Profisport Herren

Cam Smith: Wirklicher Verlust oder bloß Schwalbe, die einen Sommer flog?

31. Aug. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Cameron Smith gab am Dienstag seinen Wechsel von der PGA Tour auf die LIV Golf Series bekannt. (Foto: Getty)

Cameron Smith gab am Dienstag seinen Wechsel von der PGA Tour auf die LIV Golf Series bekannt. (Foto: Getty)

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„Greg Norman officially has his man!“ schlagzeilte gestern ein Golf-Portal. Von einem Dolchstoß ins Herz der PGA Tour war die Rede. Gemeint ist, was lange feststand und jetzt bloß seine Bestätigung fand: der erwartete Wechsel des Cameron Smith zu LIV Golf. Ja, stimmt. Norman, der Impresario des Konkurrenz-Circuits, ist endlich in die Phalanx der Top-Ten eingedrungen, hat sich den Weltranglisten-Zweiten geschnappt, den Champion Golfer of the Year 2022 und Titelträger des Flaggschiff-Turniers zudem, der Players Championship.

Aufregung hält sich in Grenzen

Norman darf das getrost als Coup feiern und salbaderte ganz folgerichtig über „unsere wahrhaft globale Liga, die die weltbesten Spieler anzieht und Golf in eine glänzende Zukunft wachsen lässt“. In der Tat: Sein australischer Landsmann Smith wertet das Portfolio gehörig auf, der 29-Jährige kommt aus dem inneren Zirkel der (sportlichen) Macht – eine Reputation, die ansonsten allenfalls Dustin Johnson und nicht mal mehr den in ihren letzten Tour-Monaten chronisch verletzungsgeplagten Bryson DeChambeau oder Brooks Koepka angeheftet werden kann.

Dennoch hält sich die Aufregung über Smiths „Fahnenflucht“ in Grenzen. Zuvorderst, weil’s absehbar war und alles Pulver schon während der Open Championship in St. Andrews und zum Start der FedEx-Cup-Play-offs verschossen wurde, als das Szenario vom Abhandenkommen eines frisch gebackenen Majorsiegers bzw. eines womöglichen Weltranglisten-Ersten schwarzgemalt wurde.

Angelausrüstung und mehr Zeit für die Heimat?

Jetzt wird allenfalls durchgekaut und hoch gehängt, was mal behauptet wurde und nun als Begründung angeführt wird: Dass Smith vergangenes Jahr noch nicht wusste, was er mit einem möglichen FedEx-Cup-Hauptgewinn von 15 Millionen anstellen würde („Ein bisschen Angelausrüstung kaufen, vielleicht“), während er heute von „einer Business-Entscheidung“ redet, von einem „Angebot, das ich nicht ablehnen konnte“. Und im Anhang von der Möglichkeit, damit künftig mehr Zeit für Aufenthalte in Down Under zu haben. Freilich, dass derartige Statements im Zweifelsfall die Haltbarkeitsdauer von Butter in der Sonne dieses Sommers haben, haben „D. J.“ oder BDC schon lange vor Smith bewiesen.

Immerhin steht der „Mullet Man“ zum vorrangig finanziellen Aspekt seiner Entscheidung: „Ich will gar nicht erst versuchen zu bestreiten, dass Geld definitiv ein Faktor war.“ Wie übrigens auch Harold Varner III, der seinen Schritt in selten freimütiger Offenheit erklärt hat:

Und die Sache mit den Heimaturlauben ist ohnehin ein fadenscheiniger Appendix. Dazu später mehr.

Stattdessen erst mal eine steile These, die vielleicht ebenfalls das mittlerweile vergleichsweise geringe Beben begründet: Ist der Abgang von Smith wirklich so ein großer Verlust für die PGA Tour? Selbst bei „Golf.com“ sind sich die Kollegen offenkundig nicht sicher. Von einem „herben Schlag“ wird dort geschrieben: „Die PGA Tour ist schwächer“ als am Tag zuvor. Drei Sätze weiter indes heißt es über das halbe Dutzend aktueller Überläufer: „Keiner dieser Spieler ist derzeit in den USA ein ,needle-mover’.“ Sprich, einer, der den Kompass und damit die Richtung beeinflusst, der das Zünglein an der Waage ist. Cameron Smith eingeschlossen.

Strahlkraft und Wirkmacht?

Der Australier ist zweifelsohne ein brillanter Golfer, ein Kunstschütze mit den Wedges und dem Putter überdies. Das stellt niemand in Abrede. Allerdings: Ist er gleichsam ein Botschafter des Spiels? Eine Symbol- und Identifikationsfigur, außer für die Angler- und Biertrinker-Fraktion? Ein Vorbild und Idol für den Nachwuchs? Hat er sich bislang hervorgetan als Wegweiser und Schrittmacher für die Zukunft des Spiels, siehe „needle-mover“? Hat er Strahlkraft und Wirkmacht? Die Antwort mag jeder für sich formulieren.

Smith kam heuer endgültig ganz groß raus und spielte die Saison seines Lebens, gewann nebst Players und Open das Tournament of Champions, schraubte die Zahl seiner PGA-Tour-Siege seit 2017 auf sechs und sein Karriere-Preisgeld auf 24,7 Millionen Dollar. Sein Golfjahr wäre eigentlich beendet, er könnte jetzt frei haben, eine Auszeit bis zum Februar einlegen – eventuell unterbrochen von einem Ausflug Anfang Januar nach Hawaii –, den reklamierten und als weiteres Alibi angeführten Heimaturlaub genießen.

Finde den Fehler!

Stattdessen ist er diese Woche in Boston, muss Mitte September nach Chicago, im Oktober nach Bangkok, nach Dschidda und schließlich nach Miami. Und nächstes Jahr weist der LIV-Spielplan 14 Pflicht-Events aus, vom Joch der „bis zu sieben Servicetage“ in der Job-Beschreibung gar nicht zu reden. Finde den Fehler!

Nö, Cameron Smith ist Normans finanzieller Verführung erlegen und stellt für das unmoralische Angebot von mindestens 100 Millionen Dollar seine sportlichen Ambitionen zur Disposition – Golf als reines Geschäft. Das ist seine Entscheidung, sein gutes Recht. Damit passt er in den Zeitgeist, in dem Substanz und Werte kaum noch zählen, wird entsprechend vielerseits beklatscht. Und klar, vieles hängt in Sachen weitere Karriere davon ab, wie das Gerangel um die Aufnahme der LIV Golf Invitational Series ins Weltranglisten-System ausgeht. Wie sich die Kartellrechtsklage gegen die PGA entscheidet. Wie die Major-Veranstalter fürderhin mit ihren Zulassungskriterien umgehen. Gerade bei der Open Championship in Royal Liverpool könnte das wahrlich grotesk werden, weil der R&A ja stets ein großes Aufhebens inszeniert, wenn der amtierende Champion die Claret Jug zurückbringt.

Bedauerlicher, indes kein gravierender Aderlass

Für den Moment ist Smith – bildlich gesprochen – eine Schwalbe, die vor allem diesen Sommer flog und nun davon flattert. Er oder Joaquin Niemann sind ein bedauerlicher, indes kein wirklich gravierender Aderlass. Weder für die PGA Tour noch für die Entwicklung und die Zukunft des Spiels. Allenfalls für Presidents-Cup-Skipper Trevor Immelmann, dessen internationales Team im Hinblick auf das Duell mit der trotz einiger Ausfälle nach wie vor extrem starken US-Auswahl von Davis Love III Ende September im Quail Hollow Club stetig schwächer wird.

Richtig bedenklich für das Gefüge der wettbewerbsbasierten Version von Profigolf, die Talente fördert und Spieler formt, wird’s erst, wenn den Touren Hoffnungsträger wie Collin Morikawa, Viktor Hovland, die Højgaard-Zwillinge oder Sam Burns und Will Zalatoris abhanden kämen.

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