Profisport Herren

Jordan Spieth: Wegen 4,5 Metern vom „Golden Boy“ zur tragischen Figur ?

12. Aug. 2020 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Spieth sucht nach seinem Spiel. (Foto: Getty)

Spieth sucht nach seinem Spiel. (Foto: Getty)

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Allerhand Bedeutsames schwang bei der gerade zu Ende gegangenen 102. PGA Championship mit: das erste verschobene Major des vom Corona-Virus zerfledderten Jahres 2020, Brooks Koepkas mögliches Triple und zum Schluss natürlich die Parade-Performance von Collin Morikawa. Wer gar nicht zur Debatte stand, war Jordan Spieth, der bei diesem Branchentreffen der Berufsspieler einmal mehr die Chance gehabt hätte, den Karriere-Grand-Slam einzufahren und damit in den Kreis von Tiger Woods, Jack Nicklaus, Gary Player, Ben Hogan und Gene Sarazen aufzuschließen. So, wie es seit Jahren Rory McIlroy beim Masters und Phil Mickelson bei der US Open versuchen.

Seit der Open 2017 nicht mehr gewonnen

Aber warum auch groß drüber reden? Spieth hat seit der Open Championship von Royal Birkdale 2017, seinem dritten Major nach dem Masters und der US Open 2015, keinen Blumentopf mehr gewonnen und ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Der einstige Glanz ist verblasst, ein Sieg im TPC Harding Park war für den Texaner so weit entfernt wie Alfs explodierter Planet Melmac von der Erde. Schiere Utopie. Stattdessen entschuldigte sich der 27-Jährige am Samstag nach acht Bogeys und etlichen Frust-Anfällen sogar bei seinem Kumpel und Flightpartner Justin Thomas, dass durch seinen unterirdischen Aufritt auf der Runde kein Momentum entstanden sei. Bei Amerikas einstigem „Golden Boy“ ist der Lack ab, er droht zur tragischen Figur zu werden.

Spieth scheint sein Spiel verloren zu haben; zumindest sind die Fertigkeiten aus den Fugen geraten, die ihn zum Weltranglistenersten und zum Grand-Slam-Anwärter machten, der 2015 vergleichsweise knapp am bislang unerreichten Gewinn aller vier Majors in einem Jahr scheiterte. Rund ums und auf dem Grün lässt die aktuelle Nummer 60 des globalen Rankings phasenweise den gewohnten Genius aufblitzen, aber vom Tee und mit den langen Eisen hapert es extrem.

Statistisch unter ferner liefen

In den entsprechenden „Strokes gained“-Statistiken rangiert er weit im Hintertreffen des PGA-Tour-Vergleichs: 172. bei „Off the Tee“, 120. bei „Approach the Green“ und 108. auf der „Tee to Green“-Liste. Spieth berichtet zwar, dass er die Ursachen seiner Schlagschwächen kenne und an der Behebung arbeite, aber trotz vielversprechender Zwischenhochs wie einem geteilten 13. Platz beim Memorial Tournament klingt es eher wie Pfeifen im dunklen Wald.

Altmeister Gary Player hat unlängst in seiner vollmundigen Art Hilfe angeboten. „Wenn ich bloß eine Stunde mit Jordan verbringen könnte, dann wäre er wieder die Nummer eins der Welt – davon bin ich überzeugt“, tönte der 84-Jährige. Ob Spieth die Offerte angenommen hat, ist nicht überliefert; auch wollte Player (natürlich) nicht verraten, was genau er denn zu kurieren gedenke – er sprach lediglich vom Selbstbewusstsein: „Was dich Turniere gewinnen lässt, ist dein Mindset, deine mentale Stärke.“

Hilfreicher Hinweis von Player

Daran freilich dürfte es nicht liegen, verkniff sich Spieth bislang doch jedweden reflexhaften Aktionismus, beispielsweise den Austausch seines Caddies und einstigen Lehrers Michael Greller, eine beliebte Ausflucht im Profigolf.

Player lieferte allerdings einen hilfreichen Hinweis, als er sagte: „Du musst nicht weit schlagen, um erfolgreich zu sein. Das wird völlig überschätzt. Tiger Woods war nie der größte Driver unter den Topspielern. Trotzdem hat er gewonnen: Weil er mental phänomenal stark ist, allen anderen weit voraus. Und er ist der beste Putter, der jemals gelebt hat. Beides lässt dich Turniere gewinnen.“

Duval kennt den Leidensweg

David Duval weiß aus eigener leidvoller Erfahrung, wie das ist, wenn man sein Spiel verliert. Der einstige Branchenprimus, Woods-Widersacher Ende der 1990er-Jahre sowie 59er-Spieler, rutschte nach dem Gewinn der Open Championship 2001 in den Abgrund der Weltrangliste jenseits von Rang 2.000, verlor 2011 nach diversen Verletzungen seine Tour-Karte und ist nebst periodischen Turnierstarts via Einladung heute vornehmlich als TV-Experte tätig. Der 48-Jährige will erkannt haben, warum Spieth regelmäßig strauchelt: Es ist die zerstörerische Sucht nach Weite.

Die Hybris von mehr Schlaglänge

Am Rand der PGA Championship erinnerte sich Duval im Fernsehstudio von „CBS“ an ein Gespräch mit Spieth nach dessen grandioser Saison 2015, in dem er ihn gewarnt habe, nun bloß nicht der Hybris von mehr Schlaglänge zu verfallen: „2016 kam er dann zurück und erzählte, dass er während der Winterpause versucht habe, fünf oder zehn Yards zu gewinnen – und ich dachte nur: Oh weh.“

Tatsächlich legte Spieth bei seinen Distanzen um gut 4,5 Meter zu, und er gewann hernach auch noch fünf Mal, inklusive der Open. Doch in den Präzisionsstatistiken ging‘s kontinuierlich abwärts. Ob die paar Meter das wert waren? Es ist jedenfalls der bislang konkreteste und schlüssigste Erklärungsansatz für den Fehlerteufel im Spiel des Texaners.

Justin Thomas glaubt an den „Buddy“

Nach Ansicht von David Duval rächt sich die Fokussierung auf Weite. „Ich glaube, Spieth sollte sich von seinem Coach Cameron McCormick trennen“, meinte „Double D“. „Nichts gegen Cameron, aber den Weg zurück kann Jordan nur allein und für sich selbst finden.“

„Buddy“ Justin Thomas ist diesbezüglich guten Mutes. „Ich bin sicher, dass wieder alles gut wird. Und das sage ich nicht nur, weil er einer meiner besten Freunde ist. Ich sah ihn gut spielen und habe erlebt, wie er mit nicht gutem Spiel umgegangen ist. Jeder hat mal einen Durchhänger. Seiner ist halt ein ziemlicher Brocken.“

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