Champions Tour

Langer und Van de Velde: Ungleiche Rückkehr nach Carnoustie

20. Jul. 2016 von Michael F. Basche in Usedom, Deutschland

Ein "Blackout" kostet Jan van de Velde den Titel der Open Championship 1999 in Carnoustie. Diese Woche kehrt er zur Senior Open an den Ort des Geschehens zurück. (Foto: Getty)

Ein "Blackout" kostet Jan van de Velde den Titel der Open Championship 1999 in Carnoustie. Diese Woche kehrt er zur Senior Open an den Ort des Geschehens zurück. (Foto: Getty)

Carnoustie. Als Club offiziell 177 Jahre alt. Ein prächtiger Pilaster am reichverzierten Palast der Golfhistorie. 1842 ein Zehn-Loch-Parcours, angelegt von Allen Robertson, dem größten Golfer seiner Zeit. Unter Mithilfe des Lehrlings, eines gewissen Thomas Mitchell Morris, besser bekannt als „Old Tom“. 1867 vom Patriarchen des Golfspiels auf 18 Loch ausgebaut. Ab 1931 auf der Rota, inzwischen Schauplatz für sieben Open Championship, 2018 erneut dran. Seit je her Bühne für großes, nicht selten dramatisches Golf. Ben Hogan gewann hier 1953 die einzige Open, die er spielte, Tom Watson 1975 seine erste von insgesamt fünf.

Und Bernhard Langer startete 2010 auf den Links von Carnoustie als erster kontinentaleuropäischer Senior-Open-Sieger seine phänomenale Serie von mittlerweile sieben Ü50-Majors in sechs Jahren. Diese Woche spielen die „alten Herren“ den „Mini“-Claret-Jug wieder in Carnoustie aus, Deutschlands zweifacher Masters-Champion gehört selbstredend zu den Titelanwärtern.

„Wunderbarer, schwieriger Linkskurs“

Langer kann Linksgolf. Vor sechs Jahren, bei der ersten Senior-Open über Carnousties Par-71-Layout, lieferte er sich ein matchplay-haftes Finalduell mit Corey Pavin. 2014 dominierte der Deutsche im walisischen Royal Porthcawl mit -18, das niedrigste Ergebnis gegen Par der seit 1987 ausgetragenen Senior Open Championship. Vergangenes Jahr in Sunningdale verlor Langer nur knapp gegen den US-Pro Marco Dawson, übrigens im bayerischen Freising geboren. Jetzt also wieder Carnoustie. „Es ist ein wunderbarer, schwieriger Linkskurs“, sagt Langer, der 58-Jährige bestreitet die ersten beiden Runden mit Titelverteidiger Dawson und dem Spanier Miguel Ángel Jiménez: „Vielleicht der schwierigste, den ich je gespielt habe.“

Noch einer kommt zurück, einer, der einst in Carnoustie ein wahres Trauma durchlebte, den womöglich größten „Blackout“ aller Zeiten produzierte. Jean van de Velde, am 29. Mai 50 geworden, feiert sein Senior-Open-Debüt ausgerechnet auf dem Platz, wo er 1999 die Open Championship vergeigte.

Wackere Schlussrunde …

Diese 128. Open war ohnehin ein bizarres Turnier, geprägt vom Lamento der Spieler über das zu hohe Rough und das brutale Set-up des Geläufs insgesamt, der damalige Superintendent John Philp wurde gar als „außer Kontrolle geratener Greenkeeper“ beschimpft. Vor dem Finale lag Van de Velde, eigentlich ein Statist der Szene, als einziger Akteur bei Even Par, der Rest der Welt inklusive Tiger Woods oder Greg Norman, auch Bernhard Langer, deutlich im Plus.

Alle Welt spricht stets von einem Kollaps Van de Veldes. Doch es war kein Zusammenbruch, vielmehr eine unselige Mischung aus Stolz, Temperament und – sorry! – temporärer Hirnlosigkeit. Der Franzose spielte eine wackere Schlussrunde, kam mit drei Schlägen Vorsprung auf den 18. Abschlag. Man sagt freilich, selten im Golf hat‘s ein komplizierteres Schlussloch: Drei Mal wird „Home“ vom Barry Burn gekreuzt, in der Landezone umschlingt der Bach das Fairway, droht rechts wie links, vereinnahmt zu kurze Abschläge und hütet später das Grün gegen unpräzisen Anspiele.

… mit falschen Entscheidungen

Am Tee trifft Van de Velde die erste falsche Entscheidung, wählt den Driver und feuert den Ball mit all seiner adrenalinbefeuerten Aufgeregtheit rechts raus, in den „First Cut“ der Bahn 17, nahe den Mitgliederabschlägen, der Auftakt eines golferischen Alptraums von 27 Minuten Länge. Statt den Ball quer aufs richtige Fairway zu pitchen, greift der 33-Jährige daraufhin mit einem Eisen 4 das 173 Meter entfernte Grün an. Ja, der Ball liegt gut, vor allem indes möchte Van de Velde „diese Open nicht mit Sicherheitsgolf gewinnen“.

Das Unheil nimmt seinen Lauf: Die Kugel quert den Bachlauf, prallt gegen das Gerüst der Tribüne und zurück, knallt auf die steinerne Begrenzung des Barry Burn und verschwindet im tiefen Rough, 58 Meter jenseits der Fahne. Spätestens als der Franzose den Ball aus dem knietiefen Gras ins Gewässer schlägt, überkommt die Zuschauer, ob auf dem Platz oder vor der Glotze, blankes Entsetzen. „Wenn ich einen Schlag noch mal machen könnte, dann wäre es dieser“, wird Van de Velde später zu seinem neuerlichen Aussetzer sagen.

Paul Lawrie profitiert im Playoff

Scheinbar schockstarr steht er anschließend barfuss und mit hoch gekrempelten Hosenbeinen im Bach und fixiert den Ball, bevor er sich endlich für den Drop entscheidet. Ein guter Pitch, dazu sein üblicher Ein-Putt – und es wäre immer noch der erste französische Open-Sieg seit Arnaud Massy 1907.

Aber Van de Velde leistet sich den nächsten Patzer, trifft den Bunker. Das Sandwedge schließlich bringt den Ball bis auf gut zwei Meter an die Fahne, der Putt zur Sieben den Unglücksraben wenigstens ins Vier-Loch-Stechen mit Justin Leonard und Paul Lawrie. Den Dreikampf verliert Van de Velde („Muss ich dann wieder die 18 spielen?“) eigentlich schon auf der 15 mit einem Abschlag in den Ginster. Statt seiner wird am Ende Lawrie, der zu Beginn des Tages noch zehn Schläge hinten war, als erster schottischer Open-Sieger seit Willie Auchterlonie 1893 gefeiert.


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