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„Krieg der Touren“ vor Eskalation – Norman und Monahan gehen jetzt „all-in“

11. Mai. 2022 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland - Dies ist ein Golf Post Premium Artikel

Jay Monahan und Greg Norman geraten aneinander. (Foto: Getty)

Jay Monahan und Greg Norman geraten aneinander. (Foto: Getty)

Bisher war alles bloß Geplänkel. Oder wie Greg Norman über seine von Saudi-Arabien finanzierte LIV Golf Invitational Series für 2022 mal gesagt hat: „Das ist erst der Anfang.“ Gestern ließ „The Great White Shark“ die nächste Bombe platzen: Zwei weitere Dollar-Milliarden pumpt das Regime in Riad via Public Investment Fund PIF ins Sportswashing-Spektakel, damit Norman seine diesjährigen acht Einzel-Events auf zehn im Jahr 2023 ausbauen und die Serie dann mit 14 Turnieren in 2024/2025 endgültig zur eigenständigen Tour machen kann.

Rote Linie gezogen

Und weil gute Dramaturgie nun mal so läuft, fuhr die PGA Tour wenige Stunden später auf voller Breite ihren Schutzschirm hoch. Die rote Linie ist eindeutig gezogen, die Freigabeersuchen von Phil Mickelson und seinen Gesinnungsgenossen für die LIV-Premiere in einem Monat im Centurion Golf Club nahe London werden abgeschmettert. Ponte Vedra Beach sieht Normans Knete-Kirmes schon jetzt als eigenständige Liga und beruft sich auf das statuierte Recht als „Mitglieder-Organisation“, ihren Angehörigen die Teilnahme an Konkurrenz-Konstrukten zu verweigern.

„Commish“ wedelt mit der Peitsche

Das war so nicht abzusehen. Jedenfalls so schnell nicht. Zwar hat Commissioner Jay Monahan bereits vor Wochen jedem symbolisch die Tür gewiesen, der woanders spielen wolle, aber zumindest für London gingen die Auguren von einem (gewohnt) windelweichen Widerhall aus – parallel läuft „bloß“ die Canadian Open, zudem findet der Rivalitäts-Rummel noch nicht auf dem nordamerikanischen Kontinent statt.


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Doch stattdessen ist offensichtlich: Zuckerbrot war mal, nun wedelt der „Commish“ unzweideutig mit der Peitsche und zeigt klare Kante noch bevor „der Feind“ das eigene Territorium entert und sich Anfang Juli parallel zur traditionsreichen John Deere Classic in Portland/Oregon inszeniert. Wenn Norman derart nachmunitioniert, bedarf es halt umgehend einer entsprechend brachialen Antwort. Dann fährt die Gegenseite ebenfalls die ganz schweren Geschütze auf. Wie am Pokertisch: Beide Parteien gehen „all-in“.

Majors und Ryder Cup als besonderes Pfund

Die Monate der Scharmützel sind damit vorbei, spätestens jetzt ist der „Krieg der Touren“ in vollem Gange: Hier Norman und sein monströser, vom Mief der Saudi-Missstände umwehter Zaster-Zirkus ; dort die mächtigste Golftour der Welt, die mit sportlichem Prestige sowie dem besonderen Pfund von Majors, Ryder Cup oder Weltranglistenpunkten wuchert und ihren Mitgliedern den Verbleib auf Eid und Ehre überdies auch wirtschaftlich durchaus komfortabel auspolstern kann.

Ab sofort geht’s ums Ganze

Martialische und militärische Begrifflichkeiten mögen in diesen Zeiten unangemessen sein, aber Norman hat gestern nichts weniger als – sorry – die Großoffensive verkündet. Jetzt piekst er nicht mehr, sondern wirft in die Waagschale, was er hat. Ab sofort geht’s ums Ganze, um die Vorherrschaft auf dem Golfglobus. Zwei Milliarden Dollar für gerade mal 24 Veranstaltungen mit jeweils ein paar Dutzend „Begünstigten“ sind schlichtweg obszön – da kann der Australier noch so sehr von „Wachstum und Förderung weltweit“ faseln und das Pochen der PGA Tour auf ihr Haus- und Vereinsrecht als „illegales Monopol“ bezeichnen.

Störfeuer, aber kein Strohfeuer

Andererseits ist seine Taktik durchaus folgerichtig. Nur mit annoncierter Kontinuität lässt sich der Verdacht ausräumen, das Störfeuer sei lediglich ein Strohfeuer. Wiewohl die zwei Milliarden für den PIF allenfalls Peanuts sind, ist dafür ohnehin zu viel Kohle im Konzept, zu viel politisches Kalkül, zu viel Großmannssucht. Einer mit Normans Naturell geht davon aus, dass sich mit genug Geld auf Dauer jeder ins Wanken bringen, umstimmen lässt, Moral gegen Mammon eintauscht – da schließt er wohl von sich auf andere.

Nun kann die PGA Tour kaum noch zurück

Bei Phil Mickelson, Lee Westwood oder Sergio Garcia – den übrigens eher höhnische Nachrufe begleiten – freilich hat das ja schon ganz gut geklappt. Sie alle, dazu ein Louis Oosthuizen, Robert Garrigus und wer da sonst noch vom US-Circuit kommt, werden zu Geächteten, sollten sie trotz des PGA-Tour-Verdikts am 9. Juni in Hemel Hempstead, Grafschaft Hertfordshire, an den Start gehen – übrigens per Live-Stream via YouTube nach zu verfolgen.

Was ihnen in solchem Fall blüht, bleibt abzuwarten. Im Grunde kann die PGA Tour kaum noch zurück und müsste alle Abtrünnigen mindestens sperren, maximal rausschmeißen. Bloße Geldstrafen wären ein blamables Einknicken. Martin Kaymer übrigens spielt gleichermaßen va-banque mit seinen geplanten Starts auf den etablierten Touren.

Die schiere Wucht der Moneten-Masse

Damit wäre der gerichtliche Nebenkriegsschauplatz unausweichlich, die Anwälte hätten das Sagen, Justizia müsste entscheiden: Das Satzungsrecht der Tour, die vereinsschädigendes Verhalten ahnden darf, versus Normans Argument vom nicht sanktionablen Recht der freien Wahl des Arbeitsplatzes für selbständige Unternehmer. Man muss kein Jurist sein, nicht mal ein Pessimist, um zu prognostizieren, dass dies eine zähe und zeitlange Angelegenheit wird, eine Never-Ending-Story.

Auch Norman weiß das. Nicht zuletzt deswegen versucht er, mit der schieren Wucht der Moneten-Masse alles totzuschlagen. Sein Kalkül ist die – Achtung, Wortspiel – norma(n)tive Kraft des Faktischen: Sobald die ersten Großkopferten des Golfsports dem Lockruf des Geldes erliegen, ist der Damm gebrochen; den Riss kann kein Gerichtsentscheid mehr stoppen.

„Am wenigsten bewundernswerte Charaktere entlarvt“

Haltung und Werte, Maß und Moral indes haben kein Preisschild, sie stehen und fallen mit denen, die sie leben. Und manches kann man hoffentlich selbst mit noch so viel Geld nicht kaufen. Dieser Tage schrieb Eamon Lynch in „Golfweek“ treffend: „Es brauchte den [saudischen] Kronprinzen, um die am wenigsten bewundernswerten Charaktere im Profi-Golf zu entlarven.“ Das war auf Garcia gemünzt, gilt hingegen generell. Wer in der Causa am Ende Recht hat, ist letztlich egal: Die Aufrechten unter den Professionals, die Rory McIlroy und Co., sind mehr gefordert denn je.

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