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Carnoustie: Nicht nur für Tiger Woods der schwierigste Open-Kurs

17. Jul. 2018 von Michael F. Basche in Carnoustie, Schottland

Die 147. Open Championship findet im Jahr 2018 auf dem Championship Course der Carnoustie Golf Links statt. Ein harter Kurs für alle teilnehmenden Spieler. (Foto: Getty)

Die 147. Open Championship findet im Jahr 2018 auf dem Championship Course der Carnoustie Golf Links statt. Ein harter Kurs für alle teilnehmenden Spieler. (Foto: Getty)

Die Briten und ihre Wortspiele: „Car-nasty“ sagen sie gern, wenn sie von diesem phänomenalen schottischen Linkskurs zwischen den Sidlaw Hills und der Mündung des Flüsschens Tay in die Nordsee sprechen. Und „The Carnage at Carnoustie“ erinnert an das „Gemetzel“ bei der Open Championship 1999, als der damalige Superintendent John Philp wegen des Platz-Set-up zum meist gehassten Mann der Golfwelt wurde und Jean van de Velde auf der 18 mit einem Kollaps sondergleichen drei Schläge Vorsprung verspielte. „Carnoustie,“ sagte Tiger Woods nach ein paar Probelöchern am Wochenende, „ist wohl der schwierigste Platz der gesamten Open-Rota.“

Bei heftigem Wind ist Carnoustie fast unspielbar

Dabei fehlen dem Waschbrett in der Grafschaft Angus ein paar Dekor-Elemente der ebenso klassischen wie puristischen Links-Rezeptur, die unabdingbar mit „Man nehme sandigen Boden und offenes Wasser“ beginnt – himmelhoch sich türmende Dünen beispielsweise. Stattdessen ist das Par-71-Layout ab und an gar von Wald gerahmt. Nichts freilich, was dem Wind auch nur ansatzweise Einhalt gebieten könnte. Bei allzu heftiger Luftbewegung stellenweise fast unspielbar, ist Carnoustie gleichwohl auch ohne die Speerspitze seiner Verteidigung Herausforderung pur. „Es ist unfassbar, dass dieser Kurs sich nicht geändert hat, seit ich 1995 als Amateur erstmals hierher kam“, schwärmte Woods. „Er liegt einfach vor dir und wartet auf dich!“

Hart wie ein Tanzboden und höllisch schnell

Ein warmer und trockener britischer Sommer hat das Geläuf für diese 147. Ausgabe des weltältesten Majors hart wie einen Tanzboden und dementsprechend schnell gemacht. „Carnoustie ist komplett ausgedörrt“, vermeldete der keineswegs als Longhitter bekannte Brandt Snedeker via Twitter nach einem Übungsrunden-Drive von 390 Metern. Woods wiederum feuerte per Eisen 7 einen Ball raus, der bei 197 Metern liegen blieb; Tigers Standarddistanz mit besagtem Schläger sind rund 165 Meter. „Derzeit sind die Fairways sogar schneller als die Grüns, und auch wenn sie die Puttingflächen sicher noch beschleunigen werden, denke ich, dass es so bleibt“, erklärte der 14-fache Majorsieger.

Risiko wird belohnt, aber welches?

Für die Open-Kombattanten wird damit die Kontrolle der Flugbahn zur obersten Maxime. Carnoustie mit seinen garstig platzierten Pottbunkern und den ständig die Bahnen kreuzenden Bachläufen namens Jockie‘s Burn und Barry Burn ist kein Bomberplatz, es bedarf vielmehr wohltemperierter Länge. Nicht von ungefähr trainierte Tiger Woods mit einem Driving-Eisen-2. „Man muss sich entscheiden, wie man den Ball auf dem Fairway landen lässt. Du kannst einen ,Roll‘ von über 70 Metern haben, aber willst du das auch? An manchen Löchern lassen sich die Bunker ,carry‘ überspielen. Aber ist es das wert? Der Parcours belohnt Risiko – du musst es nur richtig einschätzen!“

Carnoustie im Dornröschenschlaf nach 1975

Irgendwann zwischen 1839 und 1842 pflanzte Schottlands damaliger Golf-Heros Allan Robertson die ersten zehn Bahnen auf die Barry Links nahe Dundee. Golf gespielt wurde dort indes schon seit 1560. Robertsons einstiger Lehrling Tom Morris Sr., der spätere „Godfather of Golf“, erweiterte 1867 das Ensemble auf 18 Loch. Wie überall in Schottland brachte die Entwicklung des Eisenbahnverkehrs immer mehr Golfer an die Küste und ließ die Plätze aufblühen. 1926 legte der fünffache Open-Champion James Braid noch mal Hand an einige Grüns und Bunker – das war‘s bis zum heutigen Tage.
1931 erlebte der Platz das erste seiner nunmehr acht Majors, es gewann Tommy Armour. Nach dem Amerikaner trugen sich Henry Cotton (1937), Ben Hogan (1953), Gary Player (1968) und Tom Watson (1975) in die Siegerlisten ein, anschließend fiel Carnoustie in einen Dornröschen-Schlaf und aus der Open-Rota. Fehlende Hotels, generell mangelhafte Infrastruktur und nicht zuletzt das hässliche Clubhaus ließen den R&A sich naserümpfend abwenden.

Morddrohungen gegen Superintendent

Es bedurfte einer lokalen Initiative um John Calder, Kapitän eines der sechs Golfclubs mit Spielrecht auf den Links, jeder Menge Geduld, Arbeit und Überzeugungskraft bei den Granden in St. Andrews sowie des Neubaus von Clubhaus und 5-Sterne-Hotel, um Carnoustie 1999 erneut in den Major-Fokus zu rücken. Das allerdings mit durchschlagendem Erfolg. Van de Veldes Aussetzer und das Play-off des Franzosen mit US-Pro Justin Leonard und Paul Lawrie, in dem der Schotte zum unerwarteten Champion Golfer of the Year avancierte, waren nur die Klimax einer turbulenten Woche, in der Philp für die mancherorts gerade mal elf Meter breiten Fairways und das nach einer Regenperiode beinahe sumpfartig tiefe, dennoch ungekürzte Rough als „völlig irre“ beschimpft und mit offenen Morddrohungen aus dem Feld bedacht wurde.

Derartige Auswüchse hat sein Nachfolger heuer nicht zu erwarten. „Obwohl der Platz für die Open mit 6.786 Metern etwas länger ist, unterscheidet sich das Set-up kaum von den alltäglichen Bedingungen“, erklärte Sandy Reid, der bereits 2007 bei Padraig Harringtons Play-off-Triumph über Sergio Garcia an Bord war und 2012 das Zepter von Philp übernommen hat.

Jede Bahn ist einzigartig, kleinste Fehler werden bestraft

Die Komplexität des Terrains im Detail zu erfassen, geriete zum Mammutprogramm: Jede Bahn ist einzigartig, Wellen, Slopes, Hindernisse und das Rough bestrafen selbst den kleinsten Fehler, Carnoustie ist ein Kurs ohne Schwächen!
Auf Loch 1 schlug Ben Hogan 1953 zum Auftakt seines einzigen Open-Starts als Annäherung ein Eisen 2 in den Wind; am nächsten Tag benötigte er bei Rückenwind für die gleiche Distanz und das nahezu identische Ergebnis auf dem Grün lediglich ein Wedge. In der Mitte des zweiten Fairways lauert „Braid‘s Bunker“ auf gemeinhin empfehlenswerte kerzengerade Schläge. Auf der Fünf kreuzt bei rund 275 Metern Jockie‘s Burn die Bahn.
Loch 6 wird Hogan‘s Alley genannt, weil „The Hawk“ das rund 528 Meter lange Par 5 damals förmlich auseinander nahm, mit schnurgeraden Schlägen vorbei an Bunkern und Bach – aber wehe, der Ball verlässt die Linie. Die 437 Meter lange Neun hat sieben fiese Pottbunker rund ums Grün... So geht das in einem fort bis zur 14, dem schwierigsten Loch, nominell einem Par 5 von bloß 470 Metern, dessen riesiges Doppelgrün mit der Vier von einem Hügel samt eingebauter Sandhindernisse fast vollständig verdeckt wird.

„Wer hier siegen will, muss alle Schläge perfekt beherrschen“

Das Schlusstrio schließlich gilt als drakonischstes Finale aller Open-Schauplätze. Die 16 ist mit 227 Metern das längste Par 3 der Rota, auf der 17 muss der Abschlag idealerweise den Barry Burn passieren, um beim Approach die vier Pottbunker vor dem Grün aus dem Spiel zu nehmen. Und auf der 18 schlängelt sich der vermaledeite Fluss erneut durchs Fairway, bietet bei unvorteilhaftem Wind nur eine winzige grüne Zunge zum Vorlegen und verbreitert sich unterhalb des Grüns auf mehrere Meter – Jean van de Velde kann ein Lied davon singen. Carnoustie ist ein prächtiger Pilaster am reich verzierten Palast der Golfhistorie, aber eben auch „ein wahrhafter Test“, weiß Superintendent Reid: „Um den zu bestehen und hier zu gewinnen, muss man alle Schläge perfekt beherrschen.“


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