Panorama

Per Post in alle Welt: Der Golfball als neue Sportbriefmarke

03. Mai. 2016 von Michael F. Basche in Usedom, Deutschland

Eine Sonderbriefmarke mit einem Golfball wurde anlässlich der Wiederaufnahme des Golfsports in den Kanon der olympischen Sportarten herausgegeben. (Foto: Michael Basche)

Eine Sonderbriefmarke mit einem Golfball wurde anlässlich der Wiederaufnahme des Golfsports in den Kanon der olympischen Sportarten herausgegeben. (Foto: Michael Basche)

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Grooves an den Schlägern, Dimples auf den Bällen, Divots in den Fairways: Golf hat durchaus Ecken und Kanten. Seit gestern gehören auch Zacken zur Symbolik. Am ersten Geschäftstag des Wonnemonats sind die Sportbriefmarken des Jahres 2016 erschienen, eine Trilogie, die den Titel „Bälle“ trägt und deren Flaggschiff unsere kleine weiße Kugel ist. Vor dem Rugby-Ei und trotz der nahenden EM selbst vor dem Fußball hat das Bundesfinanzministerium einen Golfball mit erfreulichen Gebrauchsspuren zum Top-Motiv erkoren. Satte 1,45 Euro kostet das „Klebchen“, plus 55 Cent zugunsten der Deutschen Sporthilfe.

Kautschuk stammt aus Brasilien

Wir wollen die Preisgestaltung nicht am Klischee der betuchten Golfer verorten, die sich halt teure Briefmarken leisten können, sondern freuen uns einfach über diese schöne Geste, die den Golfsport und sein olympisches Comeback in Rio de Janeiro nach 112 Jahren würdigt. Es ist ein anheimelnder Gedanke, dass die Wertmarke Golf nun sogar postalisch die Welt erobert und vielleicht per Luftpost selbst entlegenste Winkel erreicht. Einen wie Südamerika beispielsweise, wo das Spiel bislang ausschließlich in der Upper-Class-Nische angesiedelt war. Was die olympischen Golfturniere nun ändern sollen, ungeachtet all der Querelen um die Entwicklung des Platzes.

Ohnehin spielt der Halbkontinent eine bedeutende Rolle in der Golfentwicklung, an der er selbst so spät erst teilnimmt. Denn das Material für den gewickelten Haskell-Ball, der endgültig die industrielle Massenproduktion eines erschwinglichen Golfballs ermöglichte, kam letztlich aus Brasilien. Von dort nämlich stammt der Kautschukbaum ursprünglich: Seinen zu Latexfäden „gesponnenen“ Milchsaft wickelte Zahnarzt Coburn Haskell aus Cleveland/Ohio 1898 in Zusammenarbeit mit der Firma „B.F. Goodrich“ um einen festen Kern und versah das Knäuel schließlich mit einer Hülle aus getrocknetem Balata-Saft. Der gleichnamige Baums ist ebenfalls in Südamerika beheimatet, so schließen sich Kreise.

Holzmurmel oder Kuhhaut-„Pille“

Golfball aus Holz (Foto: Michael Basche)

Golfball aus Holz (Foto: Michael Basche)

Am Anfang jedoch war die Holzmurmel. Grob in Form geschnitzte und rund geschliffene Kugeln aus Hartholz, mit dem die schottischen Altvorderen das Spiel erfunden haben sollen. Weniger romantische Quellen sprechen von Lederhüllen, mit Kuhhaar gefüllt und aus den Niederlanden importiert. Schon wieder die Holländer, die sich in der Golfhistorie nach vorne drängeln…

Jedenfalls sind diese Importe ein logischer Vorläufer des „Featherie“, der rund 250 Jahre lang über die frühen Fairways mehr rollte als flog, ein aus drei Lederstreifen genähtes und mit gebrühten, klatschnassen Federn brutal gestopftes, leidlich kugelförmiges Ding, das zu einem steinharten Klumpen wurde, wenn die Füllung getrocknet war. Selbst ein geschickter Handwerker vermochte pro Tag nicht mehr als drei oder vier zu produzieren.

Der „Featherie“ war wegen der aufwändigen Handarbeit horrend teuer, trotzdem nur von geringer Haltbarkeit.

Featherie-Golfball (Foto: Michael Basche)

Featherie-Golfball (Foto: Michael Basche)

Leisten konnten sich das allenfalls Adelige und Herren von Stand. Ein Exemplar kostete zwei bis fünf Schilling, nach heutigem Wert zwischen zehn und zwanzig Dollar. Pro Stück. Damals fing es an, das Klischee vom Reichensport.

Der Ur-Dimple war ein Kratzer

Dem späteren Dr. Robert James Paterson gefiel das 1848 gar nicht. Täglich lockten die damals schon legendären Links des Old Course den armen Studenten und Pfarrer in spe. Ein neuer „Featherie“ indes war zu teuer. Aber ihm fielen die Elastizität und die Formbarkeit bei Erwärmung von Guttapercha auf. Fortan goss sich Paterson seine Bälle aus dem Saft des malaysischen Sapodilla-Baums. Guttapercha war damals der Renner auf den britischen Inseln, anderthalb Millionen Kilo wurden allein 1851 importiert, das Wunderzeug fand myriadenfach Einsatz in Haushalten oder Industrie. Und der maschinell herstellbare „Guttie“ revolutionierte das Golfspiel.

„Guttie“ (Foto: Michael Basche)

„Guttie“ (Foto: Michael Basche)

So richtig rund war die Sache freilich immer noch nicht: Die Bälle flogen kaum weit und eierten ziemlich rum. Kratzer und Kerben allerdings waren den Flugeigenschaften eher förderlich. Also wurden die Kugeln nach dem Guss behandelt, sie bekamen per Messer ein Kerbenmuster oder man verpasste ihnen mit einem Hammer unzählige Dellen.

Dann spielte Haskell bei „Goodrich“ mit Gummiabfällen, während er auf Fabrikleiter und Golfpartner Bertram Work wartete, und kam auf den gewickelten Ball. Schon ein Jahr zuvor hatten sich David Froy, James McHardy und Peter Fernie die Dimples patentieren lassen. Froy selbst bestritt 1900 die Open Championship mit dem Prototypen eines maschinell „gedimpelten“ Balls. In den 1960er Jahren kamen Werkstoffe wie Surlyn, Ionomer oder Urethan auf, ab 1990 galt die weltweite Norm von mindestens 42,67 Millimetern Durchmesser und 45,93 Gramm maximalem Gewicht, der Rest ist Weltraumwissenschaft, jetzt auch per Briefmarke verewigt.

***

Seit 1969 wird alljährlich eine Briefmarkenserie mit dem offiziellen Titel „Für den Sport“ zugunsten der Deutschen Sporthilfe aufgelegt. Aus dem Erlös sind dem Spitzensport seither über 130 Millionen Euro an Fördermitteln zugeflossen. Die aktuelle Serie wurde von Grafiker Thomas Serres aus Hattingen gestaltet. Die Fußball-Briefmarke kostet 70 plus 30 Cent, für Rugby sind‘s 85 plus 40 Cent.

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