagebart. Am Samstagabend hat 54-Loch-Leader Brian Harman bei seiner Pressekonferenz nach dem Moving Day der 151. Open Championship ausführlich über seine Outdoor-Leidenschaft und seine Passion Jagd gesprochen, der 36-Jährige stellt Enten, Truthähnen oder Wapitis gern auch mal nur mit Pfeil und Bogen nach und zerlegt seine Beute vornehmlich selbst. Das war für die Medienmeute natürlich ein gefundenes Fressen, die vorher schon vom „Harmanator“ getextet hatte und flugs auf den „Butcher“ umschwenkte.

Gestern sicherte sich der wackere Waidmann Harman unter widrigsten Bedingungen seine bislang kapitalste sportliche Trophäe: die Claret Jug für den Gewinn des ältesten der vier Majors, ein Silberkännchen von 52,7 Zentimeter Höhe und für Golfer schier gralshafter Bedeutung. Ihn, den gerade mal zweifachen PGA-Tour-Titelträger aus den Jahren 2014 und 2017, hatte vermutlich niemand auf dem Zettel. Bloß Kollegen, die ihn gut kennen, wissen, was die Stunde geschlagen hat, wenn Harman auf die Pirsch geht. Das hat der Golfer aus Savannah/Georgia schon im College angedeutet, er war US Junior Amateur Champion, Amateur-Weltranglisten-Erster und Teilnehmer am Walker Cup (u. a. gegen Tommy Fleetwood), kam mit einer Preisgeld-Bilanz von rund 30 Millionen Dollar zur Open im Royal Liverpool Golf Club.

 

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In den vergangenen sechs Jahren landete Harman auf der PGA Tour 29 Mal in den Top Ten, so oft wie sonst keiner ohne Sieg. Bei der US Open 2017 war er geteilter Zweiter, bei der 150. Open Championship vergangenes Jahr in St. Andrews geteilter Sechster. US-Ryder-Cup-Kapitän Zach Johnson vergleicht seinen Freund und Nachbarn auf Sea Island in Georgia mit sich und dem eigenen Spiel: „Wir sind beide mutig und verlassen uns auf unsere Stärken. Uns ist egal, wie weit unser Ball vom Abschlag fliegt, wir haben andere Qualitäten.“

 

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Die hat Harman zur Genüge bewiesen, als er sich am Freitag auf dem Spitzenplatz einnistete. Er war Primus des Felds in Sachen Akkuratesse mit dem Driver, traf 75 Prozent der Fairways und 66,7 Prozent der Grüns, benötigte zudem im Schnitt lediglich 1,5 Putts pro Loch, womit er Zweitbester aller Wochenendteilnehmer war. Und am Ende der Tage von Hoylake war der Sohn eines Zahnarztes und einer Chemikerin, die beide keine Golfer sind, der Größte – obwohl er mit 1,70 Metern Körpergröße und 68 Kilo Gewicht einer der kleinsten Spieler auf der Tour ist.

 

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„Ich habe immer daran geglaubt, dass ich etwas Besonderes schaffen kann“, gestand Harman am Abend. „Ich habe keine Ahnung, warum es ausgerechnet in dieser Woche passiert ist, aber ich bin sehr dankbar dafür.“ Freilich, die Open war ein eher unwahrscheinliches Major, geträumt hat er nämlich eher von einem Triumph im Augusta National Golf Club: „Wenn man in Georgia aufgewachsen ist, geht es nur um das Masters. Doch als ich hierher kam, dachte ich: Wow, Mann, die Fans sind unglaublich. Hier versteht jeder etwas von Golf. Es war einfach ein Vergnügen, hier zu spielen.“ Ein bisschen Extra-Motivation gab’s, als ihm einer jener Fans am Samstag nach den beiden Bogeys zum Auftakt der Runde zurief: „Harman, Du hast nicht genug Mumm für so was wie hier.“

„Das hat geholfen“, gestand der Champion. Sprach’s und peilte umgehend die nächsten Aufgaben an: In seinem gut 400 Hektar großen Jagdrevier im Süden von Georgia wartet eine Menge Arbeit. „Ich war jetzt lange genug weg“, erklärte Harman. „Das Gras muss unbedingt gemäht werden.“

Die Gewinner: Sepp Straka, Tom Kim, Matt Jordan

Runner-up: Ein Sportwettbewerb kennt zumeist nur einen Sieger und viele Verliere. Doch diese 151. Open Championship hatte einige zweite Gewinner hinter Champion Golfer Brian Harman. Sepp Straka wurde bereits an anderer Stelle gewürdigt. Mit dem Österreicher auf dem zweiten Platz platzierten sich Jason Day (35), der PGA Champion von 2015 und einstige Weltranglistenerste, der seine Rückenprobleme im Griff hat und offenbar einen zweiten Frühling erlebt, sowie Tom Kim. Der 21-jährige Koreaner kam gestern an Krücken im Royal Liverpool Golf Club an, nachdem er bereits am Montag in seiner angemieteten Unterkunft ausgerutscht war und sich die Bänder im rechten Knöchel gedehnt hatte. Trotz der Beeinträchtigung lieferte der Jungstar am Wochenende Runden von 68 und 67 Schlägen ab und markierte gestern trotz zweier Bogeys zum Auftakt dank eines Eagle auf Bahn 5 und vier Birdies die Runde des Tages sowie seine bislang beste Major-Platzierung, die mit gut einer Million Dollar Preisgeld garniert wird. „Das Adrenalin, so toll unterwegs zu sein, hat die Schmerzen total überlagert“, befand Kim hernach. „Gut, dass ich wegen der Verletzung nicht aufgegeben habe.“

 

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Und dann ist da noch Royal-Liverpool-Mitglied und Hoylake-Bürger Matthew Jordan, der sein denkwürdiges Heimspiel am Donnerstag eröffnet hatte und gestern dank eines abschließenden Birdie mit einem geteilten zehnten Rang abschloss, nachdem er zuvor auf der 17 noch einen Schlagverlust hatte hinnehmen müssen. „Da ich meinen Abschlag auf die linke Seite der 18 verzogen und auch den zweiten ins Semi-Rough gesetzt hatte, lief ich nahezu die gesamte Distanz entlang der Absperrung, hinter der zahlreiche Freunde und Bekannte von mir standen und mir applaudiert haben“, erzählte der 27-Jährige gestern Abend. „Den dritten Schlag dann in Birdie-Reichweite auf dem Grün zu platzieren und zu verwandeln, war das i-Tüpfelchen auf der besten Woche meines Lebens.“ Die Top-Ten-Platzierung sicherte Jordan einen Scheck über 340.500 Dollar, das höchste Preisgeld seiner Karriere, und einen Startplatz bei der 152. Open Championship kommendes Jahr in Royal Troon.

 

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Die Verlierer: Rahm, McIlroy, Young, Fleetwood …

Geschlagen: Im Sport gilt aber gleichermaßen: Der Zweite ist immer auch der erste Verlierer. Womit wir bei Jon Rahm wären. Der spanische Masters-Champion mit seinem Kampfgeist war eigentlich zuvorderst auserkoren, in der Finalrunde dieser 151. Open Championship Druck auf 54-Loch-Leader Brian Harman. Doch Rahm war außerstande, seine 63er-Fabelrunde vom Moving Day zu wiederholen und mühte sich eher medioker über den Platz. Rory McIlroys Pulver war nach den drei Birdies in Serie auf den Löchern drei bis fünf auch nass, der Nordire geht nunmehr 2024 ins zehnte Jahr ohne Majorsieg und bemühte einmal mehr die eh sattsam bekannten Durchhalteparolen: „Ich hätte eine 63 oder 64 spielen müssen, doch unter den vorherrschenden Bedingungen war das wirklich schwierig. Aber ich bin beinahe jedes Mal vorn dabei, wenn ich antrete. Also kann ich wirklich nicht hier herumsitzen und allzu frustriert sein. Ich bin optimistisch, was die Zukunft angeht und schaue einfach weiter nach vorne.“

Abschließend noch ein Wort zu Cameron Young und Tommy Fleetwood. Von beiden hatte man sich am Sonntag ebenfalls sicher mehr erhofft. Young, der vergangenes Jahr auf dem Old Course noch auf den zweiten Platz vorgestürmt war, fand ebensowenig zu seinem Spiel wie Lokalmatador Fleetwood, der nach dem Triple-Bogey-Debakel auf der 17 erst recht wie ein – aufgrund des Regens wortwörtlich – begossener Pudel über die 18 schlich.

„Little Eye“ wird entschärft

Wirkungstreffer: Erfolgscoach Pete Cowen schimpfte über einen „Karriere-Killer“, Matt Fitzpatricks Caddie Billy Foster nannte es eine Monstrosität: Sein Spieler, Lokalmatador Tommy Fleetwood und Lucas Herbert beispielsweise spielten sich im Sand von „Little Eye“ um Kopf und Kragen, andere wie Brooks Koepka sprachen von einem interessanten kurzen Par-3, Travis Smyth „schoss“ dort am Freitag ein Ass – das neue 17. Loch von Royal Liverpool spaltete die Gemüter. Die umstrittene Schwalbe flog jedoch nur einen Sommer: Nach Informationen der Tageszeitung „The Telegraph“ wird das nur 126 Meter lange Biest aus der Feder von Architekt Martin Ebert überarbeitet. Auch den Mitgliedern des Clubs an der Mündung des Mersey missfällt „Little Eye“. Laut eines Insiders schon seit der Eröffnung 2019, weil es „erst recht bei Club-Wettbewerben alle möglichen Probleme verursacht und durch seine Schwierigkeit lange Verweildauern erzwingt, Rückstaus erzeugt und damit den Spielfluss hemmt“. Dem Bericht zufolge sollen der Abschlag und die rechte Grünseite angehoben werden, sodass am Rand landende Bälle nicht mehr zwingend in die dortigen Bunker rollen.

 

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Ein Shank an die Kanne?

Im Blickfeld: 38 Games lang stand die Claret Jug rechts vor dem ersten Abschlag von Royal Liverpool – bis auch das Spitzenduo Brian Harman und Cameron Young die Finalrunde der 151. Open Championship in Angriff genommen hatten. Sechseinhalb Stunden lang also. Für manche TV-Zuschauer war das auf Dauer eher ein nervös machender Anblick:

      How do they not shank it into the Claret Jug?
by      u/Hitthestinger in      golf

Zur Beruhig sei freilich gesagt, dass die kostbare Silberkanne gemeinhin hinter kugelsicherem Glas aufbewahrt wird – so, wie es einer der bedeutendsten Trophäen der gesamten Sportwelt angemessen ist. Und was Beschädigungen des Weinkrugs angeht: Da ist mehr Gefahr im Verzug, wenn die 52,7 Zentimeter hohe Kostbarkeit bei rauschenden Siegesfeiern mit Wein, Bier oder gar Jägermeister gefüllt und im Partyvolk herumgereicht wird. Deswegen kriegt der jeweilige Champion Golfer of the Year ja auch längst bloß eine Replika.

Wenn Golf mit Fußball kollidiert

Interessenskonflikt: Ja, gemeint sind die englischen Fans, die auch an den Fairways von Hoylake ihrer Fußballleidenschaft freien Lauf ließen. Rory McIlroy bekam Schmährufe von Anhängern des Klopp-Clubs FC Liverpool, weil der Nordire bekanntermaßen ein großer Freund von Manchester United ist. Und Rickie Fowler musste sich sogar „Feigling“-Anwürfe gefallen lassen, nachdem bekannt geworden war, dass er sich im Gegensatz zu Jordan Spieth und Justin Thomas aus der Investition in Leeds United zurückgezogen hatte, weil das Team aus der Premier League abgestiegen ist. „Damit muss man überall klarkommen, wo man hingeht. In den USA ist es nicht besser“, meinte Fowler und sagte zum Hintergrund seiner Absage: „Meine Finanzberater haben von dieser Investition abgeraten.“ Der Deal versprach offenbar nicht genug Rendite – wohl nicht zuletzt wegen des Verlusts von Leeds’ Rechten an den Erstliga-Einnahmen. Dem „Lautsprecher“ am Fairway-Rand empfahl Fowler übrigens: „Vielleicht sollte er dann sein eigenes Geld in den Club stecken.“

Erfolg für LET: Noch engere Partnerschaft mit John Deere

Intensivierung: Die Ladies European Tour (LET) und der Landmaschinenhersteller John Deere haben ihre Partnerschaft um drei Jahre verlängert und erweitert. Das ist eine schöne Bestätigung für die wachsende Bedeutung der LET. John Deere unterstützt das Damen-Profigolf durch Investitionen und Sachleistungen wie Beratung oder den Service mit Maschinen für die Vorbereitung der Turnierschauplätze. „Diese neue Vereinbarung sieht eine engere Zusammenarbeit unserer globalen Marken vor, um die Qualität und Konsistenz unserer internationalen Meisterschaftsplätze weiter zu verbessern“, sagte Fiona Harold. „Das Engagement von John Deere baut auf unserer 17-jährigen Partnerschaft auf und unterstreicht das gemeinsame Ziel, Damengolf in diesen aufregenden Zeiten zu fördern.“

Herman zieht Klage gegen Woods erstmal zurück

Chronistenpflicht: Der Rosenkrieg zwischen Tiger Woods und seine ehemalige Lebensgefährtin ist laut „New York Post“ vorläufig beendet. Erica Herman hat ihre 30-Millionen-Dollar-Schadenersatzklage ruhend gestellt und will erst abwarten, wie das Gericht über ihren Einspruch gegen die Abweisung der anderen Klage auf Offenlegung ihrer Verschwiegenheitsvereinbarung entscheidet, in der nach Angaben der Woods-Anwälte festgehalten sein soll, dass eventuelle Streitigkeit in einem privaten Schiedsverfahren zu lösen seien. Die Vereinbarung hatte Herman 2017 unterschrieben, als die heute 39-Jährige noch in Woods’ Restaurant The Woods in Jupiter/Florida tätig war. 2022 hatte sich der 15-fache Majorsieger von ihr getrennt – mit einem miesen Trick und unter Missachtung eines angeblichen fünfjährigen Wohnrechts in Woods’s Anwesen, wie sie behauptet. Im Verlauf der daraufhin folgenden Schlammschlacht hatte Herman den Superstar sogar der sexuellen Belästigung bezichtigt. Es darf davon ausgegangen werden, dass der öffentliche Rosenkrieg damit beendet ist und alles Weitere hinter den Kulissen ausgehandelt wird.

Langer und Porthcawl: Ein Match

Zum Schluss: … ein Ausblick: Nach der Open ist vor der Open. Heute beginnt die Senior Open Championship, mal wieder auf der walisischen Linkskurs-Ikone Royal Porthcawl. Das wahrlich majestätische Geläuf gehört seit 2014 zur Rota der Ü50-Open …

(Foto: Michael F. Basche)

… und Bernhard Langer hat bislang jede Major-Austragung dort gewonnen (2014, 2017). Allein deswegen schon zählt der alterslose Rekordsieger bei den PGA Tour Champions auch heuer zum engsten Favoritenkreis. „Mr. Conistency“ und Porthcawl, das ist einfach ein Match.

 

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