Golfregeln

Regelkunde mit Marcel Siem: Was tun, wenn der Ball sich bewegt?

15. Jan. 2016 von Yannick Beyss in Köln, Deutschland

Marcel Siem machte in der ersten Runde der Joburg Open nicht zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem Rules Official. (Foto: Getty)

Marcel Siem machte in der ersten Runde der Joburg Open nicht zum ersten Mal Bekanntschaft mit einem Rules Official. (Foto: Getty)

Gerade läuft das zweite Turnier der European Tour im Jahr 2016 und schon zeigt sich am Beispiel Marcel Siem, dass die neuen Regeländerungen noch nicht von allen Beteiligten verinnerlicht worden sind. Bei der ersten Runde der Joburg Open in Südafrika war der Deutsche zunächst der Leidtragende. Die Entscheidung, ihm einen Strafschlag zu geben, wurde jedoch später revidiert. Wir versuchen in diesem Fall ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.

Verwirrspiel um Marcel Siem

Marcel Siem während der ersten Runde der Joburg Open. (Foto: Getty)

Marcel Siem während der ersten Runde der Joburg Open. (Foto: Getty)

Marcel Siem hatte sich währen der ersten Runde der Joburg Open gerade an der Spitze festsetzen können. Dann jedoch kam der Ratinger auf die 17. Spielbahn des West Courses im Royal Johannesburg & Kensington GC. Bei der Vorbereitung auf einen Chip machte Siem zwei Probeschwünge und setzte den Schläger ein Stück weit hinter dem Ball auf.

Als er seinen Schläger wieder anhob und Richtung Fahne schaute, passierte es: Der Ball bewegte sich leicht und blieb wenige Zentimeter von seiner ursprünglichen Ausgangsposition entfernt liegen. Weder Siem noch seine Mitspieler Ernie Els und Brandon Stone konnten mit voller Überzeugung sagen, ob der Ball sich durch ein Verschulden Siems bewegt hatte oder nicht, so dass ein Rules Official der European Tour hinzu gezogen wurde.

Nach längerem Hin und Her und der Analyse der Fernsehbilder entschied der Offizielle zur großen Verwunderung von Siem auf Strafschlag. Angeblich sollte er für die Bewegung seines Balles verantwortlich gewesen sein.

Regel 18-2 unter der Lupe

Bekam man bis zum Ende des letzten Jahres für jede Bewegung beim Ansprechen noch einen Strafschlag, so besagt ein Blick in Regel 18-2 inzwischen folgendes: "Bewegt sich der Ball im Spiel, nachdem der Spieler ihn angesprochen hat (ausgenommen infolge eines Schlages), so gilt der Ball als vom Spieler bewegt, und er zieht sich einen Strafschlag zu. Der Ball muss zurückgelegt werden, [...]. Ist es bekannt oder so gut wie sicher, dass der Spieler die Bewegung seines Balls nicht verursacht hat, so findet Regel 18-2b keine Anwendung."

Für den Fall Siem sind bei der Betrachtung dieser Regel zwei Aspekte ganz besonders interessant. Zum einen die Frage, ob der Ball von Siem bereits angesprochen wurde und zum anderen die Entscheidung, ob die Bewegung des Balles durch den Deutschen verursacht wurde.

Bewegung des Balles verschuldet oder unverschuldet?

Beginnen wir mit dem letzteren der beiden Aspekte. Siem tätigte seine Probeschwünge seitlich neben dem Ball und berührte diesen dabei nicht. Zudem setzte er seinen Schläger zum einen nicht direkt hinter dem Ball und zum anderen nicht so druckvoll auf, dass sich der Ball davon in Bewegung setzte. Abschließend befand sich der Schläger zum Zeitpunkt der Bewegung schon gar nicht mehr in der Nähe des Balles, sondern angehoben in der Luft.

Trotzdem entschied der Rules Official auf Strafschlag mit der Begründung, Siem hätte auf Grund seiner Probeschwünge eine Bewegung des Balles verursacht. Nach dem Studium der Fernsehbilder muss man sagen, dass es sich dabei um eine äußerst strittige Regelauslegung handelte - schließlich war es nicht ersichtlich, was der Deutsche falsch gemacht haben sollte.

Wie so oft liefern verschiedene Auslegungsmöglichkeiten somit eine Grundlage für diskutable Entscheidungen. Die Frage, ob der Ball zum Zeitpunkt der Bewegung angesprochen war, bietet hingegen weniger Zündstoff und ist im Falle Siems auch die Basis für das letztendliche Ruling gewesen.

Marcel Siem nimmt Stellung zur Regelauslegung. (Foto: Facebook)

Marcel Siem nimmt Stellung zur Regelauslegung. (Foto: Facebook)

Ball zum Zeitpunkt der Bewegung nicht angesprochen

Bei dieser Debatte kam John Paramore, Oberschiedsrichter der European Tour, im Anschluss der Runde zu einem klaren Ergebnis: Der Ball war zum Zeitpunkt der Bewegung nicht von Marcel Siem angesprochen. Somit spielte es auch keine Rolle, ob die Bewegung von Siem verursacht wurde oder nicht. Der zuvor verhängte Strafschlag wurde wieder zurück genommen, bevor der Deutsche seine Scorekarte unterzeichnete.

Für diese Entscheidung spricht die Aussage des Ratingers in einem Facebook-Kommentar: "[...], ich habe den Schläger aber nicht direkt hinter dem Ball aufgesetzt". Die Tatsache, dass sich sein Schläger zum Zeitpunkt der Bewegung bereits 3,5 Sekunden in der Luft befunden hatte, unterstützt diese Auslegung zudem.

Marcel Siem äußert in einem Facebook-Kommentar seine Sicht der Dinge. (Foto: Facebook)

Marcel Siem äußert in einem Facebook-Kommentar seine Sicht der Dinge. (Foto: Facebook)

Der Ball muss zwangsläufig zurückgelegt werden

Abschließend sollte noch ein letzter Aspekt angesprochen werden, der in dem ganzen Chaos rund um Marcel Siem ein wenig untergegangen war und auch von den TV-Kameras nicht aufgezeichnet wurde. Egal, ob der Ball sich durch eigenes Verschulden bewegt hat beziehungsweise ob er angesprochen war oder nicht, er muss in jedem Fall zurückgelegt werden. Geschieht dies nicht, greift Regel 20-7c (Spielen des Balles von einem falschen Ort) und zwei Strafschläge werden fällig.

Marcel Siem legte den Ball zu seinem Glück noch zurück, bevor er den nächsten Schlag ausführte. Und auch wenn er auf der folgenden Schlussbahn noch ein Bogey auf seiner Scorekarte verbuchen musste, im Enddefekt profitierte der Deutsche von dieser neuen Regel. Aus Sicht der European Tour sollte man allerdings das Verständnis der eigenen Rules Officials hinsichtlich dieser Auslegungen schärfen. Ansonsten ist weitere Verwirrung vorprogrammiert.


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