Back Nine

Rory McIlroy applaudiert DeChambeau und muss sich selbst Fragen stellen

21. Sep. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Rory McIlroy hat einiges zu überdenken nach Bryson DeChambeaus Sieg bei der US Open 2020. (Foto: Getty)

Rory McIlroy hat einiges zu überdenken nach Bryson DeChambeaus Sieg bei der US Open 2020. (Foto: Getty)

Applaus: Rory McIlroy ist Fan von Bryson DeChambeau. „Ich glaube, dass dieser Typ brillant ist“, sagte der Nordire nach dem gestrigen US-Open-Triumph des Texaners. „Er hat einen Weg gefunden, die Probleme hier zu lösen – nicht der Weg, den ich zum Beispiel für diesen Platz oder für dieses Turnier gesehen habe, und so richtig kriege ich das auch nicht in den Kopf. Aber es hat ja funktioniert.“ Gemeint sind DeChambeaus brachiale Abschlagsgewalt und seine Längen, die ihn meist auf Wedge-Distanz an die Grüns brachten. So werden selbst Bälle aus dem Rough durchaus kalkulier- und steuerbar. „Er zieht halt konsequent seine Vorteile aus dem aktuellen Stand des Golfsports“, spielt McIlroy die Materialentwicklung an. „Ob das gut oder schlecht ist, sei dahingestellt.“

Vor elf Jahren war der heute 31-Jährige in einer ähnlichen Position. Damals nahm er auf dem Weg zum ersten von nunmehr vier Majorsiegen den Congressional Country Club auseinander. Als „The Curly One“ nahm der 22-jährige Lockenkopf aus Holywood die renommierte Wiese in Maryland förmlich auseinander, gewann mit acht Schlägen Vorsprung, markierte eine 72-Loch-Bestmarke und avancierte zum jüngsten US-Open-Sieger seit Bobby Jones. Was damals von den Medien fast als Krönungsmesse eines neuen Generationen-Talents und potenziellen Tiger-Woods-Nachfolgers gefeiert wurde, ist freilich nicht nur chronologisch graue Vergangenheit. McIlroy läuft seinem fünften Major seit sechs Jahren hinterher, und allmählich muss er sich die Frage stellen, ob seine von so viel Potenzial begünstigte Karriere bloß eine gute Hälfte hatte, die erste, die frühe nämlich. Um wirklich als ganz Großer in die Golfgeschichte einzugehen, braucht „Rors“ bald einen weiteren Erfolg, siehe Jack Nicklaus oder Tiger Woods, die beide jenseits der 30  triumphiert haben. Im November ist Masters …


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What a day. What a week. What a champion! Check out the best sights from a very special #USOpen championship Sunday at Winged Foot.

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Azinger und das böse S-Wort

Anspielung: Als Bryson DeChambeau gestern das 18. Fairway hoch marschierte, um auf dem berüchtigten Grün diese 120. US Open und seinen ersten Majorgewinn zu besiegeln, da rutschte dem Co-Kommentator des TV-Senders „NBC“ das böse S-Wort heraus. „Validation on steroids“, sagte Paul Azinger, Ex-Pro und siegreiche US-Ryder-Cup-Kapitän von 2008. Es lässt sich als Aufforderung interpretieren, den Spieler mal auf leistungsfördernde Mittel zu testen, sprich auf Doping. Oder gar als angenommene Bestätigung, das Steroide im Spiel sind. Und da waren sie dann wieder in der Welt, all die seit geraumer Zeit kolportierten Gerüchte, dass DeChambeaus Muskelzuwachs nicht bloß auf Krafttraining und Proteinshakes beruhe.

Azinger beeilte sich denn auch umgehend, seine Aussage in den richtigen Kontext zu setzen und schrieb noch am Sonntag Abend an „Golfweek“, dass seine Bemerkung aus dem Zusammenhang gerissen worden sei: „Wenn irgendjemand denkt, ich wollte damit andeuten, dass Bryson Steroide konsumiert, dann ist das eine völlige Falschinterpretation. Und sicherlich eine falsche Wortwahl meinerseits. Verdammt noch mal, die Spieler werden zwei Mal wöchentlich getestet. DeChambeau hat eine Menge auf sich genommen und das jetzt alles bestätigt. Wenn das einer Klarstellung bedarf, dann ist diese Welt eh zum Teufel gegangen.“

Matt Wolffs Schwung ist so absonderlich nicht …

Nachlese: Es gilt, noch ein paar Impressionen nachzuliefern. Zum einen ist endlich Bildmaterial vom fatalen Sechs-Putt von Danny Lee am Samstag auf dem 18. Grün aufgetaucht:

Und auch gestern waren die Grüns von Winged Foot wieder Schauplatz spektakulärer Putt-Versuche, die freilich nicht immer gut ausgingen, wie dieser „Zirkus-Putt“ von Rory Sabbatini auf dem 15. Grün beweist, der ziemlich in die Hose ging:

Zuguterletzt sei mit dem Mythos aufgeräumt, dass der Schwung des zweitplatzierten Matt Wolff in irgendeiner Weise absonderlich ist. Mitnichten, sondern eher klassisch, wie der amerikanische Top-Golflehrer Michael Breed hier für Bewegungsfetischisten erklärt:

DeChambeaus Triumph in der Statistik

Zahlen und Fakten eines beeindruckenden Siegs: Der neue Champion spielte mit seiner gestrigen 67 die beste US-Open-Finalrunde seit Johnny Miller 1973, der in Oakmont eine 63 auf den Rasen gezaubert hatte, und distanzierte den Durchschnitt des Felds (74,9) um 7,9 Schläge . Damit war Bryson DeChambeau am Sonntag und auch fürs Turnier der einzige Spieler unter Par, was zuletzt Jack Fleck 1955 bzw. Tiger Woods 2002 geschafft hatten, sowie der Einzige in allen vier Runden, der nie über Par gespielt hat. Dabei traf der Texaner bloß 22 der insgesamt 56 Fairways, die niedrigste Quote seit Beginn der Statistiken vor über 40 Jahren. Dennoch spielte er am Sonntag sogar ein Eagle, was während einer US-Open-Finalrunde letztmals Ralf Guldahl auf Loch 8 von Oakland Hills gelang – 1937.

Bryson DeChambeau: Die emotion...

Gespräche über Winged Foot in US-Open-Rota

Großes Lob: Obwohl am Ende nur einer unter Par war, das Rough phasenweise „morastig“ wirkte und die Grüns tückisch waren, erwiesen die Golfstars dem West Course von Winged Foot höchste Reverenz. „Das war eine absolute faire Angelegenheit hier“, sagte Justin Thomas stellvertretend für seine Kollegen. Konsens ist halt auch unter Spielern, dass eine US Open genau so sein soll. Und wie viele der Ostküsten-Kurse aus dem „Goldenen Architektur-Zeitalter“ des frühen 19. Jahrhunderts erfüllt Winged Foot genau diese Ansprüche: mit Rough, das einen fast in den Achselhöhlen kitzelt; mit Grüns von in diesem Fall nie gesehener geometrischer Form, die mit ihren Slopes und Rolls jeden Putt außerhalb eines 3-Meter-Radius zum Vabanque-Spiel machen und auf denen dann die gesamte Puttfläche in die Überlegungen zur Spiellinie eingezogen werden müssen. Das sei das perfekte „Hexengebräu“, schreibt das Portal „WRX“, das sich die USGA für ihr Major wünscht. Und so wundert es nicht, dass die Verantwortlichen von Winged Foot an USGA-Chef Mike Davis und den zuständigen US-Open-Direktor John Bodenhamer herangetreten sind und ihren West Course in die geplante Rota aufnehmen lassen wollen – was nach dieser erfolgreichen 120. Auflage vermutlich ohnehin vorgesehen war.


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The U.S. Open has long been golf’s toughest test. And we love every painful second.

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Mit der Heckenschere ins Rough

Der Spruch des Tages: … kam von Ian Poulter und betraf die Lage eines Balls. „Ich glaube nicht, dass er [der betreffende Spieler] die Lage des Balls mögen wird. Dafür braucht er eine Heckenschere als ein Wedge.“

MacIntyre: „Gebrochen, zerschlagen, ramponiert“

Winged-Foot-Opfer: Die schottische Golf-Hoffnung Robert MacIntyre hat den Start bei der Irish Open diese Woche auf der European Tour abgesagt. Nach der US Open sei er „gebrochen, zerschlagen, ramponiert“, erklärte der 24-Jährige nach seinem 56. Platz (+21). Aber immerhin haben die vier Tage von Winged Foot im Rahmen der Aktion von 3.500 Dollar pro Birdie zugunsten seiner vom Hurrikan Laura geschädigten Universität in Louisiana eine Gesamtsumme von 35.000 Dollar eingebracht.

Gareth Bale und Golf in London

Kreative Fans: Auch wenn diese Back Nine vornehmlich dem Rückblick auf die US Open gewidmet ist, Gareth Bale muss sein. Der Wechsel des walisischen Stürmers und Golf-Nerds von Real Madrid zum Londoner Vorort-Club Tottenham Hotspur in die englische Premier League hat eine Welle einfallsreiche Anmerkungen ausgelöst, natürlich in Bezug auf die Golf-Leidenschaft des 31-Jährigen:


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Der wahre Grund warum @garethbale11 zurück zu @spursofficial gewechselt ist.? #funny #bale #tottenham #spurs #bossvienna

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Und auf dem Instagram-Account von „That Guy Jokes“ war über dem Spielfeld im „Spurs“-Stadion als Grün mit vier Bunkern zu lesen: „Tottenhams Platzwart war heute schon mächtig an der Arbeit.“

Wiesberger „reamateurisiert“

Das Letzte: Der Schlusssatz unter dieser 120. US Open gebührt Bernd Wiesberger – bzw. seinem selbstironischen Tweet in Sachen aktueller eigener Golffertigkeiten. Der Österreichische Golfverband habe ihn nach seinen Auftritten in Valderrama und bei der US Open in Winged Foot wieder als Amateur eingestuft, schrieb der 34-Jährige auf Twitter: „Ich spiele jetzt ein 5er-Handicap.“ Immerhin …


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