Golf-Stars

Sir Nick Faldo: „Plötzlich verwandelst du dich in eine Zwiebel“

26. Sep. 2019 von Benjamin Reeve in Köln, Deutschland

Heute sei die Scorecard nicht mehr sein Freund, sagt Nick Faldo. (Foto: Getty)

Heute sei die Scorecard nicht mehr sein Freund, sagt Nick Faldo. (Foto: Getty)

Sir Nick Faldo gründete 1996 die internationale Turnierserie Faldo Series. Ziel ist es, den Golfsport zu fördern und eine neue Generation von Talenten zu entwickeln. Inzwischen nehmen an der Faldo Series jährlich rund 7.000 ambitionierte Junggolfer im Alter von 12 bis 21 Jahren bei 40 Turnieren in 30 Ländern auf der ganzen Welt teil.

Seit 10 Jahren ist der Golf Club Bad Saarow der einzige deutsche Austragungsort der Faldo Series Championship. Zum Jubiläum erschien die Golflegende persönlich. Am Rande der Feierlichkeiten sprach er mit Golf Post.

Herr Faldo, Ihre Bemühungen um die Jugendförderung im Golf begannen in England und Großbritannien 1996….
…dann ging die Faldo Series nach Europa. Dann nach Asien. Jetzt läuft sie weltweit sehr erfolgreich.

Wird es neben Bad Saarow einen weiteren Ort geben, an dem die Faldo Series in Deutschland ausgetragen wird?
Nein, da ist nichts in Planung. Wir sind außerdem sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit und haben großes Vertrauen in die Organisatoren vor Ort.

Wird es denn einen weiteren Faldo-Platz in Deutschland geben?
In Europa ist es momentan sehr ruhig. Alles geht sehr langsam hier. Es gibt erste Gespräche mit einer Anlage in Frankreich aber aus Deutschland habe ich seit dem Bau in Bad Saarow nichts gehört.

Aber Sie bauen Plätze überall auf der Welt?
Ja, es ist eine Frage des Trends. Gerade ist die Entwicklung in Asien gewaltig. Wir hatten zehn Jahre lange eine grauenvolle Zeit. Von 2008 bis 2018 war nicht viel los. Jetzt holen wir wieder auf. Vor allem durch Projekte in Asien: Kambodscha, Südkorea…

… und Pakistan.
In Pakistan sind wir an einer ganzen Stadtentwicklung beteiligt. Für ehemalige und aktive Militärmitglieder wird dort eine riesige Infrastruktur geschaffen. Neben Cricket spielt dort auch Golf eine große Rolle. Außerdem haben wir einen Platz in Vietnam gebaut und sind noch an weiteren Projekten beteiligt. Also in dieser Region läuft es wirklich gut. Überall anders ist es momentan viel Arbeit.

In welchem Sinne viel Arbeit?
Es gibt entsetzlich viele Auflagen. Es ist so: Manche Staaten machen den Bau eines Platzes einfach möglich, in Europa macht man es hingegen unnötig schwer. Besonders, wenn noch keine Infrastruktur – ein Hotel oder Clubhaus – besteht. Wenn man das Land um den Platz herum einfach bebauen kann, so dass die Investoren ihr Geld schnell zurückbekommen, ist es viel einfacher. Das ist uns in Europa aber noch nie passiert.

Sie haben einmal gesagt, dass Bad Saarow unter Ihren fünf liebsten Plätzen ist, die Sie selbst gebaut haben.
Ja, es ist ein ziemlich cooler Golfplatz. Bad Saarow war mein erstes Design in Europa. Er ist schwierig zu spielen, hat ein paar wirklich gut aussehende Löcher und hat Charakter. Ich habe mich damals vom Old Course in St. Andrews und Muirfield inspirieren lassen.

Welcher Golfplatz ist auf Platz 1?
Ich habe einige Favoriten aber wenn ich mich entscheiden muss, dann ist es der Laguna Golf Lăng Cô. Dort geht man auf der Runde durch unterschiedlichste Landschaften. Durch Reisfelder, durch Dschungel, am Strand und einem Fluss entlang, dann gibt es felsige Hügel und dann noch mehr Dschungel. Der Platz ist ungewöhnlich abwechslungsreich und dadurch sehr einprägsam.

Abwechslungsreich muss ein Platz also sein, damit er Sir Nick gefällt?
Nicht unbedingt. Ich habe einige Wochen Urlaub in Montana gemacht und den Faldo Course dort in Eureka sehr genossen. Er ist riesig groß und dabei sehr friedlich. Die Ruhe unter dem Himmel von Montana und die Berge am Horizont sind herrlich. Außerdem ist das Spiel dort jeden Tag anders, was sehr wichtig ist.

Also doch die Abwechslung?
So gesehen, ja (lacht). Es gibt einige Plätze, die mir Vergnügen bereiten.

 

Eine andere Ära: das siegreiche europäische Ryder Cup Team 1997: Vorne (v.l.n.r.): Bernhard Langer, Thomas Bjorn, Severiano Ballesteros (Captain), Nick Faldo und Darren Clarke. Hinten(v.l.n.r.): Per-Ulrik Johansson, Ignaccio Garrido, Jesper Parnevik, Colin Montgomerie, Lee Westwood, Jose Maria Olazabal, Constantino Rocca und Ian Woosnam. (Foto: Getty)

Eine andere Ära: das siegreiche europäische Ryder Cup Team 1997: Vorne (v.l.n.r.): Bernhard Langer, Thomas Bjorn, Severiano Ballesteros (Captain), Nick Faldo und Darren Clarke. Hinten (v.l.n.r.): Per-Ulrik Johansson, Ignaccio Garrido, Jesper Parnevik, Colin Montgomerie, Lee Westwood, Jose Maria Olazabal, Constantino Rocca und Ian Woosnam. (Foto: Getty)

 

Sie waren der vielleicht einflußreichste Golfer Europas, Ryder Cup Captain und sind auch heute noch Vorbild für viele Golfer. Wie ist Ihre Verbindung zu den heutigen Profis auf der Tour?
Wir, also die Generation um Seve (Severiano Ballestros, Anm. d. Red.), Langer und Faldo, das war eine andere Ära. Ich bin 62 Jahre alt. Die „Youngsters“ heute – Fleetwood oder Hatton – sind 25 bis 30 Jahre alt. Ich bin zwei Karrieren von denen entfernt. Die mittlere Gruppe – Rose, Poulter oder Harrington – ist auch schon 15 Jahre jünger als ich. Die Tour hat sich drastisch verändert. Dennoch hat man manchmal Kontakt.

Sie haben Padraig Harrington erwähnt. Er ist aktueller Kapitän des Ryder Cup Teams. Kommt er auf Sie zu, um über den Ryder Cup und die Teamführung zu sprechen?
Bisher hat er sich nicht bei mir gemeldet und ich bezweifle, dass er es tun wird. Jeder Kapitän hat seine eigenen Ideen und Vorstellungen wie ein Team zu funktionieren hat. So einfach ist das.

Faldo, der Jugendförderer, der Platzdesigner, der Golf-Kommentator. Sie suchen Ihr Glück abseits des Platzes. Wie viel Zeit haben Sie um aktiv Golf zu spielen?
Glücklicherweise liebt Lindsay (Lebenspartnerin Lindsay De Marco, Anm. d. Red.) es zu golfen. Wenn wir zu Hause sind, schlägt sie häufig vor, dass wir eine 9-Loch-Runde spielen gehen oder wir schlagen Bälle für eine Stunde. Wir mögen es sehr, in Bewegung zu bleiben und vor allem gemeinsam zu golfen. Florida ist dafür natürlich gut geeignet. Da gibt es überall Golfplätze. Manchmal nimmt auch nur Lindsay die Schläger mit. Ich golfe heute nur noch zur Erholung.

 

Am Brandenburger Tor mit Lebensgefährtin Lindsay De Marco. (Foto: Twitter/@NickFaldo006)

Am Brandenburger Tor mit Lebensgefährtin Lindsay De Marco. (Foto: Twitter/@NickFaldo006)

 

Aber sie waren ein sehr ehrgeiziger Golfer.
Ja, das war ich. Aber ich habe keinerlei Pläne für irgendeinen Wettbewerb. Die Scorecard ist nicht mehr mein Freund (lacht).
Ehrlich gesagt ist es entmutigend.

Ist es das?
Ja, das ist es. Ich kann nicht mehr so spielen wie früher. Das ist unglaublich frustrierend. Wenn ich eine 77er Runde spiele und es eine echte Schinderei ist, unter Par zu kommen, da kann ich nicht einfach denken: „Wow, macht das Spaß!" - Nein, danke!

Spielen Sie deshalb nicht auf der Senior Tour?
Ich hatte anfangs die Möglichkeit, aber dann kam das Fernsehen. Als ich angefangen habe, musste ich mich erst mit allem Vertraut machen und lernen wie das Geschäft als Golfanalyst funktioniert. Es gab keine Möglichkeit beides unter einen Hut zu bekommen.

Der sportliche Ehrgeiz ist auf einmal nicht mehr da? Der Gewinnhunger war plötzlich weg?
Ich war über 30 Jahre lang ein Pro und meine Golfbatterien waren leer. Du kannst nicht über so eine lange Zeit ständig unter Strom sein. Ich kann nicht nur mitspielen, um zu überleben. Das interessiert mich nicht. Ich brauche eine andere Motivation. Gewinnen war meine Motivation. Die ganze Zeit übst du und reißt dir den Arsch auf, um zu gewinnen. Ich habe gespielt, um zu gewinnen. Und wenn du das nicht mehr kannst und dich selber fragst, wie man dieses Spiel überhaupt spielt, was soll das Ganze dann noch.

Ist die Senior Tour für Sie also als „Altherrensport“ nicht reizvoll?
Nein, die Spieler auf der Senior Tour sind großartig. Aber ich konnte nicht mehr. Ich hatte 30 Jahre in der Sonne gestanden und Abermillionen Golfbälle geschlagen. Ich konnte es einfach nicht mehr – weder physisch noch psychisch. Und da kam die Arbeit als Kommentator zur richtigen Zeit. Die Arbeit macht mir Freude. Es geht um anspruchsvolles Golf und es macht mich glücklich. Jetzt sitze ich bald 15 Jahre in der Kommentatoren-Box.
Natürlich habe ich ab und an versucht ernsthafter zu spielen. Aber wenn du es nicht jeden Tag machst, verlierst du dein Gefühl für das Spiel. Du verlierst alles – technisch und geistig.

Sie haben einmal gesagt, dass es zu Beginn der Faldo Series darum ging, den nächsten Nick Faldo zu finden. Und zum Glück kommen – auch dank Ihrer Jugendförderung – gute Golfer nach. Großbritannien hat kein Nachwuchsproblem. Deutschland hat nicht das Glück in jeder Generation mehrere Top-Golfer zu haben…
…naja, Sie haben einen Herrn Langer. Der reicht für viele Generationen und schlägt sich doch noch verdammt gut. Martin Kaymer ist auch nicht ohne.
Aber um ehrlich zu sein macht es keinen Sinn, dass es in Deutschland so wenige Top-Golfer gibt. Alles ist da. Die Schläger sind, verglichen zu dem was mir damals zur Verfügung stand, Weltraumtechnologie. Jeder kann heute ein Fitting-Center nutzen. Und auch das Golfwissen ist kein Geheimnis mehr. Wenn David (Trainer David Leadbetter, Anm.d. Red.) damals hinter mir stand und mit zugekniffenen Augen Vorschläge machte, war das die Schwunganalyse. Heute kann jeder Analysetechnologien nutzen. Heute geht es letztlich um die individuelle Entschlossenheit, Hingabe und Disziplin der einzelnen Mädchen und Jungen unendlich viele Bälle zu schlagen und Runden zu spielen, um besser zu werden. Um Top-Golfer zu werden.

Nicht nur der Nachwuchs, erst recht die Profis haben all diese Möglichkeiten. Sie haben Martin Kaymer erwähnt. Wie schätzen Sie ihn und sein Spiel momentan ein?
Niemand kann erklären, wie man eine Zeit lang voller Selbstvertrauen spielen kann und dann passiert irgendwas und du verwandelst dich in eine Zwiebel.

Eine Zwiebel?
Je länger die Durststrecke dauert, je mehr Skepsis baut sich auf und du beginnst an dir zu zweifeln. Der zweite Zweifel legt sich um den ersten herum und so weiter. Es werden immer mehr Schichten aus Fragen und du dann siehst den Kern des Problems nicht mehr. Es wird immer schwieriger sich auf dein Spiel konzentrieren. Du bist eine Zwiebel aus Zweifeln und skeptischen Fragen an dich selbst. Das ist uns allen schon passiert. Vielleicht nicht Jack (Jack Nicklaus, Anm. d. Red.), der ist einfach nur alt geworden (lacht).
Aber Martin Kaymer und auch Jordan Spieth sind hierfür gute Beispiele. Sie haben mit solch großartigem Selbstvertrauen gespielt. Dann kommst du ins Stocken, dir gehen die Erklärungen dafür aus und das Grübeln setzt ein. An einem Tag sind wir Bulldozer und am anderen auf einmal blütenzart. Aber es gibt keine Antwort darauf, wie sowas mit dem Selbstvertrauen passieren kann und wie es verhindert werden kann. Es ist wohl das Schwierigste an unserem Spiel, nicht am eigenen Kopf zu scheitern.

Das Interview führte Benjamin Reeve


Feedback