US Open

Shinnecock Hills: Alter Golfplatz-Adel für neuen Glanz der US Open

12. Jun. 2018 von Michael F. Basche in Köln, Deutschland

Die US Open 2018 finden im Shinnecock Hills GC statt. Mit dabei: Martin Kaymer und Tiger Woods. (Foto: Getty)

Die US Open 2018 finden im Shinnecock Hills GC statt. Mit dabei: Martin Kaymer und Tiger Woods. (Foto: Getty)

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Die Bühne ist gerichtet: Selten war das so zutreffend wie bei dieser 118. US Open. Es gibt keine Austragungsstätte der „Offenen Amerikanischen“ in jüngster Vergangenheit, der mit so viel Bedeutungsschwere belegt ist wie Shinnecock Hills.

Zurück zu alter Glorie

Die USGA als veranstaltender Verband will endlich mal wieder alles richtig machen und zu alter Major-Glorie zurückkehren, nach Schauplatz-Fehlgriffen und Regelpeinlichkeiten, siehe Erin Hills 2017 und Dustin Johnson 2016. Spieler wie Jordan Spieth und Rory McIlroy brennen darauf, endlich mal wieder auf ganz großer Bühne an vorderster Stelle zu brillieren. Der wiedererstarkte Tiger Woods will dank erweiterter Wettkampfpraxis endlich überhaupt mal wieder ein Major gewinnen, pikanterweise war die US Open 2008 sein diesbezüglich letzter Triumph.

Und dann ist da natürlich Phil Mickelson, der endlich seinen Karriere-Grand-Slam perfekt machen will, nachdem ausgerechnet Shinnecock vor 14 Jahren mit der Niederlage gegen Retief Goosen wohl für den schmerzhaftesten seiner nunmehr sechs zweiten Plätze bei der US Open steht.

Die Suche nach dem „härtesten Test im Golf“

Überhaupt: 2004. Damals reiste der US-Verband mit der Hypothek eines untypisch üppigen Siegerscores aus dem Vorjahr nach Long Island, Jim Furyk hatte im Olympia Fields Country Club zu Illinois mit 8 unter Par gewonnen, so was verursacht Bauchschmerzen bei den Herren in blauen Blazern. Shinnecock sollte alles wettmachen, wieder der „härteste Test im Golf“ werden, wie es die USGA für ihr Major gern formuliert.

Aber sie überspannten den Bogen, ließen den Platz derart austrocknen, dass etliche Grüns unspielbar wurden und am Finalsonntag während des laufenden Turniers per Hand nachgewässert werden mussten, was wiederum zur Wettbewerbsverzerrung führte. Bezeichnend ist, dass Phil Mickelson auf der Par-3-Sieben bewusst in einen Bunker statt aufs marmorharte Grün spielte, um mit einer soften „Annäherung“ aus dem Sand überhaupt eine Chance aufs Par zu haben.

Debatte über das Wesen der US Open

Anschließend saß das USGA-Trauma erst recht tief, Resultate wie McIlroys US-Open-Rekord von -16 im Congressional 2011 oder die 9 unter von Martin Kaymer drei Jahre später in Pinehurst machten es nicht besser. Dazu kam die nachvollziehbare Notwendigkeit, neue Spielorte zu finden, um erstens die Popularität der US Open zu befeuern und zweitens dem Trend „back to the roots“, zu ursprünglichen, eher naturbelassen wirkenden und damit ökologischeren, weniger pflegeintensiven Plätzen, gerecht zu werden.

Das führte Direktor Mike Davis und seine Mannen 2015 zu Chambers Bay und einer Debatte über „Brokkoli-Grüns“ (Henrik Stenson) sowie 2017 nach Erin Hills, wo der Wind ausblieb, die Spieler den weichen Platz förmlich auseinander nahmen, Brooks Koepka prompt den Rekordscore von McIlroy egalisierte – und die ratlose, restlos irritierte USGA erst recht in eine hitzige Debatte über die Identität ihrer US Open stürzte.

Top-Adresse und Gründungsmitglied der USGA

Da kommt Shinnecock Hills jetzt gerade recht. Als Wiedergutmachung für 2004, als Korrektiv für die „Seitensprünge“ der vergangenen Jahre. Der Privatclub an der Atlantikküste ist ein echter Blaublüter, alter amerikanischer Golfplatz-Adel pur. 1891 wurden auf Initiative vermögender New Yorker mitten im Indianerterritorium und auf dem Boden einer ehemaligen Begräbnisstätte des Shinnecock-Stamms die ersten zwölf Loch angelegt – unter Einsatz indianischer Arbeitskräfte übrigens – und 1894 vom Schotten Willie Dunn auf 18 Loch erweitert. Im selben Jahr gehörte Shinnecock zu den fünf Gründungsmitgliedern der USGA und richtete 1896 als insgesamt zweite die erste seiner nunmehr fünf US Open aus.

Meisterstück aus dem „Goldenen Zeitalter“

Das heutige Layout stammt im Wesentlichen von William Flynn. Nach einem Gestaltungsintermezzo 1917 durch die großen Seth Raynor und Charles Blair MacDonald verewigte sich der weit weniger berühmte, allerdings nicht weniger hochbegabte Flynn 1931 mit einem Meisterstück aus Amerikas „Goldenem Zeitalter der Golfplatz-Architektur“ in Southampton. Doch Anfang des Jahrtausends war der Kurs bloß noch ein Schatten von Flynns Juwel. Seine Ideen waren durch die Weltraumtechnologie bei Schlägern und Bällen obsolet geworden. Bausünden hatten überdies Fairways und Greens schrumpfen, Anpflanzungswut zu viele Bäume und Rye-Gras statt des bewährten Festuca wachsen lassen. Zur US Open 2004 war Shinnecock zwar rund 230 Meter länger, de facto indes eine charakterlose, monotone Wiese.

Acht Jahre später holten die kongenialen Designer Ben Crenshaw und Bill Coore das zeitlos kreative Design seines Schöpfers unter der Kruste der Jahrzehnte hervor und machten den Kurs fit fürs 21. Jahrhundert. „Wir haben Flynns Philosophie nur aufpoliert“, sagt Bill Coore, unter anderem mit zehn neuen Tees zur Wiederherstellung der originären Drive-Linien und Anspielwinkel, die ganz nebenbei 410 Meter an zusätzlicher Länge einbrachten, sowie erheblich verbreiterten, wieder mit Schwingel (Festuca) eingesäten Fairways.

Ältestes Golf-Clubhaus in den USA

„Shinnecock Hills ist ein Monument und gleichzeitig ein intellektueller Platz“, beschreibt es Golfplatz-Designer Christian Althaus, der kurz nach der Sanierung eine Runde auf dem ikonischen Geläuf spielte. Neben den strategischen Herausforderungen des Parcours, „die wie beim Old Course nicht auf Anhieb zu entschlüsseln“ sind (Althaus), begeisterte den Düsseldorfer vor allem das 1892 auf einem Hügel erbaute Clubhaus aus der Feder des legendären Architekten Stanford White. Es gilt als ältestes Golf-„Vereinsheim“ in den Vereinigten Staaten; so, wie Shinnecock den Status des ersten formell organisieren amerikanischen Golfclubs für sich reklamiert.

Individuelle Par-3-Kunstwerke

Shinnecock Hills gehört seit jeher zu den zehn besten Adressen in den USA, dicht hinter so berühmten Konkurrenten wie Pine Valley, Augusta National oder Pebble Beach. Es gibt keine parallel verlaufenden Fairways, das Par-70-Layout liegt weitgehend frei und ungeschützt im windigen Atlantik-Klima, hat mit seinem sandigen Untergrund durchaus Links-Flair, die Bahnen sind mal flach und mäandernd, mal leicht onduliert, auf jeden Fall meist hart und schnell.

Die sogenannten „Cluster-Bunker“ (Althaus), wirklich strafend erst in der ursprünglichen Gruppierung und von Coore/Crenshaw in ihrer ganzen grandiosen Anordnung wieder ins Spiel gebracht, können wahrhaft teuflisch sein. Jedes der vier Par-3-Löcher ist ein erstaunliches individuelles Kunstwerk. Die Grüns schließlich ermöglichen durch ihre Größe knifflige Fahnenposition und sind höllisch schnell. Kurz: Shinnecock Hills ist genau das, was eine US Open sein soll: wahnsinnig schwierig und trotzdem fair.

Fairways „über Nacht“ verengt

Nur die Fairways von Crenshaw und Coore passten da nicht hinein. Besorgte Gemüter wie Raymond Floyd, der US-Open-Champion von 1986, hatten USGA-Boss Mike Davis unmittelbar nach Erin Hills vor Shinnecock Hills‘ bis zu 50 Meter breiten Landebahnen gewarnt, eine Freude für Clubmitglieder, ein Alptraum für die US-Open-Philosophie. In einer förmlichen Nacht-und-Nebelaktion ließ die USGA zwischen dem 17. und dem 25. September 2017 die Landezonen der Championship-Tees bei 250 bis 300 Metern verengen.

75 Platzarbeiter waren täglich 15 Stunden im Einsatz, bauten in den Seitenbereichen der Fairways rund 18.600 Quadratmeter Bodenbelag aus und ersetzten diese Fläche durch Soden von Festuca-Gras, teils dem Par-3-Kurs entnommen, teils gezüchtet und als Übergang zum knietiefen Kraut neben den Bahnen auf Semi-Rough-Höhe geschnitten. Krägen aus kurzem Gras rund um die erhöhten Grüns sollen außerdem hangabwärts rollenden Bälle einbremsen.

„Schwierig, das rechte Maß zu finden“

Die Fairways sind jetzt mit einer durchschnittlichen Landezonen-Breite von 38 Metern weiterhin ausladender als 2004, damals waren es knapp 25 Meter, und „Schlaumeier könnten argumentieren, dass Shinnecock Hills nach wie vor zu großzügig ist“, weiß Mike Davis. „Wir wollen, dass wieder Genauigkeit vom Abschlag zählt. In den nächsten Tagen wird es sich erweisen.“ Auch wenn Phil Mickelson ihm indirekt beisprang und bei seiner Pressekonferenz konstatierte, dass es wohl „ein verflixt schwieriger Job ist, das rechte Maß für einen Test der weltbesten Spieler auf höchstem Niveau zu finden, ohne Kirmes-Golf zu veranstalten“: Davis dürfte heimlich hoffen, heuer endlich mal wieder alles richtig gemacht zu haben.

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