Achtung, Spoiler: Royal Melbourne ist nicht die beste Wiese im Golfgebinde der australischen Millionenmetropole am Yarra River. Sagt jedenfalls Rory McIlroy. Den Nordiren stören vor allem die blinden Schläge, die selbst auf dem Composite Course von West und East Course für die Crown Australien Open nach dem Geschmack des fünffachen Majorsiegers zu oft im Spiel sind.
Großartige, einzigartige, unverwechselbare Layouts
Klar, Golfprofessionals haben wenig Sinn für Kursfeatures, die heutzutage als quirky gelten, weil sie den Blick aufs Ziel versperren. Es sind – für unsereins reizvolle – Relikte aus Zeiten der Golfplatz-Architektur, in denen es noch keine mächtigen Bulldozer gab, um unliebsame Geländeformen aus dem Weg zu räumen, einfach platt zu machen. Mit dem Gelände zu arbeiten, ergibt halt auch die eine oder andere Unvermeidlichkeit. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb sind großartige, einzigartige, unverwechselbare Layouts entstanden. Wie Royal Melbourne, das 1931 fertiggestellt wurde.
Royal Melbourne ist eins der MacKenzie-Meisterwerke
Nicht von ungefähr gelten die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts als Goldenes Zeitalter der Golfplatz-Architektur. Die damals entstandenen Parcours sind zeitlos gültige Klassiker, ihre Schöpfer bilden den Inner Circle im Pantheon der Kursdesigner: geniale Geister wie Dr. Alister MacKenzie, der eigentlich Chirurg war, sich während des Burenkriegs in Südafrika um die Jahrhundertwende mit den Prinzipien der militärischen Tarnung beschäftigte und das später samt der Erkenntnisse über das Wirken von Old Tom Morris auf dem Old Course in St. Andrews in seine Arbeit als Golfplatzarchitekt einfließen ließ. Mit dieser Expertise schuf der Schotte Platzpreziosen wie Augusta National, Cypress Point oder eben Royal Melbourne, um nur die drei Kronjuwelen in MacKenzies Œuvre zu nennen.
Kronjuwel im Œuvre von Dr. Alister MacKenzie: Royal Melbourne. (Foto: The Royal Melbourne Golf Club - Course Maintenance/Facebook)
Der Sandbelt als Gütesiegel des Golfspiels
Aber auch nebenan hatte „The Good Doctor“ seine Finger im Spiel: beim Design von Kingston Heath, ebenso rund 18 Kilometer südöstlich von Melbourne gelegen. Für McIlroy ist das nach 1925 unter MacKenzies Hilfestellung vom eingewanderten schottischen Professional Dan Soutar angelegte Schmuckstück die Nummer eins der Region, die als Sandbelt ebenso zu den Gütesiegeln des Golfspiels zählt wie das Linksland an Großbritanniens und Irlands Küsten oder die Heidelandschaften im englischen Surrey und den umliegenden Grafschaften.
Der Melbourne Sandbelt ist ein ungefähres Dreieck im Süden des australischen Bundesstaats Victoria, das sich rund um die Port Phillip Bay ausbreitet. Vor etwa 20 Millionen Jahren wurden diese tiefer gelegenen Flächen überflutet und es wurde Sandsteinmaterial in der Bucht abgelagert. Die heutigen Oberböden im Sandbelt sind das Ergebnis von Geologie, Topografie, Meeresströmungen, Klima und Vegetation. Sie entstanden im Lauf von 6.000 Jahren durch die Wellenbewegung, die Sand und Schlamm aus der Port Phillip Bay an der Küste ablagerte.
Presidents Cup 2028 in Kingston Heath
Fun Fact am Rande: Kingston Heath war ursprünglich ein Par-82-Layout mit zwölf Par-fünf-Löchern. Man war damals der Meinung, es sei einfacher, einen Platz notfalls zu verkürzen statt zu verlängern. Das zeugt von gehöriger Weitsicht, konnte sich Kingston Heath dergestalt doch mühelos den stetig wachsenden Schlagweiten anpassen. Nicht von ungefähr haben in Cheltenham unter anderem sieben Australian Open und der World Cup of Golf 2016 stattgefunden. 2009 gewann zudem Tiger Woods dort das Australian Masters. Und 2028 richtet Kingston Heath den Presidents Cup aus.
Namensgebend: Kingston Heath und seine üppigen Heideflächen. (Foto: Kingston Heath Golf Club/Facebook)
25 Golfanlagen im Melbourne Sandbelt
Der Sandbelt ist das, was die anglophile Welt Ground for Golf nennt. Das Ausmaß der Fläche lässt sich nicht beziffern, da es sich um eine geografische Region handelt, wohl aber das Aufkommen an Golfanlagen, denen diese geologische Besonderheiten idealen Boden bieten Aktuell sind es 25, teils privat wie Yarra Yarra, teils öffentlich in Freizeitparks und den Naherholungsgebieten der Großstadt, mit einem Trio der Superlative an der Spitze. Als Nummer drei im Bunde gilt der Victoria Golf Club, den nur eine Straße vom Royal Melbourne abgrenzt und der noch vergangenes Jahr zum insgesamt fünften Mal Schauplatz der Australian Open war.
Victoria GC: Heimat des fünffachen Open-Champions Peter Thomson
Victoria ist die Heimat des fünffachen Open-Championship-Siegers Peter Thomson, der mal über seine sportlichen Wurzeln geschrieben hat: „Einige Clubs haben einen besonderen Charakter, der sie von anderen unterscheidet. Es ist nicht unbedingt die Qualität des Golfplatzes oder die Ausstattung des Gebäudes. Es sind vielmehr die Mitglieder, sowohl ehemalige als auch aktuelle, und die Erfolge, die über einen Zeitraum von Jahrzehnten erzielt wurden, die eine Tradition schaffen.“ So gesehen kann der Victoria GC mit den berühmten Nachbarn aufs Beste mithalten. Und sein Design ist sowieso Extraklasse – MacKenzie-Stil eben.
The 1st at Victoria GC in Melbourne.
254-yard, downhill par-4.
A handshake opener! Not exactly.
Fairway asks for a draw, but the tiny green is accessible only with a fade.
Hard pan bunkers don't offer much for spin.
I love this hole so much. pic.twitter.com/gSYuvuhF2l— Sean Zak (@Sean_Zak) February 26, 2025
Die Bedeutung von Alex Russell und Mick Morcom
Aber zurück auf die aktuelle Australian-Open-Bühne: Royal Melbourne wäre keine Golfwiese geworden, die regelmäßig unter den 15 Besten auf dem Globus gelistet wird, ohne Alex Russell, Clubmitglied, Sieger der Australian Open 1924 und Kurs-Designer, sowie den damaligen Head-Greenkeeper Mick Morcom. MacKenzie, vom R&A in St. Andrews empfohlen und für ein Honorar von 1.000 Pfund verpflichtet, nannte Russell „meinen Design-Partner“ und Morcom „den besten Greenkeeper, mit dem ich je gearbeitet habe“. Die cleveren Club-Granden refinanzierten ihre Investition übrigens, indem sie den Star-Architekten während seines Aufenthalts an andere Clubs wie Kingston Heath, Yarra Yarra oder Victoria vermittelten und dafür Provision kassierten.
Schottische Designprinzipien in Down Under
Insgesamt war MacKenzie zwölf Wochen in Down Under und ließ seine Expertise auch noch dem New South Wales Golf Club in Sydney und dem Royal Queensland Golf Club in Brisbane zuteil werden. Wenn einer schon mal einen derartigen Trip unternimmt, soll es sich auch lohnen … Da verwundert es wenig, dass der Schotte nur einen Bruchteil der Zeit in Black Rock verbrachte. Er inspizierte das Gelände – mit den spektakulären Wellen, dem perfekten Sanduntergrund und der natürlichen Schroffheit eine ideale Golflandschaft für seine vom Linksgolf geprägte Design-Philosophie –, bestimmte das Routing, entwarf das vom Old Course beeinflusste Grundkonzept der strategischen Spielanlage und skizzierte seine Gestaltungsideen mit Bahnenverläufen fernab der direkten Spiellinie oder blinden Schüssen als „Strafe“ für ungenaue Drives. Dann übergab er das Ganze an Russell und Morcom.
Grüns als Landschaften, perfekt positionierte Bunker
Während MacKenzie längst in Cypress Point oder Augusta tätig war, machten diese beiden Royal Melbourne endgültig zu einem ganz besonderen Golfplatz. Russell ließ Grüns bauen, in deren Geräumigkeit ganze Landschaften platziert sind. Im rechten Winkel angespielt, ergeben sich schmeichelhafte Putts, aber bei Bällen abseits der Ideallinie wird‘s richtig biestig. Morcom verpasste MacKenzies Layout zudem eine kühne Bebunkerung mit perfekter Positionierung. Das Ergebnis wurde 1931 als Westkurs eröffnet, im Jahr darauf der allein von Russell konzipierte Ostplatz.
Erleichterung für McIlroy: Australian Open 2026 in Kingston Heath
Kingston Heath ist eine Art Gegenentwurf: flach wie ein Brett, nur Gras, Sand, Gestrüpp und Bäume – alles so miteinander verschmolzen, dass Details erst erkennbar sind, wenn man mitten drinsteht. Wie beim Old Course in St. Andrews. Aber darüber wird kommendes Jahr ausführlicher zu reden sein. Denn die Australian Open 2026 wird wieder in Kingston Heath gespielt. Rory McIlroy dürfte nach den Mühen mit Royal Melbourne heuer ziemlich erleichtert sein.