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Liste der LIV-Teilnehmer: Ein Haufen von „Herren“ mit Haltungsschäden

03. Jun. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

"Herren mit Haltungsschäden" (Foto: Getty)

"Herren mit Haltungsschäden" (Foto: Getty)

Piepen und Penunzen, Kohle und Kröten, Mäuse und Marie – das Wörterbuch der Synonyme kennt viele alternative Begriffe für Geld. Und über allem schwebt der alte, geflügelte Spruch der Lateiner: Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Jedenfalls für alle jene nicht, die von Greg Norman auserkoren worden sind, an der Premierenveranstaltung seines Zaster-Zirkus, aka Saudi-Liga, aka LIV Golf Invitational Series teilnehmen und sich im Centurion Golf Club nahe London ein Stück des Knete-Kuchens im Gesamtwert von 25 Millionen Dollar abschneiden zu dürfen. 170 Profis und sogar ein paar Amateure sollen sich beworben haben, die ganz schnell großes Geld machen wollen – Bettelbrüder von Normans Gnaden, wie würdelos.

Auch Johnsons Start überrascht nicht wirklich

Das Ergebnis war erwartbar und ist längst rauf und runter dekliniert worden: Westwood, Poulter, Oosthuizen, Kaymer, Garcia – Ex-Größen, die ihre besten Jahre hinter sich haben, dazu Pool-Personal aus den hinteren Rängen der Weltrangliste. Nichts, was einen wirklich vom Hocker reißt. Selbst dieser eine, vermeintlich überraschende Name nicht.

Dustin Johnson also, auch das längst kolportiert. Über 70 Millionen Dollar an Karriere-Preisgeld schwer – nur der Vollständigkeit halber –, außer Form und gerade aus den Kurz-Flitterwochen mit Langzeit-Partnerin und Neu-Gattin Paulina zurück gekehrt. Das LIV-Angebot sei zu verlockend gewesen, um darauf zu verzichten, ließ sein Manager David Winkle wissen: „Letztlich hat er entschieden, was für seine Interessen und die seiner Familie das Beste ist.“ Geld.

Das dämlich Mantra von „Ich bin kein Politiker“

Sehr viel Geld. Eine Schubkarre voll Schotter, 125 Millionen Dollar angeblich. Was man halt so braucht für einen degoutanten Lebensstil mit Schickimicki-Freunden aus der It- und Instagram-Blase. Bevor wieder jemand jault: Das hier ist kein Sozialneid. Bloß eine Polemik wider die Käuflichkeit und wider Typen, die längst mehr als satt sind und dennoch den Hals nicht vollkriegen können. Die ohne Not Mammon über Moral stellen und dies mit dem ebenso wohlfeilen wie dämlichen Mantra begründen, man sei Profi-Golfer und kein Politiker.

Nein, Martin Kaymer und Co., das gilt so nicht. Es ist Prof. Dr. Carlo Masala zu zitieren, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr München in Neubiberg: „Sport ist immer politisch!“ Und Martin Klein, Beauftragter für internationale Sportpolitik des Vereins „Athleten Deutschland“ betont die „menschenrechtliche Verantwortung des Sports“: „Menschenrechte gelten universal. Das hat wenig mit Politik zu tun […] Politisch neutral zu sein bedeutet nicht, Menschenrechtsverletzungen […] stillschweigend hinzunehmen und sie mit diesem Schweigen sogar zu legitimieren.“


Es geht auch anders: Darren Clarke, Champion Golfer of the Year 2011 und auch sonst in jeder Hinsicht ein golferisches Schwergewicht, hat ein extrem lukratives Angebot von LIV Golf abgelehnt, um seine weitere Laufbahn bei den PGA Tour Champions nicht zu gefährden. Der 53-Jährige sollte Chef-Analyst für die TV-Übertragungen von der LIV Golf Invitational Series werden und einen Dreijahres-Vertrag bekommen. Nachdem ihn Miller Brady, der Präsident des Senioren-Circuits, jedoch in einem Telefonat über mögliche Konsequenzen aufgeklärt hatte, erklärte Clarke: „Ich genieße meine Zeit auf der Champions Tour und möchte das nicht gefährden.“


Zur Erinnerung: Was Impresario Norman da so verschwenderisch unters Golf-Volk wirft, ist „blutiges Geld“ („Washington Post“), mit dem das Regime in Riad sehr bewusst Glanz und Gloria finanziert, um von Mord, Menschenrechtsverletzungen und sonstigen Missständen abzulenken. Wer dieses stinkende Geld nimmt, macht sich zum Sympathisanten der Saudis.

Charaktertest nicht bestanden

Dustin Johnson und all die anderen „Herren“ mit Haltungsschäden stört das offenbar nicht. Der zweifache Majorsieger galt ohnehin als der Käuflichste auf der Liste der Wackelkandidaten; im Februar hat er noch Treue zur PGA Tour geheuchelt, jetzt ist er umgefallen. Ein jeder hat wohl seinen Preis, weiß der Volksmund, ob monetärer, ideeller oder sonstwelcher Art. Den meisten hat man ihren bloß noch nicht geboten, „D.J.“ offenbar schon. Der Kollege Eamon Lynch hat es in „Golfweek“ mal wieder auf den Punkt getroffen: „Dustin Johnson wurde durch die Saudis mit einem Charaktertest konfrontiert, den er – wenig überraschend – nicht bestanden hat.“

Ruhm und Ehre gehen dem 37-Jährigen am Allerwertesten vorbei; auch der Verlust des Sponsors RBC (Royal Bank of Canada) juckt ihn offenbar kaum – was wunder, angesichts einer 125-Millionen-Kompensation. Der US-Open- und Masters-Sieger, ohnehin fatalistisch und gelassen wie ein Kiesel im Umgang mit Enttäuschungen und Öffentlichkeit, hat von jeher seine ureigene Work-Life-Balance entwickelt, wollte eh spätestens mit 45 aufhören und sich ausschließlich seiner Familie widmen.

Das Stichwort „aufhören“ ist eine gute Überleitung zum wirklich spannenden Aspekt von Normans Nominierungen. PGA Tour und DP World Tour werden – ungeachtet juristischer Konsequenzen – um Sperren für Abtrünnige nicht herum kommen, dafür haben sich Commissioner Jay Monahan und European-Tour-Group-Chef Keith Pelley nach der Ablehnung aller Freigabe-Ersuchen mit den Androhungen von „disziplinarischen Maßnahmen bei Verletzung der Regularien“ zu weit aus dem Fenster gelehnt. Mit weniger würden sie sich zum Horst machen.

US Open mit oder ohne „D.J.“, Kaymer und Co.?

Weitaus spannender wird sein, wie die Major-Veranstalter auf die London-Liste reagieren, in der Woche danach steigt immerhin die US Open. Womöglich ohne Dustin Johnson und Martin Kaymer?


Prinzipientreue: Neben Dustin Johnson hatte auch Bryson DeChambeau im Februar per Statement eine Ehrenerklärung in Sachen PGA Tour abgelegt, obwohl vorher über horrende Angebote an BDC gemunkelt worden war. Jetzt hat er dies anlässlich seines Comebacks nach überstandener Handgelenksverletzung beim Memorial Tournament fürs Erste bekräftigt: „Ich persönlich glaube nicht, dass ich zu diesem Zeitpunkt in meiner Karriere an einem Punkt bin, an dem ich so was [die Abwanderung in die LIV-Serie] riskieren kann“, sagte BDC. „Ich bin dem treu, was ich mit Sponsoren und allem um mich herum aufgebaut habe. Wahrscheinlich wird sich die Golfwelt in gewisser Weise verändern. Aber das ist nicht mein Ding. Ich werde einfach weiterhin professionelles Golf spielen und es genießen, mich mit den besten Spielern der Welt zu messen – wohin auch immer mich das führt.“


Die USGA hält sich noch bedeckt, wenngleich CEO Mike Whan stets Solidarität mit der PGA Tour gezeigt hat; als einstiger „Commish“ der LPGA Tour weiß er genau, was Monahan umtreibt. Bislang indes heißt es in einem Statement lediglich: „Wir sind stolz darauf, die offenste Meisterschaft der Welt zu sein […], behalten uns jedoch das Recht vor, die Situation jedes Konkurrenten von Fall zu Fall zu überprüfen.“

Versuchskaninchen und drohender Dammbruch

Damit wird die Teilnehmerliste für Brookline deutlich interessanter als es die für London letztlich war. Oder anders: Vor allem die beiden Ex-Champions Johnson und Kaymer machen sich quasi zu Versuchskaninchen und könnten Präzedenzfälle schaffen. Der Rest der Branchen-Beletage darf sich derweil entspannt zurücklehnen und in Ruhe abwarten, wohin die Reise geht – noch bevor die Saudi-Liga mit dem zweiten Event in Portland/Oregon und dem dritten auf dem Trump-Kurs in Bedminster/New Jersey Anfang bzw. Ende Juli wirklich auf US-Boden und damit im Kerngebiet der PGA Tour ankommt.

Wenn LIV-Überläufer weiterhin an Majors teilnehmen, Ruhm, Ehre und Weltranglistenpunkte ernten können, wäre das ein Dammbruch und die Erosion des Establishments nicht mehr aufzuhalten. Dann hätten Norman und die Saudis gewonnen.

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