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„Stehaufmännchen“ Henrik Stenson: Dieses Major war fällig!

18. Jul. 2016 von Michael F. Basche in Usedom, Deutschland

Henrik Stenson hat nach vielen Rückschlägen endlich sein erstes Major gewonnen. (Foto: Getty)

Henrik Stenson hat nach vielen Rückschlägen endlich sein erstes Major gewonnen. (Foto: Getty)

Irgendwie hat Henrik Stenson es wohl gewusst. Vor einigen Monaten sagte Phil Mickelson zu ihm, er habe das erste Major allmählich echt verdient. Der Schwede antwortete damals: „Es wird Dir vermutlich nicht gefallen, wenn Du dann der Leidtragende bist.“ Genau so ist‘s gekommen, am Ende der Tage von Royal Troon. Der 40-Jährige aus Göteborg avancierte in einem grandiosen Duell ausgerechnet mit Mickelson zum „Champion Golfer oft the Year“, er spielte zehn Birdies und zwei Bogeys, egalisierte „Leftys“ fabelhafte 63er Auftaktrunde, seine 20 unter Par fürs Turnier sind der niedrigste Major-Score aller Zeiten.

Drei Schläge „heimgezahlt“

Stenson, jahrelang weltbester Golfer ohne Major, war fällig: nach sieben Top-5-Platzierungen in den letzten Grand-Slam-Turnieren, nach dem FedExCup- und Race-to-Dubai-Sieg 2013, nach dem zweiten Platz der Open von Muirfield im selben Jahr – mit eben jenen drei Schlägen hinter Mickelson, die er dem Amerikaner jetzt quasi „heimzahlte“. Hernach verglich Stenson seinen Triumph grinsend mit dem Führerschein, „weil ich wahrscheinlich ebenso oft durch die Prüfung gefallen bin, wie ich bei Majors Zweiter oder Dritter wurde“. Um flugs anzufügen, dass natürlich die Geburt der drei Kinder seine größten Lebensereignisse gewesen seien, erst danach diese 145. Open, „meine Frau Emma ist nämlich nebenan und hört zu“.

Die Elogen konnte Stenson ohnehin getrost anderen überlassen. Man nehme nur die „New York Times“, die sich bei der Einordnung des Finalzweikampfs fast überschlug: Ein Armdrücken sei es gewesen, ein Gipfelsprint, ein Schwergewichts-Boxkampf, eine Runde Stein, Papier, Schere, ein Rennen zweier Vollblüter. Ja, was denn nun? Es war bestechendes, glorreiches, fast unbeschreibliches Golf, die European Tour sprach gar von einer „titanischen Schlacht“.

Beide spielten ihr ganz eigenes Turnier, fernab des Felds, in einer anderen Dimension. „Ich hatte keine Ahnung, wie viele Birdies es waren oder welchen Score ich brauchte“, wird Stenson später sagen: „Ich war ausschließlich darauf fokussiert, zu tun, was ich tun musste – bis zum letzten Augenblick nicht nachzulassen!“ Am Ende hatte der eine endlich sein erstes Major, im 42. Anlauf, der andere bleibt weiterhin seit drei Jahren, seit Muirfield pikanterweise, ohne Sieg .

Yips mit dem Driver …

Vom Widersacher schon zur Höchstleistung getrieben („Phil war der härteste Gegner, den ich je hatte“), beflügelte Stenson eine weitere Motivation: das Gedenken an den jüngst in Arizona verstorbenen Mike Gerbich (74), ein enger Freund der Familie aus vergangenen Dubaier Tagen und Ex-Kapitän des dortigen Emirate Golf Clubs. Ihm galten der Trauerflor an Stensons Kappe und die Widmung des Titels, der Rest waren ausgelassene Freude und ein paar Schlucke Champagner aus dem Claret Jug, „das scheckt wirklich toll!“.

Die Open ist nun das Lametta für Stensons Laufbahn. Dabei schien seine Golfkarriere mehrmals fast beendet. 2001 wurde der Longhitter vom Driver-Yips heimgesucht, die Abschläge segelten unkontrolliert durchs Gelände. Noch heute vertraut der Professional, den sie ob seiner stoischen Haltung „Iceman“ nennen, der indes sein Temperament nicht immer unter Kontrolle hat, lieber dem Dreier-Holz, mit dem er einen Platz gleichermaßen auseinander nehmen kann.

… und Fehlspekulationen

Das nächste Tief kam, als 2009 das Schneeballsystem des Anlagebetrügers Allen Stanford und seiner „Financial Group“ aufflog. Der seinerzeitige Weltranglistenvierte und amtierende PLAYERS-Champion soll in den diversen Fonds des Sponsors sieben Millionen Dollar verzockt haben, eine enorme mentale Belastung für den kreuzehrlichen Familienmenschen. Es folgten eine parasitäre Infektion samt enormem Gewichtsverlust und 18-monatiger Rekonvaleszenz, später überdies eine Meniskus-Operation im linken Knie, 2012 war Stenson bloß noch 230. der Welt.

In der Verfassung von ehedem hätte „Iceman“ vermutlich nicht mal die Vereinsmeisterschaft im heimischen Gulbringa Golf Club gewonnen, wo er mit Zwölf seine erste Runde spielte und zum Ärger seiner Mutter fast täglich mit verdreckten Klamotten zu Hause auftauchte, weil die Kids sich ihre Bälle in den Teichen zusammen klaubten. Das habe ihn wohl nachhaltig beeinflusst, erklärt Stenson gern, warum er bei der WGC – Cadillac Championship 2009 seine Kleidung schonte und sich bis auf die Unterhose auszog, um den Ball aus einem Wasserhindernis zu schlagen.

Doppelter Ranglisten-Triumph 2013

Heuer ist das „Stehaufmännchen“ erneut auf der Höhe seines golferischen Könnens. So wie 2013, im Jahr nach dem Florida-Umzug, da gewann der begeisterte Skiläufer und Hobbyrennfahrer auf dem Weg zum amerikanischen Zehn-Millionen-Dollar-Jackpot die „Deutsche Bank“ und die  Tour Championship, entschied kurz darauf mit dem Erfolg bei der DP World Tour Championship auch Europas Geldrangliste für sich.

In Troon war Olympia-Bekenner Stenson („Ich fürchte mich vor Bären, aber nicht vor Moskitos“) jetzt Bester bei den „Greens in Regulation“, Fünfter bei den getroffenen Fairways, Elfter in den Abschlagslängen und vor allem geteilter Vierter auf den Grüns. „Er hat so gut geputtet wie nie zuvor“, sagt Caddie Gareth Lord über seinen Chef. In der Summe ergab das „Golf, wie es gedacht ist“, textete „Golf Digest“, „eine Werbung für das Spiel und den Sport insgesamt, die nicht besser hätte sein können!“


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