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Spielt er oder dirigiert er? Keegan Bradley und der Konflikt mit Bethpage

25. Jun. 2025 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

(Fotos: Getty)

Erlebt der Ryder Cup ein Revival des Playing Captain? Arnold Palmer (r.) war 1963 der bislang letzte buchstäbliche Spielführer, Keegan Bradley könnte es dem "King" auf dem schwarzen Kurs im Bethpage State Park gleichtun. (Fotos: Getty)

Wohl dem, der seine Angelegenheiten rechtzeitig geordnet hat. Die europäische Ryder Cup Ltd. beispielsweise. Kapitän Luke Donald hat eine volle Amtszeit von 22 Monaten, um das Gastspiel Ende September in den USA vorzubereiten, nachdem es durch den LIV-Abgang von Henrik Stenson vor Rom 2023 nur 14 Monate waren – hat ja trotzdem ganz gut geklappt. Edoardo „The Brain“ Molinari ist als Assistent wieder mit von der Partie und bringt seine statistische Expertise ein. Rory McIlroy, der ja bekanntlich auf Motivations- und Mount-Everest-Suche ist, hat nach abgehaktem Karriere-Grand-Slam vor allem einen Auswärtssieg beim Kontinentalwettbewerb ganz dick auf dem Wunschzettel – nebst dem Open-Gewinn auf heimischem Boden – und wird sich entsprechend reinhängen. Alles Paletti also bei Blau-Gold.

Beständigster US-Spieler hinter Scheffler

Beim Gastgeber hingegen herrscht komplette Konfusion. Mit Ausnahme von Scottie Scheffler fahren die Stars unterm Sternenbanner, die Schauffeles und Morikawas, bislang eher untertourig – und der beständigste Spieler hinter dem Weltranglistenersten ist ein gewisser Keegan Bradley, Majorgewinner, achtfacher Toursieger, einer mit viel Erfahrung und noch mehr elektrisierender Energie. So einer gehört nach derzeitigem Stand zwingend ins amerikanische Team für das Heimspiel Ende September auf dem schwarzen Kurs im Bethpage State Park.

Blöd nur, dass besagter Bradley ausgeguckt ist, den Teamchef zu geben. Doch dessen Gewinn der Travelers Championship am vergangenen Sonntag hat eine Büchse der Pandora geöffnet. Denn seither tobt bei den Amis die Debatte um ein Ryder-Cup-Revival des Playing Captain. Es wird debattiert und argumentiert, dass sich die Balken und die Schlagzeilen biegen – auch das ein Zeichen für die Unsicherheit in den USA, wo man sich trotz des Vorteils einer eigentlich sicheren Bank Bethpage Black der nominellen Favoritenrolle dank der individuellen Klasse der Protagonisten nicht mehr sicher sein kann. 

 

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Keegans Konflikt: Er will eigentlich nur spielen

Letztmals hatte 1963 Arnold „The King“ Palmer im Alter von 34 Jahren die Stars-and-Stripes-Equipe als buchstäblicher Spielführer im Atlanta Athletic Club, heute bekannt als East Lake Country Club, zu einem 23:9 über das seinerzeit noch rein britische Team um Peter Alliss und Christy O’Connor Senior geleitet. Dessen Kapitän war der Schotte John Fallon.

Die Pikanterie des Ganzen ist, dass Bradley im Grunde immer nur spielen wollte. Als Zach Johnson ihn für den Ryder Cup in Rom links liegen ließ, saß der PGA Champion von 2011 mehr als ein Jahr mit einem veritablen Katzenjammer auf den bereits gepackten Koffern – obwohl ihm das die dritte Niederlage seiner Ryder-Cup-Karriere nach 2012 und 2014 ersparte –, bis ihn die PGA of America ins Amt des Kapitäns für das Heimspiel vor den Toren von New York hievte. Es war ein überraschender Move und letztlich eine Verlegenheitslösung.

„Wir wollen, dass du der erste Playing Captain seit Arnie wirst“

Ursprünglich sollte Tiger Woods auf den Schild gehoben werden, man hatte sogar eigens mit John Wood einen Teammanager zur Entlastung des Vielbeschäftigten engagiert. Doch der Superstar zierte sich und winkte irgendwann ab. Bradley war nicht der Plan B, sondern die Notlösung. Und der damalige Chef der verantwortlichen PGA of America wusste genau, wie dem Mann aus Vermont dieser Drops schmackhaft zu machen war. „Keegan, wir wollen, dass du der erste Playing Captain seit Arnie wirst“, flötete Seth Waugh vor knapp einem Jahr ins Telefon. So hat es Bradley selbst bei seiner Travelers-Siegerpressekonferenz verraten.


Mein Golf-Leben lang wollte ich immer nur zum Ryder-Cup-Team gehören und spielen – mit einer Ausnahme. Diesmal wollte ich einfach nur der Kapitän sein und die Mannschaft führen. Aber wir werden sehen. Wenn es dem Team hilft, werde ich spielen.

Keegan Bradley


Die Frage nach der Doppelrolle schwelt freilich schon seit der Inthronisierung. Immerhin ist Bradley mit 39 Jahren auch der jüngste Teamchef seit Palmers 1963er-Einsatz. Bislang hat Captain Keegan sie immer damit abgebügelt, er werde keine Wildcard auf sich verschwenden und lediglich im Fall einer automatischen Qualifikation einen aktiven Einsatz erwägen.

 

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„Sehr genau abwägen, was das Beste fürs Team ist“

Der zweite Travelers-Erfolg nach 2023 indes mischt die Karten neu, das gab Bradley – nunmehr Weltranglistensiebter und Nummer neun des US-Ryder-Cup-Rankings – selbst zu: „Dies hier ändert die Geschichte ein wenig. Ich hätte nie daran gedacht, zu spielen, wenn ich nicht gewonnen hätte. Ich muss nun sehr genau abwägen, was das Beste fürs Team ist.“

Nach aktuellem Stand ist das ziemlich einfach, und Bradley müsste sich am Abend des 25. September im Anschluss an seine Eröffnungsrede für die Vierball-Session am Freitagmorgen nominieren. Immerhin ist er mit vier Siegen seit 2022 Amerikas Nummer zwei hinter Scheffler (12), das können alle anderen im Punkteranking unter den Top-Zwölf nicht mal ansatzweise vorweisen. Und Scheffler ist qua Charakter und Bescheidenheit kein Führungsspieler, kein Leader of the Gang, für die Rolle kommt vor allem Bryson DeChambeau infrage. Oder halt Bradley selbst mit seinem Spirit.

Mindestens zwei Rookies und wenig Substanz

Last but not least der Umstand, dass mit US-Open-Champion J. J. Spaun und Russell Henley auf Platz drei beziehungsweise vier ziemlich sicher zwei Rookies auf Long Island mit von der Partie sind. Schaut man auf die zweite Hälfte des Tableaus, stehen dort Spieler wie Ben Griffin, Harris English oder Maverick McNealy.

Klar, daran kann sich in den kommenden Wochen noch eine Menge ändern. Aber um Routine und Tiefe ins Team zu bringen und Luke Donalds Dutzend mit McIlroy an der Spitze und einer bärbeißigen Bande von Typen wie Tyrrell Hatton, Shane Lowry und Jon Rahm entsprechend robuste Charaktere entgegenzusetzen, müsste Bradley seine Captain’s Picks nach derzeitigem Stand jenseits von Rang 13 platzieren, wo sich Patrick Cantlay (14), Sam Burns (15), Cam Young (17) oder Tony Finau (19) tummeln. Doch die stehen ja nicht von ungefähr so weit hinten.

 

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Eher unrealistisch und absurd: Woods als Grüß-August

Mit ein bisschen Humor lässt sich die Situation trefflich als „Keegans Konflikt“ apostrophieren. In Wahrheit ist es ein Dilemma, das naturgemäß jede Menge Lösungsvorschläge gebiert. Ein nettes, jedoch ziemlich unrealistisches und überdies absurdes Szenario ist, dass Bradley bis Bethpage die ganze Arbeit macht und dann an Tiger Woods als eine Art Chef de Mission übergibt, der alle Aufmerksamkeit polarisiert und absorbiert, während Bradley sich überlegt, mit wem er welchen Ball spielt. Es wäre eine weitere Schmach für Bradley, und auch Woods wird nicht bloß den Grüß-August geben wollen.

Denkbar wäre eher, dass die Vize-Kapitäne intensiver eingebunden werden und Jim Furyk oder Brandt Snedeker dann vor Ort den Chef bei repräsentativen Aufgaben entlasten. Und überhaupt: Ein Assistenten-Posten ist noch gar nicht vergeben, wer weiß, wenn die Amis dafür noch aus dem Hut zaubern, wenn Bradley tatsächlich aktiv wird und dafür womöglich sogar als Dirigent demissioniert. Das jedoch hat er inzwischen ausgeschlossen: „Ich bleibe definitiv Kapitän und trete nicht zurück oder so was. Dafür habe ich schon zu viel Arbeit in diese Sache gesteckt.“

Es geht um die zwölf besten Spieler …

Grundsätzlich ist die Entourage ohnehin groß genug und hat ihre Aufgabenbereiche. Das meiste passiert zudem im Vorfeld des Showdowns. Der Kapitän überwacht, hält die Fäden zusammen und trifft letztlich die Entscheidungen. Sein mit Abstand wichtigster Job ist allerdings, die zwölf besten Spieler auszuwählen. So gesehen ist die Causa Keegan Bradley eigentlich entschieden.


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