Major

Mickelson und seine wilde 13: Hässlicher Fleck auf der Nice-Guy-Weste

17. Jun. 2018 von Michael F. Basche in Southampton, USA

Wie steht es um Phil Mickelsons Ruf nach der Eskapade auf der dritten Runde der US Open 2018? (Foto: Getty)

Wie steht es um Phil Mickelsons Ruf nach der Eskapade auf der dritten Runde der US Open 2018? (Foto: Getty)

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Kontrollverlust oder Schadensbegrenzung? Die Meinungen über Phil Mickelsons „wilde 13“ gestern bei der US Open gehen weit auseinander. Die einen sagen, der fünffache Majorsieger habe die Nerven verloren als er seinen rollenden Ball wieder Richtung Loch zurück schlug. Andere finden, „Lefty“ habe schlichtweg clever gedacht und smart gehandelt, als er die zwei Strafschläge in Kauf nahm, um weitere Puttversuche zu vermeiden. Wieder andere legen ihm genau diese Raffinesse auf dem Rücken der Regeln als schockierenden Affront gegen den „Spirit of the Game“ aus und sprechen wie der ehemalige US-Ryder-Cup-Teamchef Paul Azinger von „Charakterlosigkeit“. Blogger Donal Hughes von „Golf Central Daily“ nannte den Vorfall gar Schummelei und taufte ihn „Mickelgate“. Welcher Haltung man sich anschließen mag, Mickelson hat den Regelverstoss ganz bewusst gewählt, was er im „Fox-Sports“-Interview mit Curtis Strange ja auch zugab: „Ich hatte keine Lust, wieder hin und her zu putten. Also habe ich lieber die Strafe in Kauf genommen. Das hatte keineswegs etwas mit Missachtung zu tun.“ Die Regeln seien immerhin auch da, um dem Golfer zu helfen.

So kann man es auch sehen. Was bleibt, ist die Frage, warum der Publikumsliebling am Tag seines 48. Geburtstags nicht disqualifiziert wurde. Wie der zuständige USGA-Direktor John Bodenhamer später erklärte, sei eine Disqualifikation gemäß Regel 1-2 („ Beeinflussung der Bewegung des Balls oder Abänderung physischer Bedingungen“) nicht notwendig gewesen: „Er hat den Ball nicht abgelenkt oder gestoppt, sondern bloß einen Schlag gegen den Ball in Bewegung ausgeführt. Da greift Regel 14-5 mit zwei Strafschlägen.“

Nach unmaßgeblicher Ansicht des Autors hingegen handelte es sich sehr wohl um eine Beeinflussung der Laufrichtung – letztlich ist es doch gleich, ob diese Ablenkung den Ball zur Seite steuert oder wieder retour schickt. Und was wäre denn gewesen, wenn Mickelsons flinker Hieb die Murmel ins Loch bugsiert hätte…? Freilich, die USGA hätte auch Regel 33-7 anwenden können, die „ernsthafte Verletzungen der Etikette“ mit Disqualifikation ahndet. Für Bodenhamer war Mickelsons Vorgehen kein „extremer Fall“. Für viele Beobachter hingegen schon.

Phil Mickelson ist schließlich nicht irgendwer, sondern in aller Welt eine Personifizierung des Golfsports. Seine Runde gestern war spätestens mit dem Quadruple-Bogey auf der 13 im Eimer, auf ein paar Dollar mehr oder weniger im Endklassement kommt es dem vielfachen Millionär gewiss nicht an, da kann man bei aller Ausgebufftheit etwas mehr Haltung erwarten. Irgendwer sagte, er hätte es „wie ein Mann nehmen“ und zu Ende putten müssen. Mickelson steht eigentlich für „Sportsmanship“, aber seit gestern hat die Weste von Mr.-Nice-Guy einen hässlichen Fleck.

USGA-Chef Davis: Platz wird entschleunigt

Ein Nachmittag verändert alles: Nach diesem „Moving Day“ auf Shinnecock Hills ist der amerikanische Verband USGA erneut vom Trauma eingeholt worden, den Bogen seiner US Open als „ultimativen Test im Golf“ überspannt zu haben – so wie 2004 an gleicher Stelle pikanterweise. Bei aller Kritik an den eher grenzwertigen Fahnenpositionen auf der Back Nine muss man Mike Davis und Co. allerdings zugute halten, dass sie zuvorderst vom Winde verweht wurden, der deutlich heftiger aufkam als erwartet. Binnen Minuten beinahe trocknete der Platz extrem aus und Grüns, die am Vormittag noch griffig waren und Birdies zuließen, wurden zu fast unspielbaren Tanzdielen. vielleicht hätten sie auch einfach nur das Gras rundherum nicht so arg kurz mähen sollen. „Ich habe noch nie erlebt, dass sich ein Kurs derart schnell verändert“, beschrieb es jedenfalls Justin Rose. Und so hat die Tagesbilanz den mehr als schalen Beigeschmack der Wettbewerbsverzerrung. „Die USGA hat den Platz verloren“, sagte Zach Johnson in einem Interview nach seiner 72er Runde. Für „USA Today“ stürzte die US Open gar „ins Chaos“.

Entsprechend zerknirscht gab sich am Abend USGA-Boss Davis. „Kein Zweifel, das waren zwei unterschiedliche Golfplätze heute. Wir wollen eine extrem schwierige US Open als komplette Prüfung, müssen indes eingestehen, dass einige wirklich gute Schläge nicht belohnt wurden. Wir werden den Platz entschleunigen und die Grüns ordentlich wässern.“

„Sie ließen uns wie Trottel aussehen“

Skeptizismus: Neben „Mickelgate“ waren die Spielbedingungen auf Shinnecock Hills das Thema nach dem gestrigen „Moving Day“. Hier einige ausgewählte Stimmen:
Dustin Johnson: „Es gab vielleicht eine oder zwei Fahnenpositionen, die etwas riskant waren, aber insgesamt fand ich es auf den Grüns nicht zu schwierig oder zu schnell. Wenn es etwas zu kritisieren gibt, dann dass die Geschwindigkeit unterschiedlich war, einige Grüns waren schnell, einige eher langsam. Man musste heute ein sehr gutes Gefühl fürs Tempo haben.“
Henrik Stenson: „Ich glaube nicht, dass [bei der USGA] jemand an unseren Anmerkungen interessiert ist. Ansonsten hätten wir andere Flaggenpositionen gesehen und im Lauf der Jahre schon andere Set-ups. Es ist wie es ist, morgen gehen wir wieder raus und fechten es aus.“
Brooks Koepka (zur besonderes umstrittenen Fahnensetzung auf der 15): „Ich habe zu diesem Grün nichts angenehmes zu sagen, also sage ich besser gar nichts.“
Justin Rose: „Man muss vorsichtig sein mit seinen Wünschen. Wir wollen eine besonderes selektive US Open, und ich schätze, genau die haben wir diese Woche bekommen.“
Ian Poulter: „Wenn ein bestimmter Schwierigkeitsgrad überschritten ist, fühlen sich Pars wie Birdies und Bogeys wie Pars an. Einige Putts waren unmöglich, einige Pinpositionen unspielbar. Aber sie wollen es halt brutal schwierig, es soll nun mal ein knallharter Test sein.“
Rafa Cabrera-Bello: „Das waren keine fairen Golfbedingungen. Manche Grüns waren mit den diesen unnötigen Fahnenpositionen unspielbar. Die USGA hat es geschafft, uns wie Trottel aussehen zu lassen und einen wundervollen Platz zu zerstören.“

„D. J.“ bleibt Titel-Favorit bei US Open 2018

Gewinnchance: Es gibt wieder Geld für Dustin Johnson. Nach der gestrigen 77er Runde des Halbzeit-Leaders haben die Wettbüros in Las Vegas ihre Quoten für „D. J.“ von 2:3 vor dem Samstag nun auf 11:4 korrigiert, der Weltranglistenerste bleibt damit weiterhin Favorit auf den Majorsieg. Dahinter rangiert Johnsons Fitness-Gefährte und Freund Brooks Koepka, der Titelverteidiger würde im Erfolgsfall 3:1 bringen. Es folgen Justin Rose (9:2), Tony Finau (7:1), Daniel Berger (8:1), Henrik Stenson (10:1) und Patrick Reed (20:1).

Vormittags-Runden als „Glücksfall“ für Berger und Finau

Der frühe Vogel…: Zu den besonderen Augenfälligkeiten des US-Open-Samstags gehörte die Wettbewerbsverzerrung durch moderate Bedingen am Vormittag. Die ersten elf Flights am „Moving Day“ benötigten durchschnittlich 73,6 Schläge, während die restlichen elf Pärchen auf dem rasant austrockenden Platz einen Schnitt von 77 Schlägen spielten. Unter den glücklichen Frühstartern war das heutige Schlussduo Tony Finau und Daniel Berger, die mit jeweils sechs „early birdies“ beide eine 66er Runde (-4) einfuhren und sich damit – nicht zuletzt dank der Extrembedingungen am Nachmittag – vom geteilten 45. Platz (+7) ganz nach vorne katapultierten. „Die frühe Startzeit war ein echter Glücksfall“, sagte denn auch Berger, dessen beste Majorplatzierung bislang ein zehnter Platz beim Masters 2016 war. Tony Finau bringt es auf deren zwei: bei der PGA Championship 2105 und beim diesjährigen Masters.

Dustin Johnson: „So ist das halt bei einer US Open“

Fatalismus: Vor allem Dustin Johnson ließ gestern im Wind von Shinnecock Hills mächtig Federn. Das zuvor noch gepriesene kurze Spiel des Weltranglistenersten war wie weggeblasen, der Putter blieb eiskalt und viele Putts endeten zu kurz, nach sechs Loch war der Vier-Schläge-Vorsprung aufgebraucht. „So ist das halt bei einer US Open“, sagte „D. J.“, als er nach einem Doppelbogey, sechs Bogeys und einem Birdie mit 7 über Par ins Clubhaus kam. „Da soll es nun mal verdammt schwierig sein.“ So gesehen habe er gar nicht schlecht gespielt, bilanzierte der 33-Jährige: „Sieben über ist normalerweise ein fürchterliches Ergebnis, aber das relativiert sich angesichts der Entwicklung der Grüns an diesem Nachmittag. Und ich bin nach wie vor in einer guten Ausgangsposition.“

Brooks Koepka: „Doppelbogeys vermeiden ist halbe Miete“

Verständnis: Brooks Koepka kam irgendwo aus dem Nirgendwo des Felds, heute bestreitet der Titelverteidiger diesen Finalsonntag der 118. US Open als geteilter Führender und an der Seite seines guten Kumpels Dustin Johnson. Das Rezept des 28-Jährigen am Samstag war denkbar simpel: „Irgendwann musst du bei einer US Open einfach mal kapieren, dass Bogeys völlig in Ordnung sind. Ich liebe es, die Fahnen zu attackieren. Manchmal freilich ist es einfach besser, konservativ zu spielen. Wenn man Doppelbogeys vermeiden kann, ist das schon die halbe Miete.“

Letzter US-Open-Champion mit einem erneuten Triumph im Folgejahr war übrigens „Mickelson-Interviewer“ Curtis Strange, der 1988 im The Country Club und 1989 im Oak Hill CC gewann. Zuvor schaffte der große Ben Hogan 1950 und 1951 (Merion/Oakland Hills) bei seinem fast wundersamen Comeback nach dem schweren Autounfall zwei Titel hintereinander.

Justin Rose: „Ich liebe meine Ausgangsposition“

Minimalismus: Das muss man auch erstmal schaffen – Justin Rose trifft auf 18 Loch nur vier Grüns „in regulation“ und rangiert damit im Endbereich des Felds. Dennoch übersteht der Engländer den mitleidlosen „Moving Day“ mit einer vergleichsweise hervorragenden 73er Runde und ist erster Verfolger des Führungsquartetts. „Ich liebe meine Position“, sagt Rose dazu. „Vor dem Samstag habe ich noch gesagt, dass es schon reichen würde, mit vier Schlägen Rückstand ins Finale zu gehen. Jetzt ist es nur ein Schlag; es braucht eine besondere Runde, doch die Chance ist absolut da.“

Das Runde muss ins Runde

Zum Schluss: Wenn schon so viel über die Fahnenpositionen am gestrigen „Moving Day“ debattiert wird, dann soll auch mal gezeigt werden, wie nicht nur im Shinnecock Hills Golf Club fachgerecht Flaggenlöcher konstruiert werden:

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