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Ryder Cup

Medinah? Nicht nur Poulter hofft heute auf mehr als nur ein Wunder in Wisconsin

26. Sep. 2021 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Davon braucht es mehr: Ian Poulter hofft auf einige "Wunder" beim Ryder Cup 2021. (Foto: Getty)

Davon braucht es mehr: Ian Poulter hofft auf einige "Wunder" beim Ryder Cup 2021. (Foto: Getty)

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Alle sprachen gestern von Medinah: Doch es braucht heute in Whistling Straits mehr als das überraschende Aufbäumen 2012 in Illinois, bei dem Martin Kaymer mit seinem Putt im Match gegen Amerikas aktuellen Skipper Steve Stricker den Schlusspunkt einer erfolgreichen Wiedergeburt nach 6:10-Rückstand setzte. Damals waren Europas tragende Säulen „heiß wie Frittenfett“, sorry für den saloppen Ausdruck: Justin Rose übte nachts Putts auf dem Teppich seines Hotelzimmers, Ian Poulters Energie hätte eine Kleinstadt mit Strom versorgen können und Rory McIlroy war richtig hellwach, nachdem er beinahe die Startzeit verpasst hätte und von PGA-Mitarbeiterin Erica Stoll, mittlerweile seine Ehefrau, per Telefon erinnert werden musste. Heute wirkt es, als „schlafwandele“ der Nordire über die Fairways von Whistling Straits, schrieb „Bunkered.co.uk“; und sowieso erweisen sich zuvorderst Jon Rahm und Sergio Garcia sowie Rookie Shane Lowry als verlässliche Größen, nachdem der imposante Ire gestern nicht nur Tyrrell Hatton weitgehend über die Runde hievte, sondern fast im Alleingang auch den immens wichtigen fünften Punkt für Europa einfuhr.


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Nur zur Verdeutlichung: Der Weltranglistenerste Rahm steuerte im Bund mit Ryder-Cup-Rekord-Sieger Sergio Garcia (24 Punkte) und – eher trotz – Hatton allein 3,5 der fünf Zähler bei.


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Doch obwohl aller guten Dinge bekanntlich Drei sind, ist das Trio wahrlich nicht genug, um dem übermächtig wirkenden US-Team heute den Schneid abzukaufen – selbst wenn Amerikas Edelfan Michael Jordan zurecht darauf hinweist, dass Gegner „am gefährlichsten sind, wenn sie in die Ringecke getrieben wurden“, sprich mit dem Rücken zur Wand stehen. Einen Sechs-Punkte-Rückstand vor den Einzeln gab es noch nie in der seit 1979 währenden Geschichte eines gesamteuropäischen Aufgebots beim Kontinentalwettbewerb. Schlimmer wars letztmals überhaupt 1975, als das britisch-irische Team mit neun Punkten Defizit in die Einzel ging und schließlich mit zehn Punkte Rückstand verlor.


Die heutige Ausgangslage ist dramatisch. Lediglich 3,5 Punkte fehlen Steve Strickers Dutzend, damit der kleine goldene Henkelmann in der Neuen Welt bleibt. Und Amerikas Akteure haben sämtlichst in den Vierern bereits gewonnen. Da bleibt den Europäern nur, sich an jeden noch so kleinen Strohhalm zu klammern. Das „Miracle von Medinah“ allein reicht definitiv nicht: „Es braucht jetzt eine Menge Wunder hier in Wisconsin“, sprach Ian Poulter gestern gewiss allen Sympathisanten der Europäer aus dem Herzen. Laut Kapitän Padraig Harrington sind sich in seiner Truppe alle bewusst, „welche Herkulesaufgabe ihnen bevorsteht“. Aber „wer weiß“, ergänzte Shane Lowry: „Wenn wir drei oder vier der ersten Matches gewinnen, ist alles möglich. Man muss nur dran glauben.“

McIlroy und das Pfeifen im dunklen Wald

Wenn schon von Wundern die Rede ist: Falls sich nicht ein weiteres einstellt, dann markiert dieser 43. Ryder Cup einen Tiefpunkt in der Karriere von Rory McIlroy. Die schöpferische Pause am gestrigen Vormittag hat wenig geholfen, nachmittags ging er an der Seite von Ian Poulter erneut baden. Und einmal mehr schaffte es das Duo nicht bis zum 16. Loch – der vierfache Majorsieger hat das diesjährige Set-up des finalen Bahnentrios von Whistling Straits letztmals am Donnerstag beim Abschlusstraining gesehen. Und heute soll dieser komplett neben sich stehende „Rors“ im Auftaktmatch gegen Xander Schauffele den Takt fürs europäische Comeback vorgeben … Wird bei diesem Gedanken bloß dem Autoren mulmig?

„Ja, das ist absolut enttäuschend“, sagte der 32-Jährige nach der dritten Niederlage im dritten Einsatz: „Ziemlich deprimierend, dass ich noch keinen Punkt fürs Team beisteuern konnte.“ Und dabei tut ein halbwegs schlagkräftiger McIlroy so bitter Not. Umso erschreckender, dass er in beiden Fourball-Partien nicht ein einziges Birdie schaffte. Nicht mal auf den Par-5-Löchern. Da klingt seine Hoffnung, „dass wir sie [die US-Spieler] mit vereinten Kräften in den Einzeln vielleicht etwas zum Schwitzen bringen“, eher wie Pfeifen im dunklen Wald.

„Würdeloses“ Theater um zu schenkende Putts

Mit Geschenken ist das so eine Sache, man kriegt nicht immer was man sich wünscht: Diese Erfahrung musste gestern auch Bryson DeChambeau machen, der auf dem ersten Loch gern den finalen Putt über 78 Zentimeter erlassen bekommen hätte. Doch die Gegner Tommy Fleetwood und Viktor Hovland blieben ungerührt. Also schritt „BDC“ voller Unmut zur Tat, den er anschließend ostentativ dokumentierte, in dem er mit seinem Putter den geringen Abstand zum Loch demonstrierte.


Generell hat er recht: Putts von der Länge eines Putters werden üblicherweise gern geschenkt, aber erstens benutzt DeChambeau einen überlangen „Short Stick“ – und zweitens ist nun mal Ryder Cup, da herrschen andere Gesetze. Und so stieß sein Begehr selbst bei amerikanischen Beobachtern auf Unverständnis. Trainerlegende Butch Harmon beispielsweise sagte auf „Sky Sports“: „Komm schon, Bryson. Spiel einfach nur Golf. So was brauchen wir nicht, das ist würdelos.“ Und auf „Golf.com“ schrieb Michael Bamberger: „Schrecklich. Unangemessen. Lächerlich. Kann sich jemand an so was bei Arnold Palmer, Jack Nicklaus oder Tiger Woods erinnern?“

Zu DeChambeaus Ehrenrettung sei erwähnt, dass er nicht der Einzige war, der Theater um nicht geschenkte Putts machte. Schon zuvor hatten sich Justin Thomas und auch Shane Lowry ähnlich mokiert, als des Gegners „Gimme“ ausblieb.

Garcias perfekte Antwort auf den Zwischenrufer

Wie man in den Wald hineinruft …: Die Stunden verstreichen, der Bierkonsum steigt, die Stimmung wird primitiver – auch gestern zeigten sich die US-Fans vor allem am Nachmittag wieder von ihrer unangenehmen Seiten, war ausfallend, blökten in der Gegend herum und begeisterten sich an missglückten Schlägen der Europäer. Die einzig richtige Antwort auf derart unfaires Verhalten sind grandiose Schläge, von denen der blauen Equipe gestern einmal mehr zu wenige gelangen – mit ein paar Ausnahmen. Eine davon lieferte Sergio Garcia im Vormittags-Vierer auf Bahn 16. 244 Meter bis zum Grün hatte der Spanier bei seinem zweiten Schlag auf dem Par-5 vor sich und griff zum Fairwayholz, als ihn einer der Schreihälse aus der Galerie anpflaumte: „Hey, das kriegst du niemals hin, der Schlag ist eine Nummer zu groß für dich!“ Doch Garcia ließ sich nicht beirren, zog voll durch, pflanzte den Ball anderthalb Meter neben die Fahne und ebnete seinem Partner Jon Rahm so den Weg zum Eagle. „Das war der richtige Schlag zum rechten Moment und die passende Erwiderung. Da hat der Zwischenrufer offenkundig ziemlich falsch gelegen“, grinste Garcia nach dem Match, der seit gestern Abend mit 24 Siegen der erfolgreichste Ryder-Cupper aller Zeiten und aller Seiten ist.


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Zoff zwischen Spieth und Rahms Caddie

Nebenkriegsschauplätze: Der Samstag von Whistling Straits war ein Tag der hitzigen Regeldebatten. Erst verunglimpfte Brooks Koepka einen Schiedsrichter, wofür er und Partner Daniel Berger nach Ansicht des „Golf Channel“-TV-Experten Brandel Chamblee übrigens hätten disqualifiziert werden sollen, dann legten sich Jordan Spieth und Jon Rahms Caddie Adam Hayes miteinander an, nachdem der dreifache Majorsieger einen angeblich an der falschen Stelle gedroppten Ball des Weltranglistenersten moniert hatte. Rahm hatte im Vierball auf Loch 5 ins Wasser gehauen, und obwohl sich die Kontrahenten eigentlich über die passende Stelle für den Drop geeinigt hatten, brachte irgendjemand eine um 20 Yards verbesserte Position ins Gespräch, was Spieth umgehend auf die Palme und zum Meckern und Maulen brachte. Hayes wiederum ließ sich nicht zwei Mal bitten, zum Vorteil seines Chefs Partei zu ergreifen – und wohl etwas überzureagieren. Jedenfalls lieferten sich die beiden umgehend ein hitziges Wortgefecht, in dessen Verlauf Spieth darauf beharrte: „Ich bin nicht zuerst laut geworden, Kumpel.“ Am Ende musste Rahm ein bisschen moderieren, nachdem das Loch absolviert war, und mit einigen freundschaftlichen „Fist Bumps“ wurde das Kriegsbeil wieder begraben. Die Hitze des Gefechts beim Ryder Cup halt.

Der 360-Grad-Lip-out des Jordan Spieth

Und noch mal Jordan Spieth: Acht Löcher später stand der Texaner zum Birdie auf dem 13. Grün, knapp 2,4 Meter trennten ihn und Brooks Koepka vom Lochgewinn gegen die „Spanische Armada“ Rahm/Garcia. Und dann geschah das Unfassbare – TV-Analyst Paul Azinger nannte die 360-Grad-Ehrenrunde des Balls das „schlimmste Lip-out, das man nur haben kann“:

Ruhe vor dem Sturm per Rundflug

Rundflug: Immer wieder ein netter Gimmick, erst recht vor der erwartbaren Aufgeregtheit eines Ryder-Cup-Schlusstags. Also lehnen wir uns noch mal entspannt zurück und genießen die „Luftaufnahmen“ aus Whistling Straits’ Clubhaus, dem europäischen Hauptquartier und und und. Ein Dank an den geschickten Piloten:

„Advantage Amerika“: Loch 8 als typisches Beispiel

Symptomatisch: Im klassischen Vierer am Samstag zeigte ein Loch, warum die Europäer in diesem 43. Ryder Cup so deutlich ins Hintertreffen geraten sind. Nicht zuletzt nämlich, weil sie die wenigen Fehler der Amerikaner kaum zu nutzen vermochten. Schauplatz ist Bahn 8, jenes spektakuläre, 443 Meter lange Par-4 mit dem diagonal verlaufenden, vom Tee kaum einsehbaren Fairway. Im Match Nummer vier des Vormittags gegen Lee Westwood und Matt Fitzpatrick haut Xander Schauffele den Abschlag in den Abhang an der rechten Seite der Bahn; Patrick Cantlay schafft es aus der mehr als misslichen Lage lediglich 105 Meter nach vorn und landet ebenfalls im Kraut. Die beiden Engländer arbeiten sich derweil vergleichsweise gemütlich übers Fairway voran und bringen den Ball „in regulation“ aufs Grün. Und jetzt kommt der Unterschied: Während „Westy“ und „Fitz“ für die letzten 7,1 Meter zwei Putts brauchen, knallt Schauffele den dritten Schlag der Amerikaner aus dem Gemüse bis auf zweieinhalb Meter an den Stock. Und „Patty Ice“ stopft für ein „Tied“, das gut 307 Meter der Amerikaner lang aussah, wie ein sicherer Lochgewinn für Europa. Mehr noch: Dieses unerwartete Unentschieden verlieh Cantlay und Schauffele, die schon beim Presidents Cup ein effektives Duo gebildet hatten, derart viel „Momentum“, dass sie in Folge drei Löcher hintereinander gewannen und bis zum letztendlichen 2&1 von diesem Vorsprung zehrten. Als bitteres Fazit aus europäischer Sicht bleibt zu notieren: Wer solche Möglichkeiten nicht zu eigenen Gunsten verwertet, der kann auch keinen Ryder Cup gewinnen.

Thomas’ und Bergers besondere „Pre-Game-Show“

Zum Schluss: Lässlicher Übermut oder unfeiner Auftritt? Daniel Berger und Justin Thomas lieferten gestern vor den Vierball-Partien auf dem ersten Abschlag von Whistling Straits eine „Pre-Game-Show“ der besonderen Art. Die beiden Amerikaner, die am Nachmittag pausieren durften, heizten das Publikum mit wilden Gesten sowie ausgelassenen Tänzen an und „exten“ unter dem Gegröle der Fans auch die zum Dank von den Tribunen heruntergeworfenen Bierbüchsen. Das wirkte trotz der sattsam bekannten Energiefelder beim Ryder Cup einigermaßen befremdlich, und etliche Europäer empfanden Bergers und Thomas’ überschwängliche Ouvertüre für den Nachmittag folgereichtig als ziemlich daneben.

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