Man liest es immer wieder: Irgendein Wetter- oder geologisches Ereignis legt einen Schatz frei – einen Diamanten, eine Goldmine, ein archäologisches Fundstück. In diesen Fällen reicht der Zufall hilfreich die Hand, und nicht immer ist dabei alles eitel Freud und Sonnenschein. Beim großartigen Spiel mit dem kleinen Ball gibt es ähnliche Phänomene, allerdings zumeist von gutartiger Natur: sportliche Events, die Besonderheiten zu Tage fördern oder aus einem Nischendasein ins Rampenlicht rücken.
Manchmal ist das der Stoff, aus dem Helden gemacht werden. Oder die Bühne wird ebenfalls zum Star. Ende September wird das vermutlich wieder so sein, wenn das größte Ereignis im Golfsport, der Ryder Cup, auf einem Platz ausgetragen wird, der dafür prädestiniert ist, Dramen zu kreieren – Bethpage Black.
Amateur-Duell rückt Golfplatz-Juwelen in den Fokus
Um die Symbiose von großem Sport und großartiger Bühne zu erleben, muss der geneigte Golffan freilich nicht noch Wochen warten. Justament läuft nämlich der Walker Cup. Das Kontinentalduell der besten Amateure aus Großbritannien und Irland gegen deren Pendants aus den USA ist an sich schon spannend genug, wenngleich die Amerikaner im historischen Vergleich mit 39:9 vorn liegen.
Mehr noch, der Walker Cup – benannt übrigens nach dem einstigen USGA-Präsidenten George Herbert Walker, Vorfahre der beiden US-Präsidenten George H. W. und George W. Bush – rückt immer wieder auch Golfplatz-Juwelen ins Rampenlicht, die ansonsten auf den großen Touren nicht stattfinden und daher selten vor der golfinteressierten Weltöffentlichkeit auftreten. Schade eigentlich, wenn man ein paar Beispiele aus Vergangenheit und Zukunft herauspickt: Royal County Down (2007), National Golf Links of America (2013), Seminole Golf Club (2021), Lahinch (2026), Bandon Dunes (2028), Prince’s Golf Club (2030). Und so weiter, bei Kennern zieht das Geschmacksfäden.
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Liebeserklärung an das Spiel über 18 Loch
Aber bleiben wir in der Gegenwart, es lohnt sich. Denn das 50. Walker Cup Match – was für ein passender Anlass – schiebt eine scheue Schönheit in den Fokus, die ganz eindeutig zu den besten Golfplätzen auf dem Globus zählt, die freilich ob der Exklusivität kaum jemand kennt: Cypress Point auf der kalifornischen Halbinsel Monterey. Das Ensemble am Pazifik ist eine Liebeserklärung an das Spiel über 18 Loch, verfasst 1927 und 1928 von Dr. Alister MacKenzie auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft.
„Cypress Point ist die Kathedrale unter den Kathedralen in der Welt des Golfsports – kein Golfplatz ist so begehrt wie dieser. Das Anwesen selbst ist eine Reise durch die Landschaften Nordkaliforniens, zwischen dem märchenhaften Del Monte Forest, den Sanddünen in der Mitte des Geländes und schließlich der majestätischen Schönheit des Pazifischen Ozeans mit seiner felsigen Küste und den kristallblauen Wellen, die sich an der Küste brechen, um die letzten Löcher zu erreichen.“
Das renommierte Golfplatz-Architektur-Portal „Golf Club Atlas“
„The Good Doctor“, einer aus der allerersten Reihe des Architekten-Pantheons, war gerade von der Reise nach Australien und Neuseeland zurückgekehrt, wo er unter anderem Royal Melbourne in den Sandbelt gegossen und Titirangi angelegt hat. Nicht zuletzt MacKenzies Kreativität in Cypress Point veranlasste Bobby Jones, dem Schotten die Konzeption und den Bau von Augusta National anzuvertrauen. Er hatte einen Geistesverwandten für die Philosophie vom idealen Parcours gefunden, für die Balance zwischen strategischer Herausforderung und allgemeiner Spielbarkeit.
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Brillante Melange aus landschaftlichem Reiz und Küstenspektakel
Cypress Point ist ein Paradestück für MacKenzies Exzellenz, die Gegebenheiten des Geländes optimal ins Layout einzubeziehen, eine brillante Melange aus hinreißendem landschaftlichem Reiz und kolossalem Küstenspektakel. Und es steht wie bei Augusta National als Symbol, dass es die richtigen Personen und deren Zusammenwirken braucht, um Großes zu erschaffen.
„Cypress Point ist nach wie vor einer der beeindruckendsten Golfplätze der Welt – das Ergebnis eines großartigen Architekten, der ein großartiges Stück Land in die Hände bekam.“
Die Experten von „Fried Egg Golf“
Im vorliegenden Fall waren es der Unternehmer und Grundstücksentwickler Samuel Morse, ein entfernter Verwandter des gleichnamigen Morsecode-Erfinders, die Weltklasse-Amateurgolferin Marion Hollins, eine in vielen Sätteln erprobte Sportskanone, und eben MacKenzie, der in Cypress Point das Werk des eigentlich beauftragten, aber 1926 an einer Lungenentzündung gestorbenen Seth Raynor übernahm.
Marion Hollins und die Entstehung der 16
Um die Entwicklung von Cypress Point ranken sich buchstäblich Gischt, Geheimnisse und Geschichte. Eine davon ist die Definition des 16. Lochs, das Mackenzie eigentlich als kurzes Par 4 anlegen wollte. Doch Hollins bestand auf einem Par 3, obwohl der Architekt den Schlag über 213 Meter und den schäumenden Pazifik für unmöglich hielt – bis Hollins einen Ball aufteete, zum Holz griff und es ihm vormachte.
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Nach Kalifornien, um im Westen neue Betätigungsfelder zu finden
Überhaupt hatte Marion Hollins mehr Einfluss auf das Konzept von MacKenzie und auf die Gestaltung von Cypress Point, als allgemein bekannt ist. Die Tochter aus wohlhabendem New Yorker Haus, gleichermaßen eine herausragende Reiterin, Polo- und Tennisspielerin, war wie der Yale-Absolvent und Jurist Samuel Morse nach Kalifornien gekommen, um im Westen ihr Glück zu machen – generell ein beliebter Move in der amerikanischen Geschichte –, und wurde 1923 von ihm als sportliche Leiterin von Del Monte Properties angestellt, die heute als Pebble Beach Company firmiert.
Morse hatte sein Faible für die Halbinsel Monterey 1919 zum Geschäft gemacht, als er 28 Quadratkilometer Land an der Küste kaufte. Als neuer Besitzer des Hotel Del Monte war er seinerzeit die treibende Kraft der weiteren Entwicklung von Pebble Beach und des Baus von Plätzen wie Spyglass Hill oder dem Monterey Peninsula Country Club. Vor allem aber ließ sich Morse 1924 von Hollins zur Projektierung eines privaten Platzes im Dünenwald von Del Monte und entlang der Felsenküste überreden und machte sie auch zur Leiterin.
Lange Jahre rassistisch und generell nur 300 eingeladene Mitglieder
Die umtriebige Lady fackelte nicht lange und holte Seth Raynor an die Westküste, mit dem sie bereits beim Bau des Women’s National Golf and Tennis Club auf Long Island zusammengearbeitet hatte, wo der Landschaftsingenieur als Berater tätig war. Hollins hatte das Projekt vor allem aus Ärger darüber gestartet, dass ihr zuvor der reine Herren-Zirkel im The Creek an Long Islands Nordküste die Mitgliedschaft verweigert hatte.
Cypress Point freilich war anfangs ähnlich elitistisch und wurde 1990 wegen der rassistischen Clubstatuten als Station des traditionsreichen Pebble Beach ProAm gestrichen und durch Poppy Hills ersetzt. Mittlerweile ist Ex-US-Außenministerin Condoleezza Rice das bekannteste afroamerikanische Mitglied im Kreis der 300 von Cypress Point, das ebenso zum Beitritt einlädt wie Augusta National und eine Jahresgebühr von 250.000 Dollar erhebt.
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Hollins und MacKenzie – ein kongeniales Duo
Aber zurück zu Marion Hollins. Nach Seth Raynors Tod wandte sie sich an MacKenzie, den sie durch Golfturniere in Schottland kannte. Die beiden bildeten ein kongeniales Duo, wie später beispielsweise Alice und Pete Dye, und bauten Raynors originäres Routing in grandioser Manier aus. Beziehungsweise „ließen es einfach in die Landschaft fallen“, schreibt „Golf Club Atlas“ – ohne Angst vor unkonventionellen Entscheidungen wie zwei sehr kurzen Bahnen (8 und 9) und zwei Par-3-Arrangements (15 und 16) hintereinander oder der Tatsache, dass Cypress Points Back Nine überhaupt nur zwei Par-4-Löcher hat.
„Ich gehe nicht davon aus, dass jemals jemand die Möglichkeit haben wird, einen weiteren Golfplatz wie Cypress Point zu bauen, da es meiner Meinung nach nirgendwo auf der Welt eine so herrliche Kombination aus felsiger Küste, Sanddünen, Pinienwäldern und Zypressen gibt.“
Dr. Alister MacKenzie
Apropos 16: MacKenzie hat in seinem Buch „The Spirit of St Andrews“ freimütig eingeräumt, er habe mit der Entstehung dieses „außergewöhnlich schönen Par-3“ nichts zu tun gehabt. „Ehre, wem Ehre gebührt“, ist dort nachzulesen. „Ich war abgesehen von kleineren Details in der Konstruktion in keiner Weise für dieses Loch verantwortlich. Es war größtenteils der Vision von Miss Marion Hollins zu verdanken. Bereits der verstorbene Seth Raynor hatte angemerkt, es sei schade, dass der Schlag über das Meer zu lang sei, um an dieser Stelle ein Grün zu platzieren und damit ein Loch zu entwerfen. Miss Hollins meinte, sie halte diesen Schlag nicht für unmöglich.“ Der Rest der Story ist bekannt, und so ranken sich Unmengen von Geschichten um Cypress Point.
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Das Geheimnis des obdachlosen Caddy
Zum Schluss jedoch nur noch eine. Die lüftet gleichzeitig das Geheimnis des obdachlosen Caddy Ray Sterbick, der sich 1982 im Waldstück zwischen Bahn 15 und 16 ein provisorisches Heim einrichtete und in dem Provisorium acht Monate lang hauste. Serbick ist mittlerweile verheiratet und hat eine feste Bleibe, aber nach wie vor als Looper tätig. Die Sportsfreunde vom Schmöker-Magazin „The Golfer's Journal“ haben ihn getroffen:
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