Golftraining

Dr. Christian Haid: „Bei Tiger Woods schaue ich lieber weg“

31. Dez. 2016 von Tobias Hennig in Köln, Deutschland

Dr. Christian Haid hat den "Healthy Swing" entwickelt und schwingt selbst gern befreit und gesund. (Foto: Healthy Swing)

Dr. Christian Haid hat den "Healthy Swing" entwickelt und schwingt selbst gern befreit und gesund. (Foto: Healthy Swing)

Nicht jeder Schwung, der gut aussieht, ist auch gesund. Das weiß kaum jemand so gut wie Dr. Christian Haid. Der promovierte Physiker ist Spezialist für Biomechanik und hat über Jahre den Golfschwung erforscht. Mittlerweile hat er seinen ganz eigenen Schwung kreiert. Der "Healthy Swing" nimmt Rücksicht auf physikalische und anatomische Gegebenheiten. Damit hat der Österreicher sogar schon Profis überzeugt und für einige Zeit an der Akademie der ehemaligen Weltranglistenersten Annika Sörenstam gelehrt. Im Interview verrät er, was den gesunden Schwung ausmacht, warum Tiger Woods kein geeignetes Vorbild ist und wie Sie Verletzungen vermeiden.

"Healthy Swing" - Interview mit Dr. Christian Haid

Golf Post: Wie sind Sie dazu gekommen, den Golfschwung so genau zu untersuchen und einen neuen Schwung zu entwickeln?

Dr. Christian Haid: Die persönliche Motivation dahinter war, dass es immer, wenn ich versucht habe, mehr zu spielen und mich zu verbessern, Kreuzschmerzen aufgetreten sind. Zu diesem Zeitpunkt war ich bereits Assistent in der Orthopädie in der Uniklinik und hatte ein Physikstudium hinter mir. Dann habe ich über den Golfschwung nachgedacht. Mit meinem medizinischen und physikalischen Wissen habe ich über Jahre einen Golfschwung kreiert und selber sehr viel ausprobiert. Ich hatte das Glück, dass ich mit Annika Sörenstam eine Spielerin fand, die sehr viele Elemente des Golfschwungs, den ich entwickelt habe von sich aus verwendet. Sonst hätte ich nie den Nachweis bringen können, dass man mit meinem Schwung Spitzengolf spielen kann. Wenn man sich unter den Topspielern umschaut, gibt es einige, die Elemente, die ich propagiere, verwenden.

Golf Post: Was macht einen gesunden Schwung aus?

dHaid: Nach Möglichkeit kein Gelenk im Endanschlag zu belasten. Den Bewegungsumfang so zu wählen, dass Gelenke muskulär gesichert werden.

Golf Post: Das kann man ja eigentlich sehr einfach steuern.

Haid: Dem widerspricht leider unser intuitives Verhalten. Wir möchten uns immer soweit bewegen, bis wir einen Spannungszustand spüren. Diese Vorspannung entsteht häufig nahe am Bewegungsanschlag. Das ist auch der Grund weshalb die Anleitung „hol weniger weit aus“ selten befolgt wird.

Golf Post: Wie sieht ein gesunder Schwung aus?

Dr. Christian Haid bei einer Clinic bei Golf City in Köln. (Foto: Golf Post)

Dr. Christian Haid bei einer Clinic bei Golf City in Köln. (Foto: Golf Post)

Haid: Ganz allgemein gilt, je aufrechter ich stehe, um so geringer sind die Belastungen auf die Wirbelsäule. Eine gewisse Vorneigung brauche ich natürlich beim Golfschwung, damit die Arme frei schwingen können. Das Nächste sind Verbiegungen im Körper. In vielen Anleitungen hört man immer noch, dass man den Kopf stillhalten soll. Im „alten Lehrschwung“ darf man dem Ball eigentlich gar nicht hinterherschauen. Wenn man versucht, den Kopf still zu halten, dann kommt es zu sehr starken Krümmungen der Wirbelsäule. Das führt zu hohen Belastungen der Bandscheibe. Ich würde jedem empfehlen, sich so zu bewegen, dass es sich frei anfühlt. Den Ball zwar im Blickwinkel behalten, aber ihn nicht fixieren. Der Kopf sollte auf jeden Fall teilweise mit dem Körper gedreht werden. Im Rückschwung ist alles nicht so gefährlich. So lange ich eine Bewegung langsam mache, ist nicht so viel Dynamik im Spiel. Im Rückschwung kann ich mir viele Fehler leisten, die prinzipiell gelenksbelastend wären, aber da die Bewegungen langsam stattfinden, ist das nicht so gefährlich. Viel gefährlicher ist der Durchschwung.

Bewegungsradius, Überbelastung und Konsequenzen

Golf Post: Was sind die häufigsten Fehler beim Golfschwung?

Haid: Der häufigste Fehler ist sicher der, dass die Gelenke in den Anschlag gebracht werden. Es sind auch sehr viele gute Golfer muskulär eigentlich stabil. Aber während des Golfschwungs verlassen sie dann diesen stabilen Bewegungsbereich. Und dann haben sie, obwohl sie sehr gut trainiert sind, eine sehr hohe Gelenkbelastung.

Golf Post: Was ist die Konsequenz aus der Überbelastung der Gelenke?

Haid: Die Konsequenz ist, dass die Gelenksbelastungen wesentlich steigen. Das kann man sich wie eine Kinderwippe vorstellen. Die Gelenksbelastung entspricht der Last, die insgesamt auf dem Lager wirkt. Wenn jetzt ein Kind weit weg vom Drehpunkt sitz und ich auf der anderen Seite auch weit weg bin, brauche ich wenig Kraft. Je näher ich am Drehpunkt bin, desto fester muss ich drücken. Die Gelenkskraft ist die Summe der Gewichtskraft des Kindes und meiner Kraft. Deshalb können zum Beispiel gerade in der Wirbelsäule die Kräfte um ein Mehrfaches höher werden.

Golf Post: Welche Verletzungen können daraus entstehen?

Haid: Fangen wir bei der Bandscheibe an. Der Bandscheibenvorfall ist am Ende ein mehr oder weniger plötzliches Erlebnis, aber dem sind Fehlbewegungen vorangegangen. Ähnliches gilt für die Schulter. Im Bereich Fußgelenk, Kniegelenk werden Band- und Gelenksstrukturen überlastet. Was Hand- und Ellenbogengelenk betrifft, kennen wir ja die typischen Symptome. Wir können uns jedoch sehr gut mit einem lockeren Griff helfen.

Golf Post: Mit dem lockeren Griff beginnt der gesunde Schwung?

Haid: Ja. Der gute Schwung beginnt mit dem Vertrauen in die Physik. Vertrauen in die Physik und die Berücksichtigung der Anatomie, das sind Eckpfeiler von Healthy-Swing. Eigentlich geht es darum, über den eigenen Schatten zu springen und zu sagen „ich gehe es mit Lockerheit an“. Je lockerer ich den Schläger halte, desto besser kann ich ihn auch spüren. Das ist enorm wichtig um das Schwingungsverhalten des Schlägers kennenzulernen. Dadurch fühlt sich der Golfschwung dann auch viel leichter an.

Locker schwingen heißt nicht kürzer schlagen

Golf Post: Die meisten Leute würden wohl befürchten, kürzer zu schlagen, wenn sie lockerer schwingen.

Haid: Einerseits haben sie diese Angst. Andererseits haben sehr viele das Erlebnis, dass sie, wenn sie mal besonders locker geschwungen haben, besonders weit geschlagen haben. Die Schwierigkeit ist nur: Wenn man bewusst versucht, irgendetwas locker zu lassen, dann lässt man nicht mehr das locker, was locker sein soll, sondern auch andere Gelenke bewegen sich dann zu viel oder machen gar Fehlbewegungen. Dann resultieren Fehlschläge daraus. Um diese Fehlschläge zu verhindern, setzt man wiederum Kraft ungünstig ein.

Golf Post: Was soll denn locker sein und was fest?

Haid: Den Rumpf würde ich stabil nennen. Verkrampft darf überhaupt kein Gelenk sein. Verkrampft heißt immer, dass Agonist gegen Antagonist dicht macht. Man sollte lernen, nur jene Muskeln zu verwenden, die der Bewegung förderlich sind. Das zweite ist, dass man unnötige Verbiegungen vermeidet. Verbiegungen erfordern Zusatzkräfte für die Stabilisierung. Je näher ein Körper z.B. an der Drehachse ist, umso geringer wird der Aufwand für die Drehung.

Golf Post: Oft heißt es auch, der linke Arm soll gestreckt sein und eine Zugbewegung am Schläger machen. Wie ist das aus Sicht des Healthy Swing zu beurteilen?

Haid: So wie die Zugbewegung meistens gezeigt wird, führt sie zu keiner effizienten Beschleunigung des Schlägerkopfes. Sie ist sogar kontraproduktiv. Da wurde die Physik nicht verstanden. Die Physik des Golfschwungs ist den wenigsten klar, auch wenn gute Spieler sie intuitiv nutzen. Es gibt viele gute Bücher, in denen das erklärt wird, aber da steht dann eine Differentialgleichung für das Doppelpendel. Ich kann niemandem böse sein, der diese Gleichung nicht versteht. Healthy-Swing erklärt aber ganz einfach diese „magic moves“.

Golf Post: Was bestimmt den perfekten Schwung?

Haid: Physikalische Rahmenbedingungen, muskelphysiognomische Rahmenbedingungen und anatomische Strukturen – das sind die Rahmenbedingungen, die ein guter Golfschwung berücksichtigt.

Golf Post: Also ist es schon aus anatomischen Gründen für manche unmöglich, sich dem perfekten Schwung zu nähern?

Haid: Man kann eigentlich, abhängig von seiner Beweglichkeit, für nahezu jeden einen individuellen Golfschwung kreieren, mit dem er sehr gut Golf spielen kann. Die physikalischen Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssen, damit der Schlägerkopf schnell wird, das sind immer die gleichen. Aber ich kann das mit unterschiedlichen Bewegungsmustern erreichen.

Warum Jim Furyk das bessere Vorbild ist

Golf Post: Kann deshalb auch Jim Furyk, der berühmte Oktopus, der aus dem Baum fällt, so gut Golf spielen?

Haid: Der Schwung von Jim Furyk ist ja sehr gut. Er schaut nur eigenartig aus. Im Rückschwung, dort wo ihm die Beweglichkeit fehlt, führt er die Hände auf einer Bahn, die seine Beweglichkeit hergibt. Diese Bahn führt dazu, dass der Schläger diesen Achter macht. Es ist nicht nachgewiesen, dass diese Zusatzbewegung nicht bis zu einem gewissen Grad sogar hilft, die Gesamtbewegung im Schwung besser zu erfüllen. Nur weil es eigenartig ausschaut, heißt es nicht unbedingt, dass der Schwung schlecht ist.

Golf Post: Das hören sicherlich viele gern.

Haid: Es gibt bestimmte Arten von Zusatzbewegungen, die ohne weiteres vorhanden sein dürfen. Es gibt andere Zusatzbewegungen, die man tunlichst vermeiden muss.

Golf Post: Viele Golfer suchen sich Vorbilder auf der Tour. Das sind meiste jene, die sehr lang schlagen. Demnach schauen sie, wie dieser oder jener Spieler schwingt und versuchen das auch. Was geht da in ihnen vor?

Haid: Mir fällt auf, dass sich die Leute unter den guten Spielern oft die falschen als Vorbild nehmen. Man nimmt sich Rory McIlroy als Vorbild oder Lee Westwood oder auch Tiger Woods, weil das unheimlich kraftvoll und dynamisch ausschaut. Aber es gibt andere Spieler, die es eigentlich effizienter machen. Wen man auf jeden Fall als Vorbild nehmen kann, ist Annika Sörenstam. Unter den Damen haben noch Christie Kerr und Amy Yang einen sehr schönen Schwung. Henrik Stenson schwingt sehr gut. Jason Duffner verbiegt sich auch überhaupt nicht. Diese Schwünge schauen recht simpel und einfach aus. Jeder findet den Schwung von Annika Sörenstam elegant. Aber elegant scheint nicht gefragt zu sein, sondern kraftstrotzend.

Als Vorbild geeignet: Annika Sörenstam

Christian Haid: "Ich bewundere Tiger Woods"

Golf Post: Woran liegt das wohl?

Haid: Darüber wundere ich mich auch. Ich habe mich immer gefragt, warum Golflehrer den Schwung von Tiger Woods als Vorbild genommen haben. Wenn ich da hinschaue, sehe ich von vornherein die Tendenz zu sehr hohen Gelenkbelastungen. Da schaue ich lieber weg. Er spielt toll! Ich bewundere sein Gefühl für das Spiel. Aber vom Schwung her war das nicht das, was ich nachmachen möchte.

Golf Post: Gibt es momentan Spieler auf der Tour, bei denen Sie Bedenken haben, dass es mit diesem Schwung nicht mehr lange gut geht?

Haid: Ich traue mich nicht, Namen zu nennen. Aber man sieht einige Spieler auf der Tour, bei denen ich das Gefühl habe, sie gehen in den Bewegungsanschlag. Man erfährt ja nicht, wie oft sie jetzt schon aus gesundheitlichen Gründen Pausen einlegen oder wie oft sie Schmerzmittel nehmen. Es gibt viele Topgolfer, die in höherem Alter gern noch spielen wollten, aber nicht mehr konnten. Man darf auch nicht unterschätzen, dass viele Jugendliche vom College kommen und den Schritt auf die Tour nicht schaffen, weil sie das Training aufgrund von Schmerzen nicht mehr durchstehen. Die bleiben für uns unsichtbar.

Das Interview führte Tobias Hennig

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